… aber diese Fremden sind nicht von hier (10), eine Geschichte

Die Größe des Menschen besteht eben darin, sich gegen seine Neigungen entscheiden zu können, und sein Schicksal darin, es manchmal auch zu müssen. Niedere Instinkte sind menschlich, aber menschlich sind auch Mitgefühl, Kooperation, Solidarität und jene Fähigkeit, die uns am deutlichsten von allen anderen Lebewesen unterscheidet: Geschichten erzählen und anhand von Geschichten unser Leben und die Welt, in der dieses Leben gestellt ist, gestalten zu können. Gegen den Befund des IAT sind Sie, lieber Leser, liebe Leserin, machtlos; Ihre Freiheit aber besteht darin, zwischen dem Instinkt und Ihren edelsten Befähigungen wählen zu können.
Und nun zum guten Schluß noch eine kleine Geschichte. Stellen Sie sich vor, Sie stammen aus einem kleinen Dorf im Schwarzwald, nennen wir es Hintertupfingen, Sie haben dort Ihre Kindheit und Jugend verbracht, Sie haben dort Ihre Familie gegründet, Sie haben dort Ihre Freunde und Bekannte, Ihren Kleintierzüchterverein und Ihren Posaunenchor, Sie kennen dort jeden Stein und jeden Baum, und bis zu einem verhängnisvollen Tag vor zwei Jahren haben Sie sich nicht vorstellen können, diesen geliebten Flecken Erde jemals zu verlassen. Dann aber ist in Süddeutschland ein Bürgerkrieg ausgebrochen und hat die ehemaligen Länder Baden, Württemberg und Rheinlandpfalz erst in ein verheerendes Blutbad und dann in einen zermürbenden Guerillakrieg gezogen. Ihr Dorf ist gespalten zwischen Unitariern und Separatisten, die Hälfte Ihrer Freunde kennt Sie nicht mehr, die andere Hälfte ist tot oder vertrieben; einen Nachbarn von Ihnen haben Sie nachts aus dem Haus geholt und im Wald erschlagen, Sie haben zitternd hinter der Tür gestanden und mit angehört, wie das Geschrei hinterm Ortsrand verebbte. Die Unitarier nennen Sie einen Feigling, die Separatisten einen Überläufer. Sie selbst wollen nur Ihre Ruhe. Die Rheinebene zwischen Basel und Mainz ist Kriegsgebiet, durch den Schwarzwald ziehen marodierende Banden, die alles plündern, vergewaltigen und versklaven, was nicht bei drei auf den Tannen ist. Ihr Bruder ist schon abgehauen, er hat Ihre beiden Töchter und Ihre Frau mitgenommen, vorübergehend, war die Abmachung, bis das Schlimmste vorbei wäre, denn einer muß dableiben und sich um den Hof und die Tiere kümmern. Aus dem fernen Afrika wollten sie dann Kontakt zu Ihnen aufnehmen. Sie haben seit vier Monaten nichts von Ihnen gehört, und es hat ganz den Anschein, daß im Schwarzwald das Schlimmste nicht nur nicht bald vorbei ist, sondern erst noch bevorsteht. Also beschließen Sie selbst, zu fliehen und Ihrem Bruder zu folgen. Sie haben ein paar Kontaktadressen, ein paar Namen im fernen Amsterdam. Das ist nicht gerade viel. Aber alles ist besser, als hier zu bleiben und darauf zu warten, daß die Unitarier und die Separatisten sich beim Abfackeln Ihres Hofes die Brandsätze aus der Hand nehmen.
Inzwischen ist Rheinland-Pfalz von der Berliner Zentralregierung zum sicheren Herkunftsland erklärt worden – das Problem ist nur, daß Sie als Badener dort als Vaterlandsfeind sofort ohne Prozeß hingerichtet würden, wenn man Sie dort festnähme. Niedersachsen seinerseits hat mit Nordrhein-Westfalen ein Abkommen geschlossen, in dem das Nachbarland sich verpflichtet, etwaige Flüchtlinge schon an seiner südlichen Landesgrenze abzufangen, bevor „die Welle“, wie es schon ominös heißt, nach Niedersachsen gelangen kann. Da andererseits der Weg nach Süden und zum Mittelmeer völlig verriegelt ist, denn die Schweiz läßt niemanden mehr hinein oder hindurch, bleibt ihnen nur der Rhein als Weg nach den Niederlanden und zum Meer. In einem Albtraum aus durchwanderten Nächten und in Verstecken verbrachten Tagen, immer auf der Hut vor herumziehenden Freischärlern einerseits und Grenzhütern andererseits, ständig in Gefahr, aufgegriffen und postwendend zurückgeschickt zu werden (falls man Sie nicht gleich standrechtlich erschießt), haben Sie es irgendwie geschafft, sich nach Amsterdam durchzuschlagen; dort haben Sie Anschluß an andere Flüchtlinge gefunden und sich einem Schleuser in die Hände gegeben, der Sie und hundert weitere Unglückliche im Laderaum eines Frachters mit Kurs auf die senegalesische Küste schmuggelt. Im Senegal, heißt es, gibt es eine starke Solidaritätsbewegung und eine kompetente Flüchtlingshilfe; die Staatschefin soll mit dem vielversprechenden Slogan „Wir schaffen das“ von sich reden gemacht haben. Trockenen Fußes betreten Sie ein paar Wochen später den rettenden Kontinent. Andere, die sich kurz nach Ihnen auf den Weg gemacht haben, hatten nicht so viel Glück, erfahren Sie später, sie wurden im Ärmelkanal in einem Schlauchboot ausgesetzt und sind ertrunken oder verschmachtet, man weiß es nicht genau.
Und jetzt, nach weiteren Tagen oder Wochen, sind Sie hier, in diesem Großraumbüro in einem anonymen Gebäude und warten darauf, daß man Sie registriert. Sie haben keine Ahnung, was Sie erwartet, noch, was von Ihnen erwartet wird. Sie sind hier der einzige mit heller Hautfarbe. Sie verstehen kein Wort von dem, was um sie her gesprochen wird. Eine Gruppe von Angestellten lacht über einen Witz. Sie haben das Gefühl, daß sie zuvor zu Ihnen hinübergeschaut haben. Als Sie das Gebäude betreten haben, hat einer von seinem Bildschirm aufgeblickt und Sie angesehen mit einem Ausdruck, den Sie inzwischen gut kennen. Er bedeutet: Oh nein, nicht schon wieder einer. Sie haben entsetzliches Heimweh nach einer Heimat, die es nicht mehr gibt, Sie wissen nicht, was aus Frau und Töchtern und dem Bruder geworden ist, Sie sind krank vor Sorge um Ihre Lieben, fühlen sich verloren, fremd, herumgestoßen und unsäglich müde.
Und dann sagt jemand etwas neben Ihnen. „Hey!“
Und als Sie den Kopf heben, hat sich vor Ihnen einer aufgebaut, pechschwarze Haut, rasierter Schädel, kolossale Schultern. Die Hände in die Hüften gestemmt, steht dieser Riese vor Ihnen, reckt das Kinn vor und sagt noch einmal, „Hey!“
Und dann lächelt er. Ein breites, herzliches Grinsen voller blitzweißer Zähne spannt sich von Ohr zu Ohr. Sie wissen nicht recht, was das bedeuten soll. Schüchtern lächeln sie zurück. Da tippt der Riese Ihnen sanft auf die Schulter und sagt, „Hey, where do you really come from?“
Und völlig verdattert sagen Sie, „Schwarzwald, äh, Black Forest.“
Und der andere nickt und fragt, und wo da?
Sie zucken mit den Schultern und sagen, Tupfingen; und da hebt der Riese die Augenbrauen und fragt zurück, Vordertupfingen oder Hintertupfingen?
Szenenwechsel. Sie arbeiten selbst in so einem Großraumbüro. In Ihrer Welt ist das Gefährlichste der Straßenverkehr und Handystrahlen und das Unangenehmste ein Besuch beim Zahnarzt. Sie haben zwei gesunde Kinder und einen Partner, den Sie sehr lieben. Ihre Arbeit könnte mehr Spaß machen, aber immerhin ist sie nicht belastend oder stupide. Mit den Kollegen verstehen Sie sich gut (eben haben Sie über einen Witz mit ihnen gelacht). Sie haben einen anstrengenden Tag mit hunderten von Anträgen, einer Dienstbesprechung, drei Protokollen und einem ersten Entwurf zur zweiten Präambel der dritten Fassung der Durchführungsverordnung hinter sich, es ist sechzehn Uhr, Sie haben Hunger und Lust auf ein Bier. Sie freuen sich auf Ihren Feierabend und auf das Abendessen mit ihrer Familie, lauter gute Dinge, die Sie so fest glauben, verdient zu haben, daß Ihnen kein anderer Gedanke dazu kommt.
Und nun betritt eine Gestalt das Großraumbüro, ein Mann in Ihrem Alter, dunkle Hautfarbe, schwarze Locken, die Sportjacke hat schonmal bessere Tage gesehen. Der Mann sieht sich um mit einem Gesichtsausdruck, den Sie schon von vielen hundert anderen kennen. Wenn sich das mit dem jetzt hinzieht, dann kommen Sie nicht rechtzeitig raus, und Sie müßten zu Hause anrufen, um durchzugeben, daß es wieder einmal später wird. In letzter Zeit wird es oft später, denken Sie mißmutig. Ihr Blick trifft den Blick des Mannes, und sie denken, nicht schon wieder einer.
Und dann passiert eine ganz kleine Sache. Vielleicht hat Ihre Tochter gerade eine Blinddarmoperation heil überstanden, oder Sie sind am Tag zuvor einem Verkehrsunfall nur knapp entgangen, oder der Zahnarzt hat keine neue Karies festgestellt, jedenfalls fühlen Sie, das kann nicht alles sein, irgendetwas wird jetzt passieren, und ehe Sie darüber nachdenken, sind Sie schon aufgestanden, zu dem Mann hinübergegangen und haben sich, große Statur, militärischer Haarschnitt, breite Schultern, eisblaue Augen, vor ihm aufgebaut.
Und dann lächeln Sie.
„Hey!“ sagen Sie, „Where are you really from?“ –

Was hat Sie das gekostet? Nur einen kleinen Schritt; aber viele kleine Schritte machen eine Menschheit aus. Sie kennen diesen Menschen nicht, nicht seine Geschichte, nicht seine Träume, nicht seine Wünsche, seine Ängste nicht und nicht seine Hoffnungen. Sie wissen nur, daß er, wie jeder Mensch, eine Geschichte, Träume, Wünsche, Ängste und Hoffnungen hat. Genau wie Sie. Vielleicht ist das ein Busengrapscher, vielleicht ein sanfter Familienvater, vielleicht ein Fanatiker, vielleicht die Gelassenheit in Person, vielleicht ein Bombenleger, vielleicht ein Spaßmacher, vielleicht ein Choleriker, Sie wissen es nicht. Aber wenn Sie raten wollen, liegen Sie am wahrscheinlichsten mit der Vermutung richtig, daß er Durchschnitt ist. Genau wie Sie. Und während er Ihnen antwortet, Ethiopia, huscht etwas über seine Züge, das Sie selbst vielleicht schon sehr lange nicht mehr nötig gehabt haben: Hoffnung.
Kann sein, dieser Mensch hat Sie schon am nächsten Tag wieder vergessen. Kann aber auch sein, Sie haben dadurch, daß Sie sich für ihn interessierten, eine freundliche Spur in diesem Menschen hinterlassen und ihm fünf Minuten geschenkt, die er noch Jahre später seinen wiedergefundenen Töchtern erzählen wird.
Und nun eine Bitte.
Lassen Sie diese Gelegenheit nicht verstreichen. Danke.

… aber diese Fremden sind nicht von hier! (9), Fremdenfeindlichkeit



(Vorletzter Teil der Reihe, in der ich einen Fragebogen zum Thema Rassismus kommentiere, den die Online-Ausgabe von ZEIT Campus vor ein paar Monaten herausgegeben hat.)

Die unangenehme Wahrheit ist: Fremdenfeinlichkeit ist der Normalfall. Daß wir in anonymen Sädten zu Millionen fremd an fremd zusammenleben, daß wir gemeinsam mit Menschen, die uns gänzlich unbekannt sind, friedlich die U-Bahn benutzen, Bus fahren, Geschäfte aufsuchen, an der Fußgängerampel warten, in der Kassenschlange stehen, ist durchaus nicht selbstverständlich, ja, es ist sogar, vor dem Hintergrund, daß sich über die weitesten Strecken der Menschheitsgeschichte Fremde, die einander unverhofft in der Savanne über den Weg liefen, geneigt waren, sich gegenseitig den Schädel einzuschlagen, ein kleines Wunder. Bis zum Auftreten erster Städte, Ballungszentren und Hochkulturen hat jeder Mensch auf Erden als Mitglied einer übersichtlichen Stammesgesellschaft gelebt, in der jeder jeden kannte. Der Normalfall war auch, daß Stammesfremde, wenn sie die Grenzen des Territoriums überschritten, ohne Federlesens von Migliedern benachbarter Stämme getötet wurden, eine Reaktion, die sich unter Stammesgesellschaften bis weit ins zwanzigste Jahrhundert gehalten hat. So sah die Welt aus, seit es den Menschen gab, „bis gestern“, wie Jared Diamond schreibt. Von solchen Verhältnissen zu einer Gewissensprüfung wie der hier kommentierten ist es ein weiter Weg. Alles andere als eine moderne Erscheinung, ist uns die Fremdenfeindlichkeit wahrscheinlich schon in die evolutionäre Wiege gelegt. Daß wir sie überwinden können, ist eine großartige Kulturerrungenschaft und eine der vielen erstaunlichen Leistungen unseres flexiblen Gehirns, das uns erlaubt, Narrative umzuschreiben und völlig neue Lebenswelten zu erschaffen. Daß es dabei manchmal hakt, weil uns atavistische Tendenzen in die Quere kommen, darf uns nicht erstaunen. Statt aber schon das Gefühl eines Vorbehalts gegenüber Fremden moralisch zu verdammen und nach Art des Fragebogens zur Sünde zu erklären, sollten wir dem Phänomen (und eigentlich ist das Miteinanderauskommen das Phänomen, nicht die Fremdenfeindlichkeit) mit Verständnis und demselben flexiblen Gehirn begegnen, der diese Welt mit ihren Städten, ihren Verkehrsmitteln, ihren komplexen Gesellschaften, ihrer Technologie und ihren vielfältigen Migrationsbewegungen erst geschaffen hat. Selbst noch die eigenen Gedanken zu züchtigen, führt in Erschöpfung und letztendlich in Selbsthaß: Wir werden nie gut genug sein. Wir werden nie unseren Nächsten lieben wie uns selbst. Wir werden nie frei von rassistischen Tendenzen, frei von Neid, Habsucht, Völlerei und Faulheit sein. Wir werden uns Rosenmontag nie in einer Horde Jecken in Köln wohl fühlen, es sei denn, man würde selbst zum Jecken. Wir können uns aber selbst keinen Migrationshintergrund oder eine afrikanische Abstammung zulegen, wenn wir nunmal in die Familie Holzkötter hineingeboren und in Sprockhövel aufgewachsen sind. (Man bekommt direkt den Eindruck, das ist genau das, was uns der Fragebogen vorwirft: keine Migranten zu sein. Als wäre man erst dann ein guter Mensch.)
So manches, was uns in die Wiege gelegt wurde (die Bereitschaft, den eigenen Nachwuchs zu töten, wenn die Zeiten rauh sind; die Neigung zu Vergewaltigung; das Streben nach Dominanz; die Neigung vieler Männchen, sich einen Harem zuzulegen, und viele andere) finden wir aus guten Gründen unmenschlich und ausmerzwürdig. Zwar nutzt uns die Erkenntnis, warum Männer zur Vergewaltigung neigen und wir alle Rassisten sind, nicht viel, denn das macht das Übel weder besser, noch schafft die Erkenntnis es von selbst aus der Welt. Ein Mißverständnis besteht allerdings darin, solche Neigungen deshalb für entschuldbar zu halten. Ein so flexibles Gehirn wie das menschliche kann sich nicht rausreden; schon der Versuch, sich mit seinen ererbten Neigungen zu rechtfertigen, beweist die Schuldfähigkeit dessen, der so argumentiert. Denn das ist der Mensch: ein Wesen, das schuldig werden kann. Denn der Mensch kann sich gegen seine Neigungen entscheiden, und manchmal muß er es auch. Er kann es aber besser, wenn er weiß, was seine Neigungen sind und wo die Neigungen herkommen. Immer aber kann und muß er es aus Gründen. Und hier sind wir endlich beim IAT angelangt.

IAT steht für Impliziter Assoziationstest, das ist ein Verfahren der Sozialpsychologie, um die Stärke von Assoziationen zwischen verschiedenen Gedächtnisbereichen zu messen und damit unbewußte Einstellungen (Bevorzugung oder Ablehnung) sichtbar zu machen. Dabei müssen Probanden einerseits Wörter wie schrecklich, Liebe, Vergnügen, verletzt nach positiver oder negativer Konnotation sortieren, andererseits Bilder den Schubladen der abzutestenden Kategorie – dicke oder dünne Menschen, dunkelhäutige oder hellhäutige Menschen, alte oder junge Menschen etc. – zuordnen, also Bilder dünner Menschen als „dünn“ kennzeichnen, Bilder dicker Menschen als „dick“. Dabei wird eine Bildschirmseite der Kategorie „gut“ und die andere der Kategorie „schlecht“ bzw. „dick“ oder „dünn“ (oder „alt“ und „jung“ etc.) zugewiesen. In der Mitte erscheinende Wörter und Bilder müssen dann mit den Tasten e (links) und i (rechts) zugeordnet werden. In einem dritten und vierten Schritt werden diese Zuordnungsaufgaben vermengt, wobei einmal die Seiten getauscht werden. Die Idee ist nun, daß Probanden mit einer unbewußten Bevorzugung von, sagen wir, dicken Menschen, sich bei der Zuordnung von positiv konnotierten Wörtern und Gesichtern dicker Menschen leichter tun, wenn diese auf derselben Seite erscheinen (dieselbe Antworttaste erfordern) und langsamer reagieren oder mehr Fehler machen, wenn negativ konnotierte Wörter und Gesichter dicker Menschen auf derselben Seite liegen. Was wir lieber nicht erfahren hätten: Die Mehrzahl weißer Probanden zeigt im IAT eine Bevorzugung hellhäutiger Gesichter (bei schwarzen Probanden ist das umgekehrte Ergebnis weniger eindeutig), und zwar weltweit. Insofern liegen hier die Autoren des Fragebogens richtig, wenn sie behaupten, der Rassismus ordne unser aller Denken.
Oder vielleicht doch nicht, denn die Reaktionsmuster des IAT sind ja gerade kein Denken (oder höchstens „schnelles“ Denken in der Kahnemannschen Dichotomie), sondern erfolgen unbewußt: Sind die Reaktionen nämlich nicht spontan, ist der Test nicht mehr aussagekräftig, würde er doch in diesem Fall unsere durch Nachdenken gewonnenen Überzeugungen widerspiegeln, nicht aber den Teil unseres Selbst, zu dem wir keinen Zugang haben. (So hat beispielsweise der Autor dieser Zeilen ausweislich des IAT eine „starke Präferenz“ für weiße Menschen.)
Der entscheidende Punkt ist nun, daß das Ergebnis des IATs gegen die eigenen Überzeugungen, gegen die eigenen Haltungen, ja sogar gegen das eigene Selbstbild ausfallen können. Mit anderen Worten, der, wenn der Ausdruck erlaubt ist, intrinsische Rassismus ist allenfalls von wissenschaftlichem und von pädagogischem Interesse; für die politische, gesellschaftliche, soziale und juristische Sphäre ist er unerheblich. Niemand kann für unerwünschte Werte im IAT belangt werden, kein Politiker muß sich zu seinem persönlichen IAT-Scan äußern, das Testergebnis wird weder in Ausweispapieren niedergelegt noch verpflichtend regelmäßig von allen Bürgern erhoben; es ist keine Zugangsvoraussetzung zu Berufen, und es steht auch nicht im Abschlußzeugnis der Schule. Außerdem ist der Zusammenhang zwischen impliziten und expliziten Einstellungen Gegenstand aktueller Forschung und bislang noch nicht gut verstanden. Wer andererseits seine automatischen Präferenzen kennt, wird vielleicht Anstrengungen unternehmen, sie zu unterwandern, beispielsweise betont freundlich zu dunkelhäutigen Menschen sein, ihre Gesellschaft suchen etc, während jemand, der ungeprüft überzeugt davon ist, keine solche Präferenz zu haben, sich selbst weniger scharf beobachtet und diesen Präferenzen im Alltag vielleicht größere Zugeständnisse macht, als ihm selbst lieb sein kann. Daß auch ein solcher Fragebogen wie der hier so hart kritisierte, eine solche pädagogische Wirkung haben kann, sei den Autoren zugute zu halten.
Die Größe des Menschen besteht eben darin, sich gegen seine Neigungen entscheiden zu können, und sein Schicksal darin, es manchmal auch zu müssen. Das kann uns keiner abnehmen. Seinen Neigungen zu folgen, ist ein Kinderspiel; über den eigenen Schatten zu springen manchmal sehr schwer. Wir sollten die Menschen ermuntern und ermutigen, im Kontext von Fremdenfeindlichkeit über den eigenen Schatten zu springen; offen bleibt, ob dies ein solcher Fragebogen zu leisten vermag.

… aber diese Fremden sind nicht von hier (8), Möhs und Böhs

(In dieser Reihe kommentiere ich einen Fragebogen zum Thema Rassismus, den die Online-Ausgabe von ZEIT Campus vor ein paar Monaten herausgegeben hat.)

In der fünften oder sechsten Klasse verfielen meine Mitschüler und ich auf ein albernes Spiel, in welchem Gruppen von Schülern einander überfielen und erschreckten, indem sie, kleinen Satyrn nicht unähnlich, blökende Laute ausstießen, die sich ungefähr als möh bzw. böh transkribieren lassen. Anhand des jeweiligen Schlachtrufs – böh oder möh – hatten sich bald zwei Lager etabliert, die einander bekriegten und Mitglieder der jeweils anderen Gruppe mit Salven ihres eigenen Rufs – böh! oder möh! – überzogen. Man kommt als Kind auf seltsame Dinge, wenn man kein Smartphone besitzt. Jedenfalls bildete sich, fast unmittelbar nachdem sich das Spiel in der Klasse ausgebreitet hatte, eine starke Identifikation der Mitglieder beider Lager mit ihrem jeweiligen Satyrruf aus. Man war, man fühlte sich als Möh (oder Böh), und man war stolz darauf, ein Böh (oder Möh) zu sein und nicht etwa einer von denen, diesen Möhs (oder Böhs). Das ganze war durchaus spielerisch und unernst, und die scharfe Trennlinie zwischen Lagern des einen oder des anderen Satyrrufs augenblicks vergessen, sobald es um andere, interessantere Dinge ging, auch dauerte diese Phase nur ein paar Tage. Was hier ein Spiel war und von uns selbst nicht ganz ernst gemeint, hätte aber in einem anderen Kontext vielleicht gravierende Folgen haben können. Das Gefühl der Identität (ich bin ein Möh, und Fluch allen Böhs!) und Identifikation (wir Böhs stehen zusammen gegen alle Möhs der Welt) war auf eine Weise überzeugend – es fühlte sich einfach „richtig“ an, ein Möh zu sein –, die weit über die Albernheit des Spiels hinausging und eigentlich einen ernsten Grund aufweist: Identifikation und Exklusion sind anhand der absurdesten (auch rein fiktiver) Merkmale möglich, wenn nicht gar etwas, das sich in und zwischen Gruppen zwangsläufig einstellt. Es gibt im Menschen, das zeigt eine Reihe von Experimenten des Psychologen Henri Tajfel, den Wunsch nach der Dominanz der eigenen Gruppe, und zwar unabhängig, wir wir zu den einzelnen Mitgliedern dieser Gruppe stehen. Fußballfans wissen genau, wovon die Rede ist. Aus der Beliebigkeit der Merkmale, nach denen sich im Experiment nach Dominanz strebende Gruppen bilden lassen, kann der Schluß gezogen werden, und nun liebe Autoren von ZEIT-Campus, aufgepaßt: Daß Körpermerkmale („Rassen“) für Diskriminierungsmechanismen psychologisch irrelevant sind. Warum dann soviel Aufhebens um Hautfarben? Weil „Rassen“ Jahrzehntausende lang durch Ozeane, Gebirge, Wüsten voneinander getrennt gewesen sind und keinen Kontakt miteinander hatten. Dominanzstreben zwischen Gruppen spielte sich daher stets innerhalb von nach Körpermerkmalen ähnlichen Populationen ab. Ausschlaggebend für Gruppenbildungen sind daher nicht Körpermerkmale gewesen, sondern Verbindungen anderen Typs: Nachbarschaften, Familien, Sippen, Dynastien, Klientelgemeinschaften, Zünfte, Kasten undsoweiter. In einer globalisierten Welt mit umfänglichen Wanderbewegungen passiert es nun, daß manche Gruppierungen mit den Grenzen von Körpermerkmalen in kontingenter Weise zusammenfallen, das heißt, Menschen, die maximal außerhalb der eigenen Großgruppe stehen (eine andere Sprache sprechen, aus einem anderen Land stammen, andere Götter, andere Narrative haben), sehen in der Regel auch anders aus. Hier, und nur hier, hat der Rassismus seine Ursache: Als Epiphänomen. Hätten etwa die Fans von Schalke 04 eine andere Hautfarbe als die Fans des 1. FC Köln, würde man von Rassismus sprechen, wenn es nach einem Spiel zwischen Köln-Fans und Schalke-Fans zu Ausschreitungen kommt. Auf humoristische Weise haben das vor Jahrzehnten Badesalz karikiert: In einem Sketch verunglimpfen zwei Fußballfans desselben Vereins während des Spiels einen schwarzen Spieler der Gegenmannschaft („Banänsche, Banänsche! Uh, uh, uh!“), bis sie von einem dritten gemaßregelt werden. Nicht für ihre Beleidigungen, sondern weil sie einen hervorragenden Spieler beschimpfen, der ab nächster Saison für den eigenen Verein spielen wird. Daraufhin kippt die Situation, und die beiden Spötter überhäufen jetzt den Spieler mit Lobeshymnen („Diese Afrikaner, die könne ja barfuß e Gazell fange“), wobei sie nichts von ihrem Rassismus verloren haben, nur jetzt mit positiven Vorzeichen. Der springende Punkt ist hier aber, daß der Vorteil für die eigene Gruppe (den eigenen Verein), ihre Dominanz, höher bewertet wird als die (für den Sieg irrelevante) Hautfarbe eines Spitzenspielers, nachdem diese einen Moment zuvor, als man von der zukünftigen Affiliierung des Spielers keine Ahnung hatte, noch Anlaß für rassistische Beleidigungen gewesen ist. Das eigentliche Problem in Kontexten vermeintlichen Rassismus’ ist das Ressentiment gegen die anderen (beispielsweise gegen den konkurrierenden Fußballverein), und es bestünde auch dann, wenn diese anderen äußerlich gleich wären (wie bei Schalke-Fans und Köln-Fans). Genau deshalb vermengen die Autoren des Fragebogens ja auch Merkmale wie Religion („Muslime“) oder Sprache („Arabisch“, „Russisch“) mit äußerlichen Körpermerkmalen wie der Hautfarbe („schwarz“). Sie haben instinktiv begriffen, daß es um etwas anderes geht, nennen das Phänomen aber pauschal „Rassismus“. Das wird dem zu bekämpfenden Phänomen aber nicht gerecht und ist der Bekämpfung nicht dienlich. Man kann schlecht ein Verhalten ändern, das man nicht verstanden hat.

… aber diese Fremden sind nicht von hier! (7), Der Anti-Semant: Einige meiner besten Freunde waren Wörter

(In dieser Reihe kommentiere ich einen Fragebogen zum Thema Rassismus, den die Online-Ausgabe von ZEIT Campus vor ein paar Monaten herausgegeben hat.)

Wie wehrt man sich gegen den Vorwurf des Antisemitismus? Am besten gar nicht, da wird schon was dran sein. Das Perfide an dem Vorwurf ist, daß man sich gar nicht dagegen wehren kann. Denn was könnte eine bessere Widerlegung sein als der Verweis darauf, daß einem Menschen nahestehen, die das nicht dürften, wenn der Vorwurf stimmte? Gerade diese beste Verteidigung ist aber pragmatisch und protokollarisch unzulässig, weil sie als Topos sprichwörtlich geworden ist, zum geflügelten Wort, das man den Menschenverächtern als Sprache des Bösen in den Mund geschoben hat, wo es nun erst recht als Beweis für den Vorwurf gilt. Weil es, so die unausweichliche Logik, genau die Art der Verteidigung sei, die ein wahrer Antisemit vorbringen würde. Wer immer sich auf diese Weise verteidigt, spricht sich selbst schuldig.
Und wenn es nun aber stimmte?
Dann spielt das keine Rolle. Der Angeklagte braucht nicht zu denken, daß er schuldfrei wäre, nur weil seine jüdischen Freunde aufstehen und für ihn sprechen. Allerdings, hat er keine jüdischen Freunde, ist er erst recht schuldig. Mit anderen Worten: Es gibt keinen Beweis für die Unschuld. Aus dem Vorwurf folgt automatisch die Schuld.
Im Fragebogen findet man einen Reflex dieser Logik in den Fragen 6 („Denkst du, du bist nicht rassistisch, weil du einen Freund mit Migrationshintergrund hast?“) und 8 („Wie viele enge Freunde hast du, die einen asiatischen, persischen oder nigerianischen Migrationshintergrund haben?“). Ein kleines Rollenspiel macht den inquisitorischen Charakter des Verhörs deutlich. Drehen wir die Reihenfolge der Fragen mal um und lassen einen Inquisitor (I) einen Sünder (S) in die Zange nehmen:

I: Wie viele enge Freunde hast du, die einen asiatischen, persischen oder nigerianischen Migrationshintergrund haben?
S: Nun, äh, ich bin eng befreundet mit Amitav, Rafik, Omar, Kiran, Chimamanda und Teju, also sechs.
I: Denkst du, du bist nicht rassistisch, weil du einen Freund mit Migrationshintergrund hast?

Leicht ist zu sehen, daß es keine Antwort gibt, die den Inquisitor zufriedenstellen würde. Das ist auch gar nicht möglich, er wäre nämlich sonst ein schlechter Inquisitor. Antwortet S auf die erste Frage mit „Keinen einzigen“, ist das sehr schlimm für ihn. Antwortet er mit einer Aufzählung all seiner ausländischen Freunde, hilft ihm das keineswegs. „Wie oft betest du das Vaterunser?“ – „Dreimal täglich.“ – „Glaubst du, du bist frei von Sünde, weil du dreimal täglich das Vaterunser betest?“
Wie bei jeder Inquisition steht hier das Ergebnis schon zu Beginn der Befragung fest. Es handelt sich um ein Ritual. Um eine Zeremonie.

Bleiben wir noch einen Augenblick bei Freunden und Zahlen. Die allgemeine Kommunikationsstruktur des Fragebogens läßt sich wie folgt schematisieren:

Publikum: Ich bin kein Rassist!
Fragebogen: So? Dann wollen wir doch mal sehen. Also, wieviele enge Freunde mit nigerianischem etc. Migrationshintergrund hast du?
Publikum: […]
Fragebogen: Siehste. Weiter im Text. Weißt du, wieviele Msulime in Deutschland leben?

Das heißt, zu jeder der Fragen dieses, nunja, Verhörs gibt es eine Antwort, die der Verhörleiter hören will, weil es seinen Verdacht bestätigt, und eine, die ihm egal ist, weil sie an diesem Verdacht ohnehin nichts mehr ändert. Antworten der ersten Art sind ein Eingeständnis („Ja, ich gestehe, ich bin Rassist, ich habe keine nigerianischen Freunde, ich bin ein schlechter Mensch“); mit Antworten der zweiten Art glaubt der Verhörte das Richtige gesagt und den Beweis geliefert zu haben, daß er kein Rassist ist (ich nenne das die „brave“ Antwort). Anders ausgedrückt: Die meisten Fragen des Verhörs lassen sich umformulieren in: „Wenn du kein Rassist wärst, dann … (Hättest du enge Freunde mit Migrationshintergrund; würdest nicht denken, du bist kein Rassist, weil du enge Freunde mit Migrationshintergrund hast; würdest dich, wenn nebenan Afghanen einziehen, genauso super fühlen, wie wenn Schweden einziehen; würdest dich nicht fremder in der Nähe von Arabischsprechern fühlen als in der Nähe von Englischsprechern; würdest bei Tinder dunkelhäutige Gesichter nicht wegwischen; würdest dein Kind in eine Kita mit mehrheitlich Migrationskindern geben; würdest zahlreiche Bücher schwarzer Autoren lesen; etc.) – Was? Du denkst, hast, fühlst, gibst, liest, machst das alles nicht? Dann bist du ein Rassist. (Und wenn doch, bist du trotzdem einer. Siehe oben.)
(Einige Fragen sind in der Hinsicht mehrdeutig, daß nicht klar ist, wie die brave Antwort eigentlich lautet: Bin ich jetzt ein Rassist, wenn ich nicht weiß, wie viele Muslime in Deutschland leben? Wenn ich nicht weiß, daß jeder vierte Deutsche einen Migrationshintergrund hat? Oder bin ich im Gegenteil ein Rassist, weil ich es weiß? )
Zu einem inquisitorischen Verhör gehören natürlich auch solche Fragen, auf die der Verhörte aller Wahrscheinlichkeit nach gar keine zufriedenstellende Antwort geben kann. „Warum warst du letzten Sonntag nicht in der Kirche?“, wobei der Inquisitor genau weiß, daß der Weizen am fraglichen Tag des Herrn schnittreif war und es mit der Ernte pressierte, weil ein Unwetter drohte, und daß der Verhörte mit seinem Zehnten schon in der Kreide steht. In ähnlicher Weise ist die Frage nach den nigerianischen etc. Freunden perfide. Wie geht nämlich die Übung, die man absolvieren muß, um eine brave Antwort geben zu können? An wen richtet sich der Fragebogen, welche Menschengruppe soll sich hier angesprochen fühlen? Man darf annehmen: junge weiße Angehörige der gebildeten Mittel- und Oberschicht ohne Migrationshintergrund. (Zum Thema Vorsortierung von Opfern und Tätern siehe oben). Nun, Freundschaften sucht und schließt man im allgemeinen innerhalb der eigenen Gruppe, der eigenen Sphäre, Klasse, Schicht, Region, Arbeitsplatz, Bildungsschicht. Das kann man bedauerlich finden, betrifft aber das Thema Rassismus nicht zwangsläufig. Nehmen wir beispielsweise meine eigene Biographie (weiß, Mittelstand, akademischer Bildungsweg, kein Migrationshintergrund). Ich bin aufgewachsen in einem Dorf in Nordbaden. An meiner Grundschule gab es vielleicht zwei Ausländerkinder (das Wort Migrant war noch nicht erfunden), in meiner Klasse keinen. Die ersten Migranten, mit denen ich in Kontakt kam, traf ich in der Oberstufe des Gymnasiums, und tatsächlich war ich mit einem davon befreundet. Einmal abgesehen davon, daß sich nicht jeder Mensch für jeden Menschen zum Freund eignet, hätte ich kaum Gelegenheit gehabt, auch nur darüber nachzudenken, daß man auch Freunde mit nigerianischem etc. Hintergrund haben kann. Nigerianer? Perser? Woher nehmen! Selbst wenn ich es darauf hätte anlegen wollen, einen davon zum Freund zu gewinnen, es wäre mangels Nigerianer und Perser gar nicht möglich gewesen. Was also wirft der Fragebogen den Verhörten vor – denn ein Vorwurf ist es ja –, wenn diese nur weiße deutsche migrationslose Freunde aus dem gebildeten Mittelstand vorweisen können? Daß sie pflichtschuldigst sich einen anderen biographischen Hintergrund hätten wählen sollen? (Übrigens gilt die Beobachtung, daß man Freunde überwiegend in der eigenen Sphäre findet, für alle Menschen, auch für die mit Migrationshintergrund. Nigerianer und Perser, die in Deutschland leben, werden, vermute ich mal, überwiegend nigerianische bzw. persische Freunde haben. Wäre es anders, müßte der Fragebogen nicht nach den nigerianischen oder persischen Freunden von weißen Autochthonen fragen, das ergibt sich aus der Arithmetik.)
Und noch eine Bemerkung zu der Frage mit Tinder. Aus eigener Erfahrung weiß ich, daß interkulturelle Spannungen selbst zwischen Bewohnern verschiedener Länder Westeuropas eine enorme Herausforderung für deren internationale Partnerschaft darstellen können. Nun mag bei Tinder etwas anderes als feste Partnerschaften Ziel der Suche sein, aber interkulturelle Mißverständnisse dürften auch bei einem ONS eine Rolle spielen. Ich finde es absolut verzeihlich, wenn man hier auf Nummer sicher geht, selbst wenn man – wie es Tindernutzer vermutlich sind – auf Abenteuer gebürstet ist. Aber noch etwas anderes ist hier wichtig: Der Bereich von Sex und Beziehung ist der subjektive Lebensweltbereich schlechthin. Wer hier so etwas wie das Gegenstück zur Gendergerechtigkeit auf dem Feld von Ethnien fordert, der muß auch fordern, daß man bei Häßlichen nicht weiterwischt, weder Alter noch Beruf, weder Bildungsstand noch Musikgeschmack berücksichtigt, ja, daß man persönliche Quoten für kleine, große, dicke, dünne, Brillenträger und Scharfsichtige hat, etc. Mit anderen Worten, es bliebe auch bei der Wahl des Sexpartners nur noch der Münzwurf übrig, wenn man nicht buchhalterisch versuchen wollte, den jeweiligen in der Bevölkerung vorfindlichen Proporz von dick, dünn, weiß, schwarz, plattfüßig und spreizfüßig bei den eigenen Partnern exakt abzubilden. Sicher, Schönheit und Attraktivität sowie unsere Reaktionen darauf sind im Grunde Schweinkram, der nicht in unser Selbstbild paßt. Natürlich wollen wir nur „innere Werte“ gelten lassen. Natürlich lassen wir uns niemals von äußerer Attraktivität täuschen. Oder? Bei der Wahl eines potentiellen Sexpartners ausgerechnet die Hautfarbe als Kriterium auszuschließen, das ist geheuchelt. Und wie sollte das auch gehen? Die Wahl des Sexpartners ist subjektiv in jeder Hinsicht (und eine Ablehnung aus egal welchem Grund für den Abgelehnten immer schmerzhaft), und wir tun gut daran, beim anderen nicht genau nach den Gründen zu forschen. Wenn wir sie denn bei uns selbst immer kennen: Gefällt mir ihr Lächeln nicht, oder wische ich weiter, weil sie schwarz ist? Wische ich weiter, weil er eine Mongolenfalte hat, oder weil ich sein schmales Kinn häßlich finde? Man müßte, um dem Inquisitor später eine befriedigende Antwort geben zu können, geradezu bewußt nach schwarzen Partnern suchen. „Ich mag dich eigentlich nicht, aber ich brauche noch eine Schwarze für meine Quote.“ Überlegen Sie selbst, ob das eine realistische oder auch nur wünschenswerte Welt wäre.

… aber diese Fremden sind nicht von hier! (6), Alle Minderheiten in einen Topf

(In dieser Reihe kommentiere ich einen Fragebogen zum Thema Rassismus, den die Online-Ausgabe von ZEIT Campus vor ein paar Monaten herausgegeben hat.)

Was haben ein Russe, ein Araber, ein Migrant, ein Afghane, ein Nicht-Weißer, ein Türke, ein Asiate, ein Perser, ein Nigerianer, ein Schwarzer und viele andere gemeinsam? Sie werden im ZEIT-Campus-Fragebogen als potentielle Opfer von Rassismus genannt. Nun, Russen, Türken, vielleicht auch Perser, manche Sprecher des Arabischen und vielleicht auch Afghanen sind vom Phänotyp europid, kommen also für Rassismus überhaupt nicht in Frage. Zweitens ist es sehr wohl möglich, daß der Russe gegenüber dem Araber in Frage 10 starke rassistische Vorbehalte hegt (oder umgekehrt). Drittens wird Arabisch an so weit auseinanderligenden Orten wie Timbuktu, Casablanca, Kairo und Damaskus gesprochen, und jeweils ist es eine ganz andere Form des Arabischen. Derartige Feinheiten sind aber nichts für jemanden, der den Lesern die Gewissensfrage vorlegt, ob sie auch türkische Namen korrekt auszusprechen sich Mühe geben. Wäre man boshaft, könnte man zurückfragen, ob die Autoren des Fragebogens den ungerundeten hohen Hinterzungenvokal des Türkischen oder die Pharyngale des Arabischen korrekt zu bilden verstehen. Viertens ist Religion kein Körpermerkmal. Was haben also Muslime in einem Fragebogen zum Rassismus verloren? Ich habe einmal mit einem deutschen Konvertiten unter einem Dach gewohnt. Bin ich jetzt Rassist, wenn ich sage, daß mir dieser Mensch mit seinem impliziten Nörgeln an meiner atheistischen Lebensweise einerseits und am Christentum andererseits fürchterlich auf die Nerven ging? Und was haben Muslime aus Java mit Muslimen aus Istanbul ethnisch gemeinsam? Was verbindet einen dunkelhäutigen Oromo aus Äthiopien mit einem dunkelhäutigen Bantu oder einem dunkelhäutigen Angehörigen der San? Außer in der Eigenschaft, daß sie nicht weiß ist, nicht einmal die Hautfarbe. – Kurzum, in seiner Ignoranz gegenüber fremden Sprachen, Ethnien und Religionen begeht der Fragebogen exakt die Sünde, die er beim Leser vermutet.

… aber diese Fremden sind nicht von hier! (5), Vorsortierung von Opfern und Tätern

(In dieser Reihe kommentiere ich einen Fragebogen zum Thema Rassismus, den die Online-Ausgabe von ZEIT Campus vor ein paar Monaten herausgegeben hat.)

Der Fragebogen legt weiterhin implizit fest, wer überhaupt dafür qualifiziert ist, Rassist bzw. Opfer von Rassismus zu sein. Das ist erstens eine rhetorische Falle, denn damit ist ein hellhäutiger europäischer Leser des Fragebogens immer schon ein potentieller (und wahrscheinlicher) Rassist, während „Nicht-Weiße“ (Frage 3), „Migranten“ (Frage 6), „Muslime“ (7), „Asiaten“, „Perser“, „Nigerianer“ (8), „Araber“, „Russen“ (10), „Schwarze“ (12), „Türken und viele andere“ (25), „Afghanen“ (26) potentielle (und wahrscheinliche) Opfer von Rassismus (bzw. Fremdenfeindlichkeit, siehe oben) sind; zweitens legt der Fragebogen implizit die Rollen diskriminatorisch fest und ist selbst rassistisch, indem er aus dem irrelevanten Merkmal der Herkunft oder der Hautfarbe das relevante Merkmal der Opferrolle deduziert; und drittens wird ein großer Teil der Realität ausgeblendet, indem die Autoren unterstellen, daß die Opfer von Rassismus nicht selbst auch Rassisten sein können. An dieser Stelle finde ich den Hinweis einer mit Sinti befreundeten Leserin höchst aufschlußreich (wenn auch wahrscheinlich hier kein Rassismus vorliegt), die berichtet, ehemals ebenfalls befreundete Roma sprächen nicht mehr mit ihr, seit sie mit Sinti Umgang pflege. Hinter solchen Vorsortierungen (wie sie auch im Geschlechterdiskurs vorgenommen werden, indem Frauen immer die Opferrolle zugewiesen wird, während sexuelle Gewalt ausschließlich von Männern behauptet wird – eine Auffassung, die selbst sexistisch ist) scheint eine bestimmte Voraussetzung für den naiv verstandenen Rassismus auf, derzufolge Rassismus immer gegen Minderheiten gerichtet ist und niemals gegen Mehrheiten gerichtet sein kann. So sei etwa der mitunter pejorativ gebrauchte Ausdruck Alman aus dem Mund türkischstämmiger Ausländer gegen Deutsche eben kein Schimpfwort, sondern, wie jetzt.de, das Jugendmagazin der SZ, schreibt, ein „Ausdruck zur Selbstermächtigung“. Man fragt sich, was denn dann ein Schimpfwort wäre. Die Antwort lautet, daß es keines gibt und auch gar nicht geben kann. Ein Vertreter der (ethnischen, religiösen oder sonst einer) Mehrheit ist nicht beleidigbar, bzw. ein Angehöriger der Minorität nicht satisfaktionsfähig. Einem Türken, der einen Alman-Witz macht, den performativen Akt der Beleidigung abzusprechen, heißt jedoch, ihn als (ebenbürtigen) Beleidiger nicht ernst zu nehmen. Ihn für seine Selbstermächtigung zu loben aber ist gönnerhaft. Der Migrant ermächtigt sich selbst, wie putzig. So kann nur jemand sprechen, der sich außer Reichweite wähnt, derart überlegen, daß ihn eine Beleidung nicht treffen, ja, gar nicht erreichen kann.

… aber diese Fremden sind nicht von hier! (4), Sünde

(In dieser Reihe kommentiere ich einen Fragebogen zum Thema Rassismus, den die Online-Ausgabe von ZEIT Campus vor ein paar Monaten herausgegeben hat.)

An mehreren Stellen prüft der Fragebogen die Gefühle des Lesers: In 10 und 11 nach dem Sich-Fremd-Fühlen; 23 nach der Reaktion auf fremdenfeindliches Verhalten anderer; 26, 27 nach den Gefühlen gegenüber neuen Nachbarn; 29, 30 nach Assoziationen; 33 nach dem Sich-Fremd-Fühlen in anderer Perspektive. In diesen Fragen gleicht der Bogen durchaus einem Beichtspiegel der katholischen Kirche, und Rassismus erhält hier den Stellenwert einer veritablen Sünde. Man ziehe nur einmal zum Vergleich den hier veröffentlichten Beichtspiegel heran: Hatte ich [den Eltern] gegenüber ein aufrichtiges Wohlwollen? … Habe ich mich meiner Eltern geschämt? … War ich unschamhaft im Denken … Habe ich die eheliche Treue verletzt in Gedanken und Begierden? … War ich hochmütig, hoffärtig. ehrsüchtig, gefallsüchtig, putzsüchtig, unbescheiden, herrschsüchtig? … War ich missgünstig, neidisch, eifersüchtig, schadenfroh?
Unschwer zu erkennen ist: Schon Gefühle wie Neid oder spontane Gefühlsreaktionen wie Zorn sind sündig und beichtpflichtig! Was der Fragebogen in 26 vom Leser wissen will, ist ja nicht, ob der die Afghanische Familie zum Kennenlernen einlädt, sondern wie er sich fühlt. Daß es den Leser vielleicht gruselt, er aber sein Fremdeln durch offensive Herzlichkeit zu überwinden sucht, eine solche Reaktion zieht der Fragebogen nicht einmal in Betracht. Wenn es dich vor Afghanen gruselt, bist du ein Rassist, egal, ob du sie im Hausflur grüßt, ihr Kind zum Arzt fährst, ihnen die idiotische Müllordnung erklärst – oder ihnen vor die Wohnung scheißt. Sich vor Fremden gruseln ist Sünde, basta.

Die Gedanken, so ein altes Volkslied, sind frei. Deshalb sind die Gedanken einer jeden Tyrannis ein Dorn im Auge, haben sich alle Diktaturen bemüht, dieses letzte Freiheitsrefugium auch noch unter Kontrolle zu bringen, handeln dystopische Erzählungen davon, in welchem Maße diese Kontrolle erfolgreich ist oder es Individuen gelingt, die Kontrolle über ihre Gedanken zu behalten. Der Versuch, unsere Gedanken, wenn nicht zu lesen, so doch zu kontrollieren, manipulieren, vorherzubestimmen, ist hingegen selbst in Demokratien allgegenwärtig. Meinungsmache, Propaganda, Werbung heißen die Werkzeuge dazu, und in neuerer Zeit ist noch die Internetspionage und -datensammlung unter dem Stichwort „Big Data“ dazugekommen. Eine der größten Erfolgsgeschichten der Gedankenmanipulation ist die katholische Kirche. Keine andere Institution hat es so gut und so lange vermocht, die Leute bei Stange zu halten. Die Gewissensprüfung anhand eines Beichtspiegels ist eines der perfideren Werkzeuge (ein anderes ist die eingeimpfte Furcht vor der ewigen Verdammnis).
Nun mögen in meinem Verhältnis zu Gott bereits Gedanken und Gefühle als Sünde gelten (mithin beziehungsrechtlich relevant sein); der Rassismus in Gedanken alleine spielt für unser Zusammenleben keine Rolle, ebensowenig wie ein Diebstahl in Gedanken strafrechtliche Relevanz hat. Wir kämen in Teufels Küche, wenn es anders wäre. Ich kann mich ja auch homoerotischen Phantasien hingeben, ohne deswegen schon homosexuell zu sein; ich kann davon träumen, meine fünfzehnjährige Nachhilfeschülerin zu vögeln, ohne ihr jemals auch nur Komplimente gemacht zu haben; und ich kann mir vorstellen, meinen verhaßten Nachbarn in der Kloschüssel zu ersäufen, ohne daß ich deswegen ein Mörder bin: Phantasien stellen (wie übrigens auch das Erzählen, widrigenfalls alle Krimiautoren Verbrecher wären) einen gefahrlosen Versuchsraum bereit, in dem sämtliche Grenzen des rechtlich Erlaubten, des moralisch Gebotenen und gesellschaftlich Geduldeten überschritten werden können. Und sie gehen niemanden etwas an. Zwischen Denken und Handeln ist daher strikt zu trennen. Der Fragebogen indes verlangt vom Leser, auch noch die verborgenen Regionen unserer Gefühle und Gedanken auf den Prüfstand zu stellen, als wäre an diesen Gedanken und Gefühlen schon irgend etwas Falsches und der Korrektur Bedürftiges. Ich kann ja tatsächlich gegen Migration sein, die Globalisierung für das größte Menschheitsübel erachten und die Ansicht vertreten, daß Kontakt und Vermischung von Kulturen schlecht sind, daß jeder Weltwinkel besser nur sein eigenes Süpplein kochen und möglichst gar nichts über die anderen Weltwinkel wissen sollte – und trotzdem die Migration als Tatsache zur Kenntnis nehmen und einem Menschen, der meinen Vorstellungen einer idealen Welt zum Trotz nunmal hier gestrandet und in echter Not ist, beherzt und mit vollen Händen helfen. Ich kann genervt sein über das arabische Gequatsche meiner Sitznachbarn im Bus, ich kann auch der Ansicht sein, daß meine Heimat nicht mehr meine Heimat ist, seit jener Raum jetzt auch von Menschen als Heimat beansprucht wird, die nicht meinem Kultur- und Sprachraum entstammen und anders aussehen und sprechen, andere Götter haben und sich anders kleiden als meinesgleichen – ich kann so empfinden, und dann aber trotzdem der Flüchtlingshilfe erkleckliche Summen Geld spenden. Und ich kann auch beim IAT in puncto Hautfarbe schlecht abschneiden und dennoch meinem nigerianischen Nachbarn bei der Deutschprüfung helfen. Mit anderen Worten: Was ich fühle (mein Ressentiment) oder sogar wie ich unbewußt reagiere (IAT), kann in starkem Widerspruch zu meinen Überzeugungen („diese Menschen leiden manifeste Not, weswegen man ihnen helfen muß“) stehen. Den Autoren des Fragebogens aber, so muß man wohl denken, reicht nicht, daß ich den afghanischen Nachbarn beim Ausfüllen von Formularen helfe und den Seenotrettern Geld spende, nein, darüber hinaus muß ich auch noch reinen Herzens sein.

Entscheidend für ein gepflegtes Miteinander ist meines Erachtens nicht, was wir denken, nicht einmal, was wir fühlen; sondern allein, wie wir handeln. Weswegen es beim Umgang mit Rassismus und Fremdenfeindlichkeit kaum darauf ankommt, wie es in der Mördergrube unseres Herzens aussieht. Beurteilbar im Sinne einer Ethik oder eines Rechtssystems sind nur die tatsächlich ausgeführten Handlungen, nicht aber die ihnen zugrunde liegenden realweltlichen, kausalen Motivations- und Entscheidungsprozesse. „Wahrscheinlich bist auch du ein bißchen homophob, sexistisch, rassistisch etc!“ Das ist existentialistisch gedacht: Nicht was ich sage und wie ich handele, wäre dann Grundlage der Beurteilung meiner Person hinsichtlich von Fremdenfeindlichkeit oder Rassismus, sondern was ich bin. Was ich aber bin, ist keine Frage mehr meiner Entscheidungen, sondern ein biographischer und biologischer Zufall, für den ich nichts kann, einerseits, den ich aber, andererseits, als potentielle Schuld auch niemals loswerde: Damit wird Rassismus zur Erbsünde, zu einem Fehler, an dem unermüdlich gearbeitet werden muß, ohne daß man freilich jemals darauf hoffen dürfte, ihn dereinst einmal zu überwinden. Mea culpa, mea maxima culpa. Wir sind alle sündig bis ins Mark. Nur daß bei diesem Vergleich eines fehlt: Die Gnade einer Beichte, die uns immer wieder erlöst. Die nimmt uns keiner ab. Weder Migranten noch Autoren der ZEIT Campus. (Obwohl die sich vielleicht berufen fühlen, weil sie womöglich, wie es damals Martin Walser zu seinem eigenen Unglück zu formulieren gewagt hat: „eine Sekunde lang der Illusion verfallen, sie hätten sich, weil sie wieder im grausamen Erinnerungsdienst gearbeitet haben, ein wenig entschuldigt, seien für einen Augenblick sogar näher bei den Opfern als bei den Tätern“) So kommt es, daß der Fragebogen einem Beichtspiegel ähnelt, nur eben ohne Aussicht auf Absolution. Und wer sich selbst freispricht („Wie ehrlich warst du bei Frage 13?“), fällt erst recht der Verdammnis anheim.

… aber diese Fremden sind nicht von hier! (3), Diskriminierung und Fremdeln

(In dieser Reihe kommentiere ich einen Fragebogen zum Thema Rassismus, den die Online-Ausgabe von ZEIT Campus vor ein paar Monaten herausgegeben hat.)

Der nächste in diesem Themenfeld ständig begegnende Begriff ist derjenige der Diskriminierung, und ebenso wie Rassismus ist es ein Wort, das allzu leicht über die Lippen schlüpft. „Ausgrenzung“, „Benachteiligung“, „Diffamierung“, „Unterdrückung“ fallen vielleicht als Synonyme ein; aber etwas anderes liegt diesen Situationen im Begriff der Diskriminierung voraus. Es ist schon in der Wortherkunft angelegt: Diskriminieren bedeutet zunächst nichts weiter als „einen Unterschied feststellen oder behaupten“. Und zweitens, so wie dieses Wort normalerweise verwendet wird: diesen Unterschied zu einem (expliziten oder impliziten) Werturteil machen. Das Gegenteil von Diskriminierung ist die Gleichbehandlung. Wenn man aber mal anfängt, über Gleichbehandlung nachzudenken, stellt man schnell fest, daß das ein schwieriges Konzept ist, man könnte sogar sagen, eine Illusion. Wir machen ständig Unterschiede, und meistens ist damit eine Wertung verbunden. So unterschieden wir recht scharf zwischen Angehörigen unserer Familie und Menschen, die nicht dazu gehören; wir unterscheiden zwischen unseren Freunden, Menschen, die wir nur locker kennen und ganz Fremden; wir unterscheiden zwischen unserem Partner und allen anderen, die es im Moment nicht, noch nicht oder nicht mehr sind; wir unterscheiden zwischen unserem Ex und Menschen, mit denen wir nie intim waren; wir unterscheiden zwischen Menschen, die dieselbe Sprache sprechen wie wir und denen, deren Sprache wir nicht verstehen. Zum Teil sind solche Unterscheidungen sogar gesetzlich zementiert, etwa im Eherecht, in der Fürsorgepflicht gegen die eigenen Kinder, in der Pflegeverantwortung gegenüber den Eltern oder Großeltern, oder im Erbrecht. Das ist nicht nur Gesetz, wir empfinden es so auch als richtig.
Dennoch wird niemand behaupten, daß wir jemanden außerhalb unserer Familie diskriminieren, weil wir ihn nicht zum Weihnachtsessen laden; oder daß wir einen Unbekannten diskriminieren, weil wir nicht ihm, wohl aber unserem Freund eine Übernachtungsmöglichkeit in unserer Wohnung anbieten. Wir kümmern uns um unsere eigenen Kinder und nicht um die von Fremden, wir pflegen unsere eigenen Angehörigen und nicht die der ersten Person, der wir in der Straßenbahn begegnen. Für deren Bildung und Gesundheit zahlen wir höchstens Steuern und entrichten Versicherungsbeiträge; persönlich involviert fühlen wir uns nicht. Man könnte sagen, unser Verantwortungsgefühl gegenüber anderen Menschen ist gestaffelt, je nachdem, wie nahe uns jemand steht. Die Eigenschaft von Menschen, uns nahezustehen, ein Freund oder Familienangehöriger zu sein, ist ein relevantes Merkmal, das unseren Umgang mit diesem Menschen bestimmt und festlegt, welche Zuwendungen wir ihm zu schenken bereit sind und welche Pflichten wir ihm gegenüber zu haben glauben, wobei beispielsweise egal wäre, welche Hautfarbe der Verwandte oder der Fremde hat. In der vorausgehend eingeführten Terminologie könnte man Diskriminierung nun generell bestimmen als Benachteiligung anhand irrelevanter Merkmale, und Rassismus wäre eine inhaltlich festgelegte Form der Diskriminierung, Sexismus eine andere. Familiarismus oder Amicismus (die Bevorzugung von Familienangehörigen und Freunden) wäre dagegen keine Diskriminierung, wofern das Merkmal „Gehört zur Familie“, „Ist mein Freund“, ein relevantes Merkmal ist. -ismen, könnte man sagen, füllen Diskriminierung mit Inhalt. Aus dem Gesagten geht ferner hervor, daß Sich-fremd-Fühlen keine Diskriminierung darstellt: Erstens ist es ein unabweisbares Gefühl, das unseren besten Absichten zuwiderlaufen kann (siehe dazu weiter unten); und zweitens stellt es für sich allein keine Benachteiligung dar. Drittens besteht in der Fremdheit eine Form der Reziprozität: Fremd ist man einander, nie eine Seite einer Begegnung allein. Warum also sollte mein eigenes Fremdeln gegenüber Menschen, die meine Sprache nicht sprechen, anders zu bewerten sein, als das jeweilige Fremdeln dieser Fremden mir gegenüber? Der Fragebogen legt indes nahe, daß ich mich meines Fremdelns schämen muß, während die andere Seite wegen meines Fremdelns eine Benachteiligung erfährt, für die sie in Schutz genommen werden soll. Zu der Beobachtung, daß hier mit zweierlei Maß gemessen wird, siehe unten.

Wenn nun der Fragebogen uns zur Prüfung vorlegt, ob wir uns in der Umgebung von Menschen, die „Russisch oder Arabisch“ sprechen, fremd fühlen, so ist unschwer zu erkennen, wie die Antwort zu lauten hätte, deren wir uns nicht schämen müßten. Einmal ganz davon abgesehen, daß Sprache kein Rassenmerkmal ist: Sich in unvertrauter Umgebung fremd zu fühlen, ist kein Rassismus, ob es sich bei der fremden Umgebung um fremde Sprachen, Fans des falschen Fußballvereins, eine Gruppe quiekender Ausflüglerinnen oder eine Versammlung Gothic Fans im entsprechenden Outfit handelt. Wer hat sich nicht schon fremd gefühlt auf einer Party, auf der außer dem Gastgeber lauter unbekannte Leute waren? Außerdem ist der Kontext entscheidend: Man kann sich als Mann (oder Frau) unter Frauen (oder Männern) wohl fühlen, aber sehr fremd, sobald man etwa als Mann eine Frauenarztpraxis betritt oder als Frau die Umkleidekabine einer (männlichen) Fußballmannschaft. Man sieht: Die Möglichkeiten, sich in irgendeiner Umgebung fremd zu fühlen, sind nahezu beliebig vielfältig, und es ist sehr wahrscheinlich, daß man sich, wenn man sich in einer zufälligen deutschen Großstadt bewegt, im Laufe eines Tages mehr als nur einmal fremd fühlen wird. Ich persönlich fühle mich im rheinischen Straßenkarneval mehr als nur ein bißchen fremd. Vielleicht bin ich ja tatsächlich ein Rassist, aber nicht, weil ich mich dort und in vielen anderen Situationen fremd fühle. Ist es schlimm, sich fremd zu fühlen? Nein, es ist völlig normal. Sich fremd zu fühlen ist eine Erfahrungstatsache in modernen multikulturellen Gesellschaften und etwas, das Bewohnern moderner Großstädte Tag für Tag zugemutet wird und auch zugemutet werden darf. Die Kunst besteht nicht darin, sich nicht fremd zu fühlen; die Kunst besteht darin, die Fremdheit auszuhalten. Wie überwindet man Fremdheit? Ganz einfach: Indem man sich an sie gewöhnt. Denn das gewöhnliche Fremde ist schon deshalb nur halb so fremd, weil es gewöhnlich ist. (Weswegen Xenophobie hierzulande paradoxerweise in denjenigen Regionen am pointiertesten ist, wo es die wenigsten Einwanderer gibt.) Daß wir diese Übung meistens hinkriegen, ist eine enorme zivilisatorische Errungenschaft. Der Fragebogen jedoch suggeriert dem Leser, er habe rassistische Tendenzen schon allein aufgrund eines bloßen Gefühls. Das ist töricht, weil es beim Befragten bestenfalls Unsicherheit, schlimmstenfalls Renitenz erzeugt (eine Renitenz, übrigens, die die Autoren einkalkulieren, wenn sie vorwegnehmend in Frage 4 auf sie reagieren). Fremdeln ist nicht schlimm. Was wäre schlimm? Der Versuch, das Sich-fremd-Fühlen durch aggressive Ablehnung zu bewältigen. Es ist jedoch ganz im Tenor des Fragebogens, hier nicht tatsächliches Verhalten, sondern Gefühle zu erfragen: Habe ich sündige Gedanken gehabt?

… aber diese Fremden sind nicht von hier! (2), Rassismus

(In dieser Folge kommentiere ich einen Fragebogen zum Thema Rassismus, den die Online-Ausgabe von ZEIT Campus vor ein paar Monaten herausgegeben hat.)

Was ist überhaupt Rassismus? Unter diesem Begriff subsumiert der Fragebogen, wie ich meine, drei verschiedene Erscheinungen, nämlich den Rassismus im eigentlichen Sinn; dann das gute alte Ressentiment; und schließlich die Fremdenfeindlichkeit. Die drei Haltungen oder Verhaltensweisen sind fraglos miteinander verwandt, aber eben nicht identisch, und daher moralisch, psychologisch, politisch und soziologisch unterschiedlich zu bewerten. Ich möchte den Rassismus definieren als: die Folgerung relevanter Merkmale (wie Intelligenz) von irrelevanten Körpermerkmalen (wie etwa Hautfarbe). Man könnte diese Definition noch ausweiten auf alle -ismen (Sexismus, „Speziesismus“, „Ableismus“ und wie sie alle heißen), indem man das ihnen allen Gemeinsame bestimmt als: In einem bestimmten Kontext relevante Merkmale von im selben Kontext irrelevanten Merkmalen ableiten. So ist für die Ausübung des Berufs eines Hochschullehrers das Geschlecht irrelevant, bevorzugte Einstellung von Männern (oder Frauen) erklärt aber das Merkmal „Geschlecht“ (de facto) zum relevanten Merkmal. Das wäre Sexismus. Die Hautfarbe ist kein Kriterium dafür, ob jemand ein guter Student ist; gibt es eine statistische Schieflage in den Immatrikulationen zugunsten einer bestimmten Hautfarbe, könnte das ein Hinweis darauf sein, daß ein irrelevantes Kriterium an irgendeiner Stelle des Auswahlverfahrens Relevanz erlangt, die zur Benachteiligung führt. Oder die traurige Berühmtheit erlangt habende Äußerung der Prinzessin Gloria von Thurn und Taxis, der „Schwarze schnacksel[e] halt gern“, leitet das (potentiell relevante, etwa, wenn es um Bevölkerungswachstum oder die Ausbreitung von AIDS geht) Merkmal der Kopulationsfreudigkeit vom irrelevanten Merkmal der Hautfarbe ab. Das ist Rassismus. Unter radikalen Tierrechtlern gilt die Zugehörigkeit zu einer Spezies als irrelevantes Merkmal für die Frage nach dem Recht auf Leben und Unversehrtheit, wo nur das Merkmal „Leidensfähigkeit“ relevant sein soll. Das Schlachten und Verwerten von Tieren, nicht aber von Menschen setzt einen Unterschied in diesem Recht nach dem irrelevanten Merkmal „Spezieszugehörigkeit“ (Mensch auf der einen, Rind auf der anderen): Das ist Speziesismus.
Umgekehrt wird niemand von Speziesismus sprechen, wenn Gorillas das Führen von Fahrzeugen oder der Zugang zu höheren Bildungseinrichtungen verwehrt wird, denn hier ist das Merkmal der Speziesangehörigkeit eben nicht irrelevant. Ebenso ist es nicht sexistisch, wenn Frauen von der Samenspende ausgeschlossen sind und Männer vom Beruf der Amme. Ob ein Merkmal in einem gegebenen Kontext (Zugang zu Bildung und Beruf, Bürgerrechte, Anspruch auf Sozialleistungen und so weiter) relevant oder irrelevant ist, kann durchaus eine umstrittene Frage sein. So war es noch vor etwa 100 Jahren ausgemacht, daß es Menschenrassen gibt, die sich hinsichtlich Intelligenz und anderer wünschenswerter Eigenschaften unterscheiden, und nur wenige (weiße) Wissenschaftler hätten damals ernsthaft bestritten, daß „dunkelhäutigen Rassen“ Intelligenz, Organisationstalent, Arbeitsmotivation und anderes fehle, während die „weiße Rasse“ sich eben durch ein hohes Maß der vorerwähnten Eigenschaften auszeichne. Ebenso ist es noch nicht so lange her, daß Frauen als ungeeignet zur Absolvierung eines Hochschulstudiums galten, was mit biologischen Merkmalen (etwa vermeintliche Blutarmut im Hirn aufgrund der Menstruation) begründet wurde. So hanebüchen uns das heute vorkommt: Um die Beseitigung solcher Irrtümer und die Feststellung, daß das Menstruieren kein relevantes Merkmal hinsichtlich der Studierfähigkeit ist, mußte jahrzehntelang, wenn nicht jahrhundertelang, gekämpft werden. Und noch 1929 wurde der Psychiater Ernst Kretschmer für seine behauptete Korrelation zwischen Körpergestalt und der Neigung zu psychischen Erkrankungen für den Nobelpreis nominiert. Heute würde man die Hände überm Kopf zusammenschlagen. Aber man darf nicht zu streng sein: Das ist der Gang der Wissenschaft, und es war eben nicht unbesehen auszuschließen, daß ein solcher Zusammenhang existiert – man mußte erst herausfinden, daß das nicht der Fall ist. (Heute dagegen wehren wir uns so sehr gegen diese und ähnliche Möglichkeiten, daß für entsprechende Forschungsvorhaben niemals Gelder bewilligt würden; bestimmte Fragen, etwa die nach der Vererbbarkeit von Intelligenz, dürfen mitunter nicht einmal in der Mensa gestellt werden.) In anderen, weniger brisanten Zusammenhängen fällt es uns ja auch beispielsweise leicht, über geschlechtskorrelierte Fähigkeiten und Charaktermerkmale zu spekulieren, wie es etwa viel gelesene Bücher über die vermeintlichen Einparkschwierigkeiten von Frauen oder das Unvermögen von Männern, zuzuhören, mit Genuß tun. (Verpönt wären allerdings selbst in der Unterhaltungsliteratur Schriften, die, wenn auch nur spielerisch, beispielsweise die Frage zu beantworten suchten, warum Afrikaner besser im Speerwurf seien, im Schach jedoch regelmäßig versagten – so trennt der Zeitgeist das Erlaubte vom Unerlaubten, auch wenn beides eigentlich dasselbe ist) Und auch heute noch lassen sich in ernsthaften Absichten offene Fragen finden, in denen der Streit um die Relevanz von Merkmalen zum Ausdruck kommt: Sollten beispielsweise Männer als Hebammen arbeiten dürfen? Ist der Ausschluß von Männern aus diesem Beruf sexistisch? Sollten Frauen Soldatinnen werden dürfen? Ist das Merkmal „Geschlecht“ relevant für die Zulassung zur Hebamme oder zur Soldatin? Oder ein anderer Fall: Viele Fluggesellschaften stellen nur Flugbegleitpersonal mit einer Mindestkörpergröße ein. Ist das rassistisch? Biologistisch? Ist die Körpergröße relevant für die ausgeübte Tätigkeit? Im Sinne meiner Definition von diskriminatorischen -ismen hätte übrigens auch die Forderung, den Othello nur mit einem dunkelhäutigen Menschen zu besetzen, ihre Berechtigung, wenn es in diesem Streit nicht um etwas anderes ginge.
Es liegt nun auf der Hand, daß es Fremdenfeindlichkeit ohne Rassismus geben kann (Zur Frage, ob es auch Rassismus ohne Fremdenfendlichkeit gibt, komme ich weiter unten): Denn man kann gegen die Leute aus dem Nachbardorf, der nächsten Stadt, der Region jenseits des Heimatflusses etc. feindlich gesinnt sein, ohne daß diese Menschen sich in irgendeinem Körpermerkmal von den Menschen diesseits des Flusses, in der eigenen Stadt, im eigenen Dorf, unterschieden. In meiner Heimat gibt es sogar Vorbehalte zwischen Bewohnern einzelner Stadtviertel. Oder man denke an die Ablehnung vieler alteingesessener Berliner gegen die vielen Touristen aus Baden-Württemberg und an die Zurückhaltung, mit der manche Bayern (wie es heißt) Menschen jenseits der Alpenregionen begegnen – das ist Fremdenfeindlichkeit oder Xenophobie, nicht jedoch Rassismus.
Was sämtliche diskriminatorischen -ismen eint, ist, denke ich, das gute alte Ressentiment, der Vorbehalt. Jedem -ismus liegt ein Ressentiment zugrunde, aber nicht jedes Ressentiment ist ein -ismus. Ich kann Ressentiments gegen die Anhänger einer bestimmten Ideologie haben oder Ressentiments gegen Kunstwerke einer bestimmten Stilrichtung. Ich kann auch den Umgang mit Frauen (oder Männern) meiden, ohne Frauen (oder Männer) jemals verhöhnt, zurückgesetzt, begrapscht, benachteiligt, diffamiert zu haben – ich mag einfach nur den Umgang mit ihnen nicht. Dann habe ich ein Ressentiment, ein Sexist bin ich aber nicht. Ein Sexist ist auch nicht, wer lieber zu Ärzten (oder Ärztinnen) geht, sich eine Nachhilfelehrerin (oder Lehrer) wünscht und als Mitbewohner in der WG nur Frauen (oder nur Männer). Dasselbe gilt für den Rassismus. Ich kann mich einigeln und nur mit meinesgleichen umgeben; solange ich niemandem damit ideell oder konkret schade, ist das zwar bescheuert, aber nicht rassistisch. Mit anderen Worten, mit dem Ressentiment bin ich bei mir, mit dem -ismus gehe ich nach außen.
Aus meiner versuchsweisen Definition folgt auch, daß es Rassismus ohne Fremdenfeindlichkeit geben kann. Beispielsweise könnte jemand die Ansicht vertreten, rothaarige Menschen seien faul oder dumm; oder die Träger von Segelohren neigten zur Indiskretion; oder Menschen mit Plattfüßen taugten nicht als Talkmaster: Solche Urteile sprechen irrelevanten Körpermerkmalen Relevanz zu – sie sind rassistisch. Insofern die Rothaarigen, Segelöhrler und Plattfüßler nicht als Fremde wahrgenommen werden, ist das aber ein Rassismus, bei dem keine Fremdenfeindlichkeit involviert ist. Wer das nun abwegig findet, denke nur einen Moment daran, daß Linkshänder jahrhundertelang drangsaliert, „umerzogen“ und mit Argwohn betrachtet wurden (lat. sinister „link(s), das gleichbedeutende laevus hat auch keine freundlicheren Assoziationen); auch heute noch findet tagtäglich Diskriminierung gegen Linkshänder statt, die in äußerster Konsequenz zur Folge hat, daß Linkshänder eine geringere durchschnittliche Lebenserwartung haben als Rechtshänder. Auch die gesellschaftliche Benachteiligung von Menschen afrikanischer Herkunft in den USA wäre in diesem Sinne als Rassismus ohne Fremdenfeindlichkeit zu deuten.
Fremdenfeindlichkeit und Rassismus sind also voneinander getrennt zu denken.

… aber diese Fremden sind nicht von hier! (1): Einleitung

Und nun die ernsthafte Auseinandersetzung.

Im Mai dieses Jahres veröffentlichte die Zeitschrift ZEIT Campus einen Fragebogen zum Thema Rassismus. In der kurzen Einleitung heißt es:

„Rassismus ordnet unser Denken und Zusammenleben.“

In einem Klassiker von Loriot wird Frau Hoppenstedt (gespielt von Evelyn Hamann) von einem Reporter gefragt, was „sie als Frau dazu gebracht habe, ihr Jodeldiplom zu machen“. Darauf antwortet Hoppenstedt/Hamann: „Da regt mich ja schon die Frage auf!“
Genauso fühle ich mich, wenn ich Behauptungen wie die oben zitierte lese. Was meinen die Autoren mit ordnen? Wo ordnet der Rassismus unser Zusammenleben? Wie tut er das? Wann tut er das? Wer wird hier mit unser angesprochen? Und was verstehen die Autoren unter „Rassismus“? Schon an diesem einen Satz ließen sich ganze Abhandlungen knüpfen. Der apodiktische Tonfall regt umso mehr auf, als so gut wie alles an dem nun folgenden, dem Publikum zur Selbstprüfung („Sind Sie Rassist? Wahrscheinlich!“) vorgelegten Fragebogen auf falschen Voraussetzungen, unscharfen Begriffen und irrtümlichen Annahmen beruht. In einer Gesellschaft, die sich den Negerkuß ebenso wie den Mohrenkopf versagt, vermeintlich abwertende Bezeichnungen aus Kinderbüchern herausstreicht, sich das Zigeunerschnitzel verbietet oder wochenlange Debatten um den Sarotti-Mohr führt, ordnet in der Tat Rassismus unser Denken, freilich nicht in der Weise, wie es die Autoren gemeint haben. Wer indes eine so steile These wie die zitierte aufstellt, sollte zumindest einmal den IAT erwähnen. Das gäbe in der Tat reichlich Stoff zum Nachdenken. (Sie wissen nicht, was das ist? Dann lesen Sie weiter.) Gedacht aber hat hier jemand nur oberflächlich, dafür um so tiefer moralisch empfunden. Wir sind alle Rassisten, ist ja eh klar. Das ist, zumal für ein Produkt des ZEIT-Verlags, recht ärgerlich. Der Fragebogen soll zweifellos Zahnschmerzen verursachen und tut es auch. Indessen gelingt ihm das dadurch, daß er in dieselbe Kerbe schlägt, in die sowieso schon alle hauen. Und wo er dabei nicht ungerecht ist (warum sollte ich wissen, wie man die Namen persischer Fußballer ausspricht, und was hat das mit Rassismus zu tun?), da geht er dadurch auf die Nerven, daß er die Klaviatur eines ohnehin schon vorausgesetzten schlechten Gewissens bespielt: das ist das, was man wohlfeil nennt – eine Kritik, die nichts kostet, weil sie von allen Seiten Zustimmung erwarten darf, bzw. so formuliert ist, daß Widerspruch den Widersprechenden sofort in Verruf brächte. Wie Ijoma Mangold vergangenen August in der ZEIT schrieb, als er die Beteiligten am #metwo-Diskurs in drei Gruppen teilte: Die ersten berichteten von rassistischen Übergriffen, die zweiten seien als „Biodeutsche mit Echtheitszertifikat“ zum Schweigen verdammt, während die dritten, obzwar biographisch zu Gruppe zwei gehörend, keine Gelegenheit ausließen, der zweiten unter die Nase zu reiben, wie gut sie es habe. Sich solidarisch mit den ersten erklärend, ziehen letztere die zweiten des Rassismus und wähnten sich dadurch selbst als den Opfern näherstehend als den Tätern. Wie Mangold süffisant bemerkt: „Andere des Rassismus zu zeihen, scheint mindestens ebenso erfrischend, wie andere rassistisch zu beleidigen.“ Es besteht wenig Zweifel, in welche Gruppe Ijoma Mangold die Autoren des Fragebogens einsortieren würde. Ironischerweise bauen die rhetorischen Kniffe des Fragebogens teilweise auf Präsuppositionen auf, die ihrerseits diskriminierend sind. Mehr zur Provokation geeignet denn als Anregung zum Nachdenken dienlich, bedarf dieses Elaborat eines detaillierten Kommentars, den ich hier, dem Risiko, in Verruf zu kommen, mich bewußt aussetzend, in den nächsten Einträgen wagen will.

Die unerträgliche Leichtigkeit des Schauens

Einmal stand ich in der Eifel auf dem Sattel eines Bergsporns und sah nach Westen zu in ein weites, flaches Tal hinunter. Von Osten, aus einem Engpaß kommend, teilt sich die Straße in einen nach Westen fortführenden und einen nach Norden auf einen Paß steigenden Schenkel, und in der Öffnung der beiden auseinanderstrebenden Zweige gibt es einen kleinen Parkplatz. Es ist nicht klar, zu welchem Zweck man an dieser Abzweigung parken sollte, aber es ist mehr als nur eine Haltebucht, das blaue Zeichen war an diesem Morgen, gleichwohl bei diesigem Wetter und schwachem Licht, von meinem Standplatz auf dem Bergsattel gut zu erkennen. Ich war stehengeblieben, um von dem steilen Aufstieg kurz Atem zu schöpfen und die Aussicht zu genießen. In südöstlicher Richtung hing der Steinerberg in Wolken, die Aussicht auf die Ortschaft Lind im Süden verbarg noch der Talhang, überm Ahrtal schien die Wolkendecke dünn genug zu werden, daß die Sonne vielleicht hervorkommen könnte. Der Herbstmorgen war kühl und, wenn es trocken bliebe, zum Wandern wie geschaffen.
Ich stand also und atmete und schaute, und währenddessen erschien von Kreuzberg kommend ein Auto, rollte auf die Abzweigung zu und bog auf den Parkplatz ein. Aha, dachte ich, nun will ich doch mal sehen, was Leute so treiben, die da anhalten. Zwei stiegen aus, ich sah, wie die Fahrertür zugeschlagen wurde, und eine Sekunde später hallte der Knall durchs Tal. Und dann verging Zeit, und die Zeit füllten die beiden – nicht erkennbar auf die Entfernung, ob Mann oder Frau oder Paar, allenfalls, daß es sich um weder besonders junge noch besonders alte Menschen handelte, war den Bewegungen abzulesen – indem sie Undeutbares verrichteten: Ums Auto herumgehen, Türen öffnen und wieder zuwerfen, den Kofferraum öffnen, etwas herausholen, wieder schließen, abermals eine Tür öffnen, sich ins Fahrzeug setzen, wieder aussteigen, etwas aufs Dach legen und mehr solcherart. Es ist verblüffend, wie wenig man von Menschen versteht, wenn man sie nicht sprechen hört.

Nach einer Weile war klar, daß nun keine in einen Müllsack eingeschlagene Leiche auftauchen würde; auch sah es nicht nach einem widerrechtlichen Abladen von Müll oder Bauschutt aus. Einen Moment überlegte ich, was ich tun könnte, wenn ich von da oben Zeuge eines Verbrechens würde, und kam zum Schluß: nichts. Luftlinie keine vierhundert Meter trennten mich von dem eingebildeten Geschehen, aber zu Fuß dort hinunter und hinaus ins Tal wären es bestimmt zwanzig Minuten. Nicht einmal bei der Aufklärung behilflich sein könnte ich, denn das Nummernschild war auf die Entfernung nicht zu erkennen, die Automarke auch nicht, ob der Lack nun eher nachtblau oder dämmerungsschwarz war, entzog sich aufgrund der diesigen Luft einer genauen Bestimmung.
Plötzlich kam mir zu Bewußtsein, daß aufgrund meiner exponierten Lage nicht nur ich die beiden, sondern die beiden auch mich da oben auf dem Kamm müßten gut erkennen können, wenn sie nur den Blick dort hinauf höben. Ob man es auch würde erkennen können, wenn ich die Hand hob, winkte? Wer sieht, kann auch gesehen werden, prinzipiell jedenfalls. Sehen können ohne gesehen zu werden ist nicht einfach, verleiht dem Schauenden aber eine stille Macht übers Geschaute. Die beiden da unten wußten weder, daß sie beobachtet wurden, noch wäre es ihnen in den Sinn gekommen, sich diese Frage auch nur zu stellen. Ich selbst stellte sie mir ja nicht, auf meiner Anhöhe, die ich mir nur einsam dachte, oder die ich noch weniger als unbelebt mir dachte, nämlich gar nicht dachte, und als Hintergrund meiner Wahrnehmungen erst dann zur Kenntnis nehmen würde, wenn sie eine Erwartung durchbräche – eine Erwartung, die mir noch dazu völlig unbewußt geblieben wäre, bis zu dem Moment, da eine Ent-täuschung auf sie verweisen würde. Mit einem Freund saß ich einmal in einer stockfinsteren Dezembernacht weitab von jeder Siedlung an einer Schutzhütte im Wald der Pfälzer Berge. Wir steckten schon in den Schlafsäcken und tranken noch einen Glühwein, als auf dem Waldweg plötzlich ein Licht aufflammte. Ein Auto näherte sich, der Scheinwerfer streifte Böschungen, Stämme, riß erstorbene Farnbüschel aus der Dunkelheit und stopfte sie wieder zurück, ließ Kiesbrocken aufblitzen, tastete nach dem Vorplatz der Hütte, streifte fast unsere Füße – und fand uns nicht. Das Licht schwenkte ab, wir blieben für den Fahrer unsichtbar. Wir aber hatten ihn gesehen, wie er in seiner Kabine saß, ein Schemen am Steuer, konzentriert auf den schmalen Weg achtend. Und mich gruselte es bei der Vorstellung, daß dieser Mensch keine Ahnung davon hatte, daß in dem Dunkel jenseits der Scheinwerfer seines Wagens, in der undurchdringlichen Schwärze oberhalb der Wegböschung zwei junge Männer gehockt und ihn beobachtet hatten. Es war ein Vorsprung, den wir vor dem auch nur möglichen Erkenntnishorizont dieses Waldarbeiters, Jägers oder Försters hatten, ein Vorsprung wahrscheinlich sogar vor den diesen Augenblick betreffenden Imaginationen dieses Mannes, der ebenso wenig wie die beiden Wanderer in Kreuzberg auch nur ahnte, daß er beobachtet wurde. Dieser Vorsprung fühlte sich an, als stünde ich am Rand einer Klippe, eine Art von Schwindel, nicht von Gefahr, nicht einmal von Macht, eher ein dem Mitleid verwandtes Gefühl. Das Gefühl eines Schadens, der bereits angerichtet war. Es war mir unangenehm, diesen Vorsprung zu besitzen. Ich hätte gerne, wenigstens nachträglich, diesen Menschen über die Situation, in der er sich befunden hatte, aufgeklärt.
Gleichzeitig war ich froh darüber, daß er uns nicht bemerkt hatte.

Sehen, ohne selbst gesehen zu werden, mehr vom Beobachteten wissen, als der Beobachtete glaubt, preisgegeben zu haben, sensible Daten, ein heimliches Tun, ein schambehaftetes Tun, die eigene Nacktheit. Die Urgeschichte des Spannens (und des Auffliegens) ist vielleicht die Geschichte, die Herodot vom Lyderkönig Kandaules und seinem Jugendfreund Gyges erzählt. Der Lyderkönig, wahrscheinlich kein Mann großen Selbstbewußtseins, ist so stolz auf die Schönheit seiner Frau Nyssia, daß er ihren nackten Körper Gyges zeigen will, damit der Kandaules glaube und auch wirklich begreife, wie schön Nyssia sei. Natürlich muß das heimlich geschehen, und natürlich – sonst gäbe es nichts zu erzählen – geht die Sache schief. Nyssia entdeckt den Gyges in einer Nische, als sie sich an dem für die Schau verabredeten Abend vor ihrem Gemahl entkleidet. Kandaules gegenüber ihre Entdeckung verheimlichend, stellt sie anderntags Gyges zur Rede und vor die Wahl, entweder selbst zu sterben oder Kandaules umzubringen und sich an dessen Stelle zu setzen. „Und Gyges“, bemerkt Herodot trocken, „zog es vor, zu überleben.“ Was die Geschichte auch zeigt (neben einer Erklärung für den Dynastiewechsel unter den Lydischen Königen), ist, daß es recht gefährlich sein kann, mehr zu sehen, als erlaubt ist. Was machen eigentlich unsere Wanderer?

Inzwischen hatten die beiden den Wagen zum letzten Mal abgeschlossen und waren aufgebrochen. Da jetzt klar war, daß es sich tatsächlich um Ausflügler oder Wanderer handelte, galt meine Neugier dem Wohin. Von der Parknische gingen keine Wanderwege aus, und auch sonst war an den Hängen des Tals weder, was einem Weg glich, noch ein Wegzeichen zu sehen.

Nur unscharf war er zu sehen, der Körper, die Schultern, der Busen. An den Rändern in Milchglasschlieren zerfließend, diskontinuierlich auseinandertreibend, sich entzückend wieder zusammenfügend zu anmutigen Massen und Linien, war er in seiner Tiefe eigentlich nicht wirklich zu erkennen. Dafür bot das Sichtbare, der Schemen, reichlich Stoff zum Ahnen. Das war mir, der ich im dunklen Zimmer am Fenster stand und auf das erleuchtete Badezimmerfenster gegenüber schaute, genug, und natürlich war es das nicht, sonst hätte ich mich ja wieder abwenden können: Denn erotisch aufgeladene Nacktheit (eine Ladung, die sie nur für den Betrachter zu haben braucht) ist fast immer reizvoller, wenn sie nicht genug zu sehen bietet, nicht alles enthüllt, sondern Spielräume für die Vorstellungskraft läßt und im Verbergen und halb Zeigen, im anhaltenden Versprechen und anhaltenden Entzug seiner Erfüllung das Interesse wachhält. Nichts ist langweiliger als die interretale optische Verfügungsgewalt über Millionen von Brüsten oder Schößen. Aber eine Brust, die die Vorstellungskraft erst aus verschwommenen rosigen Flecken hinter Milchglas rekonstruieren muß, das hat etwas, das zieht an, das bannt und hält den Betrachter in seiner Vorstellungs- und Rekonstruktionswelt gefangen und an seinem heimlichen Standpunkt am Fenster fest. Freilich wäre gar kein Reiz dabei gewesen, wenn nicht wenigstens die groben Umrisse eines Körpers sich abgezeichnet und dieser Körper sich ohne jeden Zweifel als der einer Frau zu erkennen gegeben hätte. Rekonstruierbar aber nicht wirklich sichtbar waren auch die Verrichtungen dieser Frau, eine zweite, weiche Kontur konnte nur ein Handtuch sein, hier mußte sich ein Ellenbogen heben, jetzt sank der Schemen sich beugend zusammen, jetzt hob sich ein Arm gerade in die Höhe, während das Handtuch wie die Blattrosette unter einer erhobenen Staude auseinanderfiel. Ich brauchte die Achsel nicht zu sehen, um mir ihre frischgewaschene Badetuchfeuchtigkeit vorstellen zu können, und diese Vorstellung war eben umso deutlicher und lebendiger, als ich sie mir vorstellen mußte, ich sah sie ja nicht, vom Fühlen zu schweigen. Ich sah nur etwas drumherum, das auf die Achsel verwies, auf sie zeigte und damit nach meiner Phantasie pfiff, um sie dann von der Leine zu lassen. Zu dem Reiz trug auch bei, daß alles an diesem Anblick unverfügbar war, die Zeit, die diese Frau für ihre Morgentoilette gewählt hatte, die Jahreszeit, die dafür sorgte, daß es um diese Zeit noch dunkel für das Schattentheater wäre, mein eigener Tagesrhythmus, der mich schon auf- aber noch nicht außer Hauses sein ließ; ferner, daß sie sich beim Abtrocknen dicht genug ans Fenster stellte, damit Einzelheiten ihres Körpers erahnbar wurden: Zwei Schritte tiefer im Raum, und ich hätte nur mehr wogende Helligkeitsunterschiede ohne Umriß und Form ausmachen können. Zuletzt aber besonders die Entscheidung dieser Frau, an einem bestimmten Morgen, der auch mich am Fenster gegenüber anträfe, überhaupt zu duschen anstatt sich nur die Zähne zu putzen und die Haare hochzustecken, wie sie es vielleicht an einem anderen Morgen getan hätte.
Noch unverfügbarer, noch flüchtiger und unwiederholbarer war ein ganz ähnlicher Blick, auch hier in der dunklen Frühe, auch hier durch eine erleuchtete Milchglasscheibe, auch hier auf den Schemen einer Badenden. Und daß der Pendlerzug gerade in dem Moment keine Einfahrt in den Kölner Hauptbahnhof hatte und an einer Stelle zum Halten gekommen war, welche die Verbindungslinie zwischen meinem Sitz- oder Standplatz und einem der bis ganz ans Gleis gebauten Hinterhöfe mit meiner Blickachse zusammenfallen ließ: und mir für kurze Zeit einen in diesem Moment so unwahrscheinlichen Anblick gewährte wie etwa ein mit bunten Fischen gefülltes Aquarium in der Wüste, oder ein Sonnenschirm auf einem Gletscher in Grönland. Eingerahmt von dumpfem Ziegelstein, welken Graffiti, kariösem Kellergrund und schimmeliger Winterdunkelheit wuchs da eine Palme, schwoll die Knospe einer Amaryllis, leuchteten die Kronblätter eines ausgestorben geglaubten Gewächses, an dem Ort, wo man es am wenigsten vermutet hätte, inmitten von Mief und schlechter Laune, von Alltagstrott und düsteren Aussichten verlachte da ein schöner Leib alles, was diesen Morgen bis in die Gerüche und Geräusche hinein unsäglich widerwärtig machte; und begleitet vom Kreischen der über Weichen rollenden Züge, von blechernen Ansagen, die vom Bahnsteig herüberhallten, vom Dröhnen eines Flugzeugs, das sich anschickte, in Köln zu landen, stellte ich mir vor, daß diese Frau in ihrem Badezimmer leise sang oder summte, während sie sich ihren frischgeduschten Leib frottierte und sich aufs Frühstück freute. In meiner Erinnerung ist das sogar mehrmals passiert, aber mein Gedächtnis täuscht mich hier sicherlich. Solche Dinge passieren einem nur ein einziges Mal, ein kleines, atemberaubend heiles Stück Keramik auf einer Schrotthalde voller Alltag, und in allen anderen Fällen, wo man sich zu erinnern glaubt, hat man nur eine Ziegelsteinmauer gesehen und ein Fenster, so dunkel und opak wie eine Schieferplatte. Ein schlechtes Gewissen oder dieses aus der Überlegenheit springende Mitleidsgefühl, das ich gegenüber der Ahnungslosigkeit des Försters empfunden hatte, fühlte ich diesen Frauen gegenüber niemals, denn hier fühlte ich mich in meinem Beobachten keineswegs überlegen, und anders als gegen jenen war ich diesen ja wohlwollend gesinnt – ein Wohlwollen, das, hätten sie es nur in all seiner Tiefe und Aufrichtigkeit gekannt, diese weniger Beobachteten als Angestaunten, so empfand ich es, unmöglich hätten zurückweisen oder mit Entrüstung beantworten können.

Woran man nicht alles denkt, wenn man aus der Höhe zwei Wanderern mit den Blicken folgt. Was machen die gerade? Sie überqueren die Straße, hüpfen eine Böschung hinab, und dann, he! Wo wollt ihr denn hin? sind sie verschwunden, ein blauer Rucksack leuchtet noch kurz auf, dann verdeckt Vegetation die beiden meinen Blicken, ebenso wie den Weg, den sie genommen haben, und der von meinem Aussichtspunkt aus nicht zu erkennen ist.

Und während ich meinem eigenen Weg weiter folgte, beschloß ich dreierlei: Erstens, ich würde ein andermal diesen Weg unten im Tal auskundschaften; zweitens, ich würde bei diesem Ausflug sehr genau nach dem Höhenkamm mich umsehen, ob dort jemand mich beobachtete; und drittens dachte ich, wäre es keine schlechte Idee, mir ein Fernglas anzuschaffen.