(In dieser Reihe kommentiere ich einen Fragebogen zum Thema Rassismus, den die Online-Ausgabe von ZEIT Campus vor ein paar Monaten herausgegeben hat.)
Was haben ein Russe, ein Araber, ein Migrant, ein Afghane, ein Nicht-Weißer, ein Türke, ein Asiate, ein Perser, ein Nigerianer, ein Schwarzer und viele andere gemeinsam? Sie werden im ZEIT-Campus-Fragebogen als potentielle Opfer von Rassismus genannt. Nun, Russen, Türken, vielleicht auch Perser, manche Sprecher des Arabischen und vielleicht auch Afghanen sind vom Phänotyp europid, kommen also für Rassismus überhaupt nicht in Frage. Zweitens ist es sehr wohl möglich, daß der Russe gegenüber dem Araber in Frage 10 starke rassistische Vorbehalte hegt (oder umgekehrt). Drittens wird Arabisch an so weit auseinanderligenden Orten wie Timbuktu, Casablanca, Kairo und Damaskus gesprochen, und jeweils ist es eine ganz andere Form des Arabischen. Derartige Feinheiten sind aber nichts für jemanden, der den Lesern die Gewissensfrage vorlegt, ob sie auch türkische Namen korrekt auszusprechen sich Mühe geben. Wäre man boshaft, könnte man zurückfragen, ob die Autoren des Fragebogens den ungerundeten hohen Hinterzungenvokal des Türkischen oder die Pharyngale des Arabischen korrekt zu bilden verstehen. Viertens ist Religion kein Körpermerkmal. Was haben also Muslime in einem Fragebogen zum Rassismus verloren? Ich habe einmal mit einem deutschen Konvertiten unter einem Dach gewohnt. Bin ich jetzt Rassist, wenn ich sage, daß mir dieser Mensch mit seinem impliziten Nörgeln an meiner atheistischen Lebensweise einerseits und am Christentum andererseits fürchterlich auf die Nerven ging? Und was haben Muslime aus Java mit Muslimen aus Istanbul ethnisch gemeinsam? Was verbindet einen dunkelhäutigen Oromo aus Äthiopien mit einem dunkelhäutigen Bantu oder einem dunkelhäutigen Angehörigen der San? Außer in der Eigenschaft, daß sie nicht weiß ist, nicht einmal die Hautfarbe. – Kurzum, in seiner Ignoranz gegenüber fremden Sprachen, Ethnien und Religionen begeht der Fragebogen exakt die Sünde, die er beim Leser vermutet.