U.F.O.

Ob es UFOs gibt? Sicher. So wie es ungeklärte Verbrechen, verschwundene Flugzeuge, unklare Todesursachen, grundlose Feuersbrünste, mannschaftslos aufgefundene Schiffe, unklassifizierte Naturkatastrophen, unreplizierbare Experimentdaten, singuläre Tiersichtungen, unerklärbare Heilungen unheilbar Kranker, einzelne intelligente Radiosignale aus den Tiefen des Weltraums gibt. Das Akronym UFO steht für unidentified flying object, bezeichnet also etwas, von dem man gerade nicht weiß, was es ist. Zu sagen, wir wissen nicht, was diese Erscheining am Himmel ist, also muß es sich wohl um Außerirdische handeln, ist ebenso idiotisch wie zu behaupten, wir wissen nicht, wer die Isdalen-Frau ermordet hat, also müssen es wohl Außerirdische gewesen sein. Wenn das Pentagon jetzt also die Existenz von UFOs “bestätigt”, so gibt es lediglich zu, daß es “echte” Filmaufnahmen von Himmelserscheinungen besitzt, deren Natur unbekannt ist. Es gibt nicht zu, daß die Erde von Aliens besucht wird.

Die Logik des Warnens

Die Sache mit dem Verhütungsparadox hat einen Dreh, der nicht genug beachtet wird. Denn in derselben Logik, nach der die Warnung Erfolg hat, wenn das Ereignis, vor dem gewarnt wurde, nicht eintritt, steckt noch ein zweiter Dämon. Wie hießen sie noch alle? H1N1, H5N1, Vogel-, Schweine-, Esels- oder Leguangrippe, Ebola, Marburgvirus, Zikavirus, SARS, MERS, EHEC, MENETEKEL und was der kryptischen Akronyme mehr waren — könnte es sein, daß in der jüngeren Vergangenheit ein paarmal zu oft der Wolf ausgerufen wurde? Es ist eben nicht jede Warnung korrekt und keine Warnung a priori von Panikmache zu unterscheiden. Angesichts dieser langen Reihe von Fehlwarnungen kann es jedenfalls nicht erstaunen, daß CoViD-19 bis in den März 2020 hinein von der breiten Bevölkerung nicht wirklich ernst genommen wurde. Es waren halt wieder mal die, die auch schon die Schweinegrippepandemie heraufziehen sahen, die jetzt wieder hektisch (“Sie. Begreifen. Es. Nicht!”) mit den Armen wedelten — und ausnahmsweise hatten sie halt mal recht. Nur, plausibel war das nicht, und zu begreifen gab es auch nichts, im März 2020 so wenig wie all die Male zuvor. — Das eigentliche Problem liegt aber darin, daß sich die verhinderte Katastrophe im Falle einer Seuche, die nicht ausgebrochen ist, nicht belegen läßt — anders als etwa der Asteroid, den man mittels einer Rakete noch abfängt, bevor er auf die Erde stürzt. “Das Medikament hat rein gar nichts gebracht.” — “Hättest du es nicht genommen, ginge es dir noch schlechter.” Ein Satz, der leider immer wahr ist. Man hört ihn nur nicht gern, besonders dann nicht, wenn das Medikament scheußlich schmeckt.

Von Heiligen und Märtyrern

Über logik habe ich ja schon zweimal geschrieben (über das Hörnerproblem und das Bratwurstparadox); gestern nacht nun traf ich bei Elsa, die sich derzeit in ihrem studium der philosophie mit logik beschäftigt, auf ein problem, das mir keine ruhe ließ.

Das Problem
Wenn die Proposition „Einige Heilige waren Märtyrer“ wahr ist, was läßt sich daraus hinsichtlich der Wahrheit, Falschheit oder Unbestimmtheit der folgenden Propositionen ableiten:
1) Alle Heiligen waren Märtyrer
2) Einige Nicht-Märtyrer waren nicht Nicht-Heilige
3) Kein Nicht-Heiliger war ein Märtyrer
4) Einige Nicht-Märtyrer waren Heilige
5) Einige Märtyrer waren nicht Nicht-Heilige

Die Lösung (Vorschlag)
Zunächst: Was heißt „wahr“, „falsch“ und „unbestimmt“? Man darf hier nicht vom Alltagsgebrauch dieser Begriffe ausgehen, sondern sie sind streng logisch aufzufassen. „Wahr“ hinsichtlich der prämisse („Einige heilige waren märtyrer“) ist einer der Sätze 1–5 gdw er logisch aus der prämisse folgt, oder anders gewendet, wenn seine negation in widerspruch zur prämisse steht. „Wahr“ bedeutet nicht „möglich“ oder „widerspruchsfrei denkbar“. Ist letzteres der fall, aber die folge nicht zwingend, dann ist der satz hinsichtlich der prämisse unbestimmt. „Falsch“ ist einer der sätze 1–5 gdw seine negation aus der prämisse folgt. Und noch eine begriffsbestimmung, die vieles erleichtert: „Einige“ ist im logischen sinn verschärft zu lesen als „mindestens einer“.

Sehen wir uns jetzt die sätze im einzelnen an:
„Alle heiligen waren märtyrer“. Das ist vielleicht der einfachste fall und illustriert einen klassischen fehlschluß (und gleichzeitig das – logisch unzulässige – verfahren empirischer hypothesenbildung, aber das ist ein anderes thema). Aus „einige“ folgt niemals „alle“. Nun besteht die schwierigkeit hier zu trennen zwischen dem befund „folgt nicht“ und der feststellung „ist falsch“. Denn: angenommen 1) ist wahr: entsteht ein widerspruch zur prämisse? Nein. Also folgt 1) weder aus der prämisse, noch widerspricht 1) der prämisse, also ist 1) unbestimmt. Umgekehrt folgt die prämisse zwar aus 1), aber der umkehrschluß gilt eben nicht.

„Einige nicht-märtyrer waren nicht-heilige“. Auch dieser fall läßt sich rasch abhandeln: Da er nur von im sinne der prämisse nicht-relevanten Mengen handelt, ist er für die prämisse belanglos. Es ist schlichtweg egal, was nicht-heilige und nicht-märtyrer waren oder nicht waren. Nehmen wir an, 2) ist wahr: dann gibt es mindestens eine Person, die kein heiliger und kein märtyrer ist. Wir wollen diese person Peter nennen. Widerspricht Peters existenz der prämisse „Einige heilige waren märtyrer“? Nein, denn die aussage ist ja über heilige und märtyrer, und Peter ist weder das eine noch das andere. Folgt Peters existenz aus der prämisse? Auch nicht, denn daß es heilige gab, die märtyrer waren, läßt keinen schluß auf eventuelle nicht-heilige und ihre eigenschaften zu.

„Kein nicht-heiliger war ein märtyrer“. Hier hilft eine kleine umformulierung: 3) ist äquivalent mit dem leichter zu erfassenden „Nur heilige waren märtyrer“. Der satz folgt nicht aus der prämisse, noch steht er in widerspruch zu ihr. Denn in der prämisse wird lediglich behauptet, daß es mindestens einen heiligen gibt, der auch märtyrer war, das heißt, man kann die negation von 3) „Einige nicht-heilige waren märtyrer“ widerspruchsfrei zur prämisse denken, die nur aussagen über heilige macht. Etwas theologischer formuliert: Was einige nicht-heilige waren, ist für die heiligen nicht von belang. Ebensowenig folgt 3) aus der prämisse. Aus „einige“ folgt nicht „einige und nur diese“.
Also ist 3) hinsichtlich der prämisse unbestimmt.

„Einige nicht-märtyrer waren heilige“. Also gibt es mindestens eine person, die kein märtyrer war, aber dennoch ein heiliger. Steht diese aussage mit der beobachtung, daß einige heilige märtyrer waren, in widerspruch? Nein. Steht die negation von 4), also „kein nicht-märtyrer war ein heiliger“ in widerspruch zur prämisse? Umformulieren hilft auch hier: „Nur märtyrer waren heilige“. Das ist mit „Einige heilige waren märtyrer“ voll und ganz vereinbar. Die negation von 4) ist sogar die stärkere behauptung.
Also ist 4) hinsichtlich der prämisse unbestimmt.

„Einige märtyrer waren nicht nicht-heilige“. Dieser satz ist hinsichtlich der prämisse tatsächlich wahr, das heißt, es ist nicht möglich, daß die prämisse wahr, 5) aber falsch ist. Was heißt es nämlich, nicht ein nicht-heiliger zu sein? Es bedeutet, kein nicht-heiliger zu sein, was, zumindest in der theologisch einfacheren welt der logik, wo man immer eindeutig heilig ist oder nicht, darauf hinausläuft, ein heiliger zu sein. Also: „Einige märtyrer waren heilige“. Diese feststellung aber folgt aus „Einige heilige waren märtyrer“, denn ihrzufolge gibt es mindesten eine person, die beides war, heiliger und märtyrer. Nennen wir diese person Cecilia. Aus der existenz Ceciliens folgt nun, daß sowohl gilt, daß mindestens ein heiliger ein märtyrer war (nämlich Cecilia), als auch, daß mindestens ein märtyrer ein heiliger war (nämlich Cecilia). Wir haben also von der prämisse auf einen einzelfall geschlossen (Cecilia), und aus diesem einzelfall auf die proposition von 5). Da man immer aus einem existenzsatz einen einzelfall annehmen kann, folgt also 5) aus der prämisse.
Man kann auch den umgekehrten weg beschreiten und zeigen, daß die negation von 5) einen widerspruch zur prämisse generiert: „Nicht einige märtyrer waren nicht nicht-heilige“, was sich übersetzen läßt als „Alle (nicht einige nicht, also keine nicht, also alle) märtyrer waren nicht-heilige“. Aber es gibt doch Cecilia, heilige und märtyrerin! Also ist die negation von 5) hinsichtlich der prämisse falsch. Also ist 5) hinsichtlich der prämisse wahr.

Bratwurstparadoxie

Nichts ist besser als Bratwurst.
Ein Brötchen ist besser als nichts.

Also ist ein Brötchen besser als Bratwurst.

Der Schluß scheint formal gültig zu sein. Er folgt dem Schema: Wenn A besser ist als B, und B besser ist als C, dann ist A besser als C. A ist besser als B. Also ist A besser als C. Man nennt eine solche Beziehung wie die Besser-als-Beziehung eine transitive Relation. Andere transitive Relationen sind etwa die „unter“-Relation (wenn A unter B ist und B unter C, dann ist A auch unter C), oder die „größer“-Relation in der Mathematik.

Daß hier logisch nicht alles mit rechten Dingen zugeht, liegt auf der Hand. Warum aber? Des Rätsels Lösung liegt in der Verwendung des Ausdrucks „nichts“.

Nichts verhält sich nämlich ganz anders als eine Konstante wie A oder B, und die Verwendung von Ausdrücken wie nichts, niemand, nirgends als Konstanten ist logisch unzulässig. Genau das aber wird im Bratwurstschluß getan und funktioniert folgendermaßen: Der Satz Nichts ist besser als Bratwurst ist syntaktisch dem Satz A ist besser als Bratwurst gleich. Aus A ist besser als Bratwurst und Ein Brötchen ist besser als A kann problemlos Ein Brötchen ist besser als Bratwurst geschlossen werden. Setze ich nun nichts an die Stelle von A, so passiert etwas Merkwürdiges. Zwar bleibt die äußere Struktur, also die Syntax, des Ausdrucks erhalten. Seine Bedeutung ist aber nicht parallel zu dieser identischen Struktur. Warum nicht? Weil nichts eine Negation enthält, die aber syntaktisch sozusagen „versteckt“ ist. Man kann den Satz Nichts ist besser als Bratwurst paraphrasieren als: „Es gibt nichts, das besser als Bratwurst ist“. Setzt man diese Paraphrase in das ursprüngliche Schema ein, so sieht man, daß auch die syntaktische Gültigkeit verschwindet: Also hängt diese einzig und allein von der äußeren Struktur der Sätze ab, nicht von ihrer Bedeutung. Gehen aber Bedeutung und Syntax nicht parallel, weil die natürlich-sprachliche Syntax Dinge gleich erscheinen läßt, die semantisch höchst unterschiedlich sind, so lassen sich sehr merkwürdige Schlüsse konstruieren, die formal gültig zu sein scheinen, es aber semantisch nicht sind. Das wohl berühmteste Beispiel findet sich in Alice in Wonderland und sei hier zitiert. Die unerlaubte Verwendung von nobody als Konstante wird durch Großschreibung angedeutet:

“Who did you pass on the road?” the King went on […].
“Nobody,” said the Messenger.
“Quite right,” said the King: “this young lady saw him too. So of course Nobody walks slower than you.”
“I do my best,” the Messenger said in a sulky tone. “I’m sure nobody walks much faster than I do!”
“He can’t do that,” said the King, “or else he’d have been here first. […]”

Nebenbei bemerkt läßt sich der Schluß doch noch so auffassen, daß er gültig ist. Dazu müssen wir aber den Satz Nichts ist besser als Bratwurst in einer kaum natürlichen Interpretation verstehen, derjenigen nämlich, die paraphrasiert ungefähr lautet: „Nichts zu haben ist besser als eine Bratwurst zu haben“. Wenn wir dann hinzunehmen „ein Brötchen zu haben ist (noch) besser als nichts zu haben“, können wir scharfsinnig folgern, daß ein Brötchen besser ist als eine Bratwurst.

qed

Hörnerparadoxie

Neulich im Lateinseminar. Die Rede kommt auf Chrysippos, einen hellenistischen Philosophen. Der Professor, Herr F., berichtet, von Chrysippos sei folgendes Zitat überliefert. Man hört förmlich die Anführungszeichen. Dann trägt er vor:

„Wenn Du etwas nicht weggeworfen hast, so hast du es noch.“

Brüllendes Gelächter füllt den Raum. So ist das also. Ja ja, die Alten. Wirrköpfe alle miteinander. Aber es geht noch weiter. Herr F. wartet, bis die Heiterkeit abgeklungen ist, dann fährt er fort:

„Hörner hast du nicht weggeworfen. Also hast du Hörner.“

Dann steht er auf, wechselt in gewohnter Manier Lesebrille mit Fernsichtbrille, schaut in die Runde.

„Widerlegen Sie das mal“, sagt er ernst.

Meine Hand will schon hochzucken, da geht Herr F. aber schon zu etwas anderem über. Die Widerlegung sei daher hier nachgeholt.

Es handelt sich hier um ein Beispiel aus einer ganzen Reihe von Paradoxa, die immer demselben Schema folgen: Ein auf den ersten Blick schlüssiges Argument führt in einen unakzeptablen Widerspruch zur Erfahrung. Berühmtestes Beispiel ist wohl das vom griechischen Philosophen Zenon formulierte Schildkröten-Paradox. Der aus akzeptablen Prämissen gezogene Schluß scheint gültig, widerspricht aber der Erfahrung – wir wissen ja, daß der schnellere Achill die langsamere Schildkröte einholen muß.

Es gibt nun prinzipiell zwei Möglichkeiten, eine solche Paradoxie aufzulösen. Entweder ist der Schluß falsch, oder in den Prämissen ist der Wurm drin. Es wäre also entweder zu zeigen, daß wir empirisch unrecht haben, und es sehr wohl gilt, daß der Nicht-Entsorger von Hörnern welche hat; oder aber es müßte gezeigt werden, daß die Voraussetzung falsch ist. Da ich mich aus guten Gründen weigere zu akzeptieren, daß ich Hörner besitze, bleibt also nur die zweite Möglichkeit.

Sehen wir uns das Schlußschema genauer an. Chrysippos arbeitet mit zwei Prämissen. Erstens: Wenn einer etwas nicht wegwirft, dann hat er es noch. Zweitens: Hörner hast Du nicht weggeworfen. Da wir die zweite Prämisse Hörner hast du keine weggeworfen als wahr akzeptieren müssen, bleibt nur die erste Prämisse, Wenn du etwas nicht weggeworfen hast, so hast du es noch. Daß diese Prämisse falsch ist, ist sehr einfach zu zeigen. Wir müssen uns dazu nur fragen, was den Satz Chrysippos hat keine Hörner weggeworfen widerlegt. Offensichtlich doch nicht, daß er noch welche hat: Denn Chrysippos hat durchaus auch dann keine Hörner weggeworfen, wenn er nie welche besessen hat. Mit anderen Worten, der Satz Chrysippos hat keine Hörner weggeworfen ist nur dadurch zu widerlegen, daß man ihn dabei beobachtet, wie er sich der Stierzier gerade entledigt. In allen anderen Fällen, sei es, daß Chrysippos Hörner hat, sei es daß er nie welche besaß, ist der Satz Chrysippos hat keine Hörner weggeworfen wahr. Also folgt aus diesem Satz auch nicht, daß er jemals Hörner hatte. Folglich ist die Prämisse falsch.

Man kann Beliebiges nicht wegwerfen. Tatsächlich kann man unendlich oft unendlich viel nicht wegwerfen. Gerade in diesem Augenblick beispielsweise werfe ich gerade eine Million Euro nicht weg. Dazu muß ich sie nicht gehabt haben. Ich kann alles mögliche nicht wegwerfen. Ich kann auch nicht-nach-Shangri-La-zurückkehren, weil ich nämlich nie da war. Ein weiteres Beispiel besteht darin, über Nichtvorhandenes Aussagen zu treffen, etwa Kein Gürteltiere in der Kathedrale von Chartres spricht fließend Altpersisch. Natürlich ist der Satz wahr. Widerlegen kann man ihn nur, wenn man ein Gürteltier, das fließend Altpersisch spricht, in der Kathedrale von Chartres auffindet. Findet man dort keins, ist der Satz wohl oder übel wahr.

Warum aber lassen wir uns so leicht hinters Licht führen, so daß uns die Hornprämisse zunächst als wahr erscheint? Das hängt damit zusammen, daß wir sprachliche Ausdrücke immer in ihrer plausibelsten und nicht in jeder ihrer logischen Möglichkeiten interpretieren. Umgekehrt wäre es irreführend, etwas zu behaupten, das zwar streng logisch nicht falsch, jedoch hochgradig uneinsichtig bzw. kommunikativ sinnlos ist. Nehmen wir als Beispiel den Ausdruck etwas wegwerfen. Er setzt die Existenz eines Gegenstandes voraus, der weggeworfen wird. Der Ausdruck Chrysippos wirft Hörner weg ist wahr genau dann, wenn Chrysippos Hörner wegwirft. Dazu muß er aber welche haben, sonst kann er sie nicht wegwerfen. Wie sieht es nun mit der Verneinung dieses Satzes aus? Chrysippos hat keine Hörner weggeworfen. Die plausible Interpretation nimmt auch in der Verneinung an, daß Chrysippos Hörner hatte. (Denn warum sollte sonst jemand von Chrysippos’ Hörnern sprechen?) Das heißt, in der plausiblen Interpretation bleibt die Voraussetzung für die Wahrheit des bejahten Satzes (Chrysippos hat Hörner weggeworfen), wenn er verneint wird, erhalten. Der Hörer des Satzes Chrysippos hat keine Hörner weggeworfen nimmt zurecht an, daß Chrysippos welche hatte. Warum? Weil es nicht kooperativ wäre, zu behaupten, Chrysippos habe keine Hörner weggeworfen, wenn er tatsächlich nie welche hatte. Genausogut könnte man von Chrysippos’ Hörnern alles mögliche in Verneinung aussagen, ohne Lügen zu verbreiten, beispielsweise, daß Chrysippos seine Hörner nicht lackiert habe, daß er sich seine Hörner nicht gebrochen habe, daß er sich um seine Hörner kein rosa Schleifchen gebunden habe etc ad nauseam. Alle diese Sätze sind wahr. Nur besagen sie nichts. Sie sind irreführend, da sie beim Hörer die Vorstellung erwecken, Chrysippos besäße Hörner. Diese Erwartung macht sich der Philosoph zunutze, um den Leser in einen Trugschluß zu locken.