Das Opfer (2)

plötzlich ein Schimmern von poliertem stein.

über bemooste felsen war er mühsam gestolpert, weitab vom hauptweg, war geklettert über vermodernde stämme, halbvereisten tümpeln ausgewichen, auf schlüpfrigem grund mehrfach augeglitten, hatte sich das gesicht im unterholz zerkratzt, wollte die abkürzung schon drangeben und umkehren, als plötzlich, emporgewachsen aus fichtenreisig und bräunlich verkrümmtem farn, sich vor seinem blick ein geglätteter stein erhob. es war ein schmuckloser, scharfkantiger quader mit sanft schimmernden flächen, etwa tischhoch und etwas kürzer als ein mensch hochgewachsen ist, oben in einer vorspringenden, glatten platte abschließend. die kanten waren scharf geschnitten und ebenmäßig; die flächen eben; nur der untere rand, wo das moos begann, wölbte sich etwas vor und bildete einen abschließenden reif, der den sockel vollständig einfaßte.
überlaut knackte das reisig unter den stiefeln, als er um das gebilde herumspähte, noch einen schritt, noch einen schritt, und der grund zu kippen schien, sich aufzurichten schien gegen seinen schritt. dann stand er auf der andern seite, und die wipfel der fichten schwangen wild herum in einer plötzlichen bö. die andere seite des steins war ebenso glatt und schimmernd poliert. sonnenlicht stürzte hinter den wolken heraus, über ihn hinweg, zwischen die stämme und auf dem altar vor ihm lag sein schatten. auf der wie saubergewischt glänzenden, einem opfertisch nicht unähnlichen platte war etwas, wie ein fleck, eine störung: er trat näher: dort eingegraben in der mitte, im sonnenlicht dunkel hervortretend, ein merkwürdiges gebilde, das er nicht zu deuten verstand, der einzige schmuck: etwas rundes, molluskenhaft gewundenes wie eine muschel oder eine schnecke hob sich halb aus dem stein und war halb in ihn eingelassen, der obere rand emporgewölbt und leicht eingeschlagen, im umlauf flacher und unten in einem füßchen oder läppchen auslaufend. er berührte die rundung, fuhr den windungen nach, tastete mit dem finger in die mulde, in die im gegenlauf der äußere wulst spiralförmig hineinleitete; näherte sein gesicht bis auf eine handspanne; wurde nicht schlau daraus, ließ ab, trat einen schritt zurück. er hob den arm, winkte und wiegte den oberköper ein wenig hin und her. sein schatten auf dem stein tat es ihm nach, griff sich an den kopf, krümmte sich wie in plötzlichem schmerz, stand wieder zögernd aufrecht. er wollte noch einmal ganz um den altar herumgehen, als ihn ein unbehagen beschlich. etwas kribbelte plötzlich an seinem rechten ohr, daß er heftig daran kratzen mußte. rasch wandte er sich ab und verließ den ort. unterholz knackte, die kleidung raschelte vernehmlich im auf und ab der schritte, sein atem rauschte. nach ein paar schritten ertrug ers nicht mehr und drehte sich um: da schimmerte der stein unter den fichten in schwachem widergeleucht; mittig lag immer noch ein schatten, der, von einem baum geworfen, leicht hin- und herschwang. dann erlosch die sonne und mit ihr der schatten; der stein trat ins zwielicht zurück, wo er sich auflöste und eins wurde mit dickicht und dämmerung.

erst als er wieder auf dem hauptweg angelangt war, hatte er aufgeatmet. Kurze zeit später war er auf die hütte gestoßen; da hatte es schon zu dämmern begonnen.

(3)
(1)

Das Opfer (1)

angst.
angst war. war das erste. war vor dem aufsteigen aus dem dunkel, war, noch ehe die stimmen waren, war der anfang. als die angst sich selbst spürte, da war sie schon lange zeit gewesen; und dann erst der singsang, der chor und das lachen. und gebrüll war, und heulen war. ein steigen, ein fallen. eine stimme, die sich überschlägt mit geschluchz. und immer angst, schreie und angst. halt ihn fest! da wieder singsang, heulend wie eine sirene: und da kniet einer im schnee da drückt ihm ein anderer das knie, drückt ihm den fuß in den rücken. etwas senkt sich herab. etwas blitzt. dann ein federnder schmerz. jemand hebt etwas auf. jemand hebt etwas auf. jemand hält etwas hoch. etwas fließt herab, etwas kriecht warm wie ein tier. jemand hält etwas hoch. etwas weiches fällt mit sanftem geklatsche. etwas singt. jemand schreit und schreit und schreit. schmerz zerspaltet die augen. etwas bleibt liegen. jemand brüllt. die stimmen verklingen. ein murmeln bleibt. eine ferne bleibt. ein wald.

schmerz. und immer noch schmerz und gebrüll, gebrüll allein jetzt –

jemand schrie im dunkel. schrie durch seinen mund, schrie mit seinen lungen, schrie roh aus seiner kehle, jemand hockte und schrie. jemand saß die hände aufs kissen gestützt, und jemand war er, er selbst, der seinen körper den schreien lieh, so wie er emporgefahren war in wilder bewegung; und konnte nicht mehr aufhören zu schreien, atmete und pumpte schreie zwischen dem luftholen, bis er sich verschluckte, hustete, würgte, dann pfeifend luft einsog, die er mit einem jammerlaut wieder ausstieß. er schluckte mehrmals krampfhaft, unterdrückte das wimmern, das sich immer noch aus seiner brust emporwinden wollte, schüttelte den kopf, keuchte. schloß die augen.

der schmerz blieb.

allmählich kam er zu sich: ein traum, nur ein traum, aber, himmel!, was für ein traum … und die dicke luft in der hütte, dazu noch das feuer, kein sauerstoff mehr, die zwei bier sicher auch wieder zu viel nach einem langen tag wandern, da muß man ja, muß man ja rasende kopfschmerzen bekommen … wasser wär jetzt gut. wasser ist das beste!

er hob die beine über die bettkante, was ihm stiche durch die schläfe und nacken jagte, fühlte den kühlen holzboden unter den füßen und blieb so sitzen, bis die wellen des schmerzes nachließen und nur ein dumpfes pochen auf der rechten kopfseite blieb. atmen, nur ruhig atmen. irgendwo hatte er noch eine flasche mit wasser, wo war die? plötzlich verhielt er den atem und lauschte. war da nicht wirklich eine stimme gewesen? oder war es ein widerhall der traumstimmen, stimmen aus seinem eigenen kopf, in dem der traum noch festsaß und ihm stimmen zu hören gab, die nicht wirklich waren. fernab jeder ortschaft, mitten im wald, mitten in der nacht, im winter: wer sollte das sein? er lauschte. sein magen gluckerte. ein bißchen war ihm übel. aber der kopf fühlte sich besser an. sein eigenes atemgeräusch klang komisch. verzerrt und aus einer falschen richtung, als sei es gar nicht er selbst, der atmete.

eine nach der anderen erhoben sich die erinnerungen und setzten das wachsein wieder zusammen. seine wanderung, die freie ebene, die hütte, die fichten, der altar. im kamin gloste es noch; als der traum kam, konnte er noch nicht lange geschlafen haben. wovon hatte er eigentlich geträumt. von dem ort? er erschauerte. irgendwo hatte er etwas darüber gelesen. wo nur. er bückte sich nach der stelle, wo er das buch hatte fallenlassen, als ihn unbezwingbare müdigkeit übermannt hatte; doch fand er nicht, was er suchte, und das bücken verursachte ihm abermals ein scharfes stechen im kopf. kein buch, auch gut. tief atmen, gleich geht es besser.

plötzlich ein Schimmern von poliertem stein.

(2)

Gastmahl

Dant etiam positis aditum convivia mensis:
Est aliquid praeter vina, quod inde petas.
Saepe illic positi teneris adducta lacertis
Purpureus Bacchi cornua pressit Amor:
Vinaque cum bibulas sparsere Cupidinis alas,
Permanet et capto stat gravis ille loco.
Ille quidem pennas velociter excutit udas:
Sed tamen et spargi pectus amore nocet.
Vina parant animos faciuntque caloribus aptos:
Cura fugit multo diluiturque mero.
Tunc veniunt risus, tum pauper cornua sumit,
Tum dolor et curae rugaque frontis abit.
Tunc aperit mentes aevo rarissima nostro
Simplicitas, artes excutiente deo.
Illic saepe animos iuvenum rapuere puellae,
Et Venus in vinis ignis in igne fuit.

gastmähler auch bei gedecktem tisch können zugang gewähren:
mehr noch gibt es als wein, was du dort ansprechen kannst.
oft hat der purpurne gott dort genommen den Bacchus beim horne
und den bereiteten dann sachte gedrückt mit dem arm,
und als der wein die durstigen flügel Cupidos benetzte,
stand er beharrlich und blieb ernsthaft am selbigen fleck.
jener zwar schüttelt wohl rasch das vom weine getränkte gefieder,
Amor jedoch trifft selbst dann, wenn er die brust dir nur netzt.
Wein entspannt die seelen und macht sie für gluten empfänglich;
wo sie viel wein fortgespült, fahren die sorgen dahin.
Dann wird gelacht, dann setzt sich der arme die hörner des stiers auf.
sorge und schmerz gehen weg, wie auch die runzeln der stirn.
und dann öffnet die herzen die in unseren zeiten
seltene einfachheit, während der gott übt die kunst.
dort haben oft die mädchen der jünglinge herzen gestohlen
und frau Venus im wein war in dem brande ein brand.

Naso

der meister
schreibt

die körper zeichnen
neu
in den raum sich

der raum nimmt
den unglauben auf
und wirft ihn verwandelt
zurück

der meister schreibt:
seine tränen
lassen uns grinsen

sein lachen
bleibt uns im halse stecken

arztbesuch

am freitag doch noch zu kreuze und zur ärztin gekrochen; die mir, nach einem flüchtigen blick ins ohr, wozu ich sie gar nicht ermutigt hatte, erklärte, sie wolle mir mal die ohren durchspülen, sonst würde ich nichts mehr hören, wenn ich das nächste mal baden ginge.
wie bitte?
unverschämtheit – wenn ich dusche, dann richte ich den strahl immer direkt in meinen prachtvollen gehörgang und spüle gut durch, aber taub werde ich davon selten. eigentlich nie. und vom schwimmengehen auch nicht. oder wollte sie damit von hinten durch die brust ins auge andeuten, ich hätte wohl schon lange nicht mehr gebadet? weil es andernfalls ja nicht sein könne, daß ich überhaupt noch höre? unverschämt. außerdem war ich ja gar nicht wegen meiner ohren da, denen geht es, wie gesagt prima, und hören kann ich auch, danke schön!, sondern wegen meiner entzündeten kiefernhöhlen. wie es in meinen ohren aussieht, geht füreinmal niemanden etwas an.
und wie das sonst so ist mit ärzten: du gehst hin, sagst, du hast bauchweh, sie fühlen an dir rum, machen sich ein paar notizen, stellen ein paar fragen, setzen eine vorwurfsvolle miene auf und sagen dir dann auf den kopf zu, daß du bauchweh hast. bravo. so auch jetzt wieder.
„was führt sie zu mir?“
„meine kiefernhöhlen sind entzündet“
„schmerzen?“
„ja“
„beim vornüberbeugen?“
„besonders“
„pochen?“
„auch“
„dann mach ich mal ein ultraschall“
(macht ein ultraschall)
(mit vorwurfvollem gesichtsausdruck) „herr öhlbär, ihre kiefernhöhlen sind ja entzündet!“.

ach nee.
ich meine, also ehrlich.

fast schon …

viertel vor drei termin.

medizin fängt an zu wirken.

die myrte still und scharf der kampher weht.

lüftung klappert.

himmel ist immernochgrau.

kaffe brodelt in den venen.

doppelpunkt blinkt tapfer gegen die zeit.

fast schon ein vormittag gewesen

carmen nuptiale (cum grano salis …)

si quis crediderit gravi sua spe
vobis condere me bonam camenam
dicendam mihi nunc benignam in aurem
vobis, cara tibi, Olga Joeque care –
qui, dico, facere hoc putaverit me,
multum erraverit: heu! meam camenam
di perdunt neque perlegemus umquam!
res se nunc ita habet : caretque egetque
verbis vester amicus atque luget:
nam me deficiunt deae scelestae,
musae Kalliope atque quae vacillat
Euterpe. mihi nunc quid est fatendum?
vobis gratuler ut? modo iocer quo?
vobis blanditiasque conferam quas?
quonam denique glorierque verbo?
plenum hoc ingenium est aranearum!
at iam tempus adest et in patellis
fervet sorbitio merumque mulcet.
pro verbis placeat rubore vinum:
dicendi satis atque nunc bibendum!

Das Leben, das Universum und der ganze Rest

Sinn verweist immer auf etwas außerhalb dessen, dem er zugesprochen wird, hinaus. Man kann nur von Sinn für etwas sprechen, nicht von einem absoluten Sinn. Was ist der Sinn eines Hammers? Nägel in ein Brett schlagen zu können. Was ist der Sinn des Nägel-in-Bretter-Schlagens? Daß man einen Schrank, eine Hütte, einen Tisch oder was weiß ich herstelle. Was ist der Sinn des Tischs, der Hütte, des Schranks? Daß man von ihm essen, in ihr vor Wind und Wetter geschützt schlafen, Kleider in ihn hineinhängen kann. Worin besteht der Sinn, daß man Kleider in einen Schrank hängt?

Und so weiter.

Irgendwann kommt die Grenze, gerät man ans Große und Ganze. Irgendwann kann man nicht mehr weiter fragen.

Der Sinn des Hammers liegt außerhalb seiner selbst. Der Sinn des Tischs liegt außerhalb seiner selbst. Der Sinn bügelfaltengeschützter Hosen liegt außerhalb ihrer selbst.

Der Sinn des Lebens liegt – was liegt außerhalb des Lebens?

Der Sinn der Welt? Was liegt außerhalb der Welt, das ihren Sinn darstellen könnte? Gesetzt, die Welt ist ein Hammer. Was kann man damit zimmern?

Nichts. Das Leben ist alles. Die Welt ist alles. Darüber hinaus gibt es nichts. Also auch keinen Sinn.

Das heißt nicht, daß die Welt sinnlos ist. Es heißt, daß man die Frage nicht sinnvoll stellen kann.

Suchbegriffe

Da ist jemand von den Suchwörtern “Erasco” und “Stipendien” auf diese Seiten geführt worden. Das stimmt mich nachdenklich. Wenn es wenigstens “Erasmus” gewesen wäre. Ich kann mir gut vorstellen, auch wenn ich es nicht beschwören könnte, daß a.a.O. das Wort “Erasmus” gefallen ist, zumindest hätte es gut fallen können. Bei der Gelegenheit fällt mir auch ein, daß ich mal etwas zur Aussprache des Altgriechischen schreiben könnte, bekanntlich hat sich auch Erasmus dazu geäußert (und damit eine grauenhafte phonetische Wirklichkeit geschaffen, die an deutschen Gymnasien immer noch und wohl bis auf nicht absehbare Zeit angetroffen und gehört werden kann). Dies ist wohl wieder mal eine Instantiierung des allgemeinen Problems, daß Philologen hierzuland jeglicher moderner Sprachwissenschaft (und auch weniger moderner) bis zur Anathematisierung und Verfluchung abhold sind. Besonders, wenn es darum geht, “alte” Sprachen als echte Sprachen (und nicht als Literaturerzeugungsmaschinen) aufzufassen und sich ein bißchen Mühe mit dem Versuch zu geben, sich vorzustellen, wie die antike Sprach- und Sprechwirklichkeit ausgesehen haben könnte. Und dazu gehört eben auch die (mit guten Argumenten einigermaßen rekonstruierbare) Aussprache. Statt dessen pflegen die Philologen selbstverliebt ihren furchterregend germanisierten Zungenschlag und regen sich über jede falsche Länge oder Kürze auf (“homerische Eppen”, “Vohx”, “Loggik”, “Aristottelehs”), während sie über das Zäpfchen-r ebensowenig mit der Wimper zucken, wie ihnen die rheinische Sch-Aussprache des griechischen chi (“Es-schatologisch”) auch nur ein Brauenheben wert ist.

Wie also “Erasco”, eher bekannt für Suppenfertigprodukte aus Tüte oder Dose als für die Etablierung einer kanonischen Aussprache ausgestorbener Sprachen, in meinen Hain geraten ist, ist mir ein Rätsel.

Oder Meinten Sie vielleicht ‘Erasmus’?

aufwarmdrehen
mischkitzelbatterie
brausverwasserspritzen
leuchtleucht
gezitter vertrauter
ort, orte, stellstellen stehenso,
geartigkribbel
duschstrahl
bezartmuskelt krabbelt
als maskenzunge
zum
maskenzungenball
tastgleitet zwischen die
in flagranti
tanztanz
mundzunge
trockenheitüberstülbt
fingerzungenstrahl umrundet das
still werden
die räume so still daß
die wände hallen davon
luftumfeuchtwallte
leuchtreklame schlägt auf
und fleisch
fressende blumen nippen
naschen
sich nähren
sich von hauthaarnässe zwischen den lautlosfüßen
stille krallt sich umkrallt sich
krallt
sich ins
bis
nichts nichts
ist mehr außer
stille
geweitspreizte tropfen wie
warmhände weit sich
weit
ruckklaffend
dehnendsehnendbebend, dann, dann
weitweitweitwww–

dann

implosionsimpulspuls

ohneluftluftholend
verglüht vorgebeugtes
jammern und
warmwasser strudelig vermischt
vermischt

ver
mi
schtscht

verklatscht und
verpladdert vielstimmig
fortspült haploide
restsüße

plötzlich so laut wieder
die hände zittern
die wände atmen zurück

Fremdwörter, die die Welt nicht braucht

Genethliokryopodie, die. med. Fw. bezeichnet den Vorgang, angesichts herannahenden Geburtstages kalte Füße zu bekommen. Besonders oft tritt die G. im Zusammenhang elterlichen Besuchs (s. Goneoepiskope) auf. Linderung wird oft bei Einladung von Freunden (s. Philepiskope) beobachtet. Da die G. im allgemeinen harmlos verläuft und eine Besserung meist schon wenige Stunden nach dem Geburtstag (s. Metagenethlie) von selbst eintritt, ist eine Behandlung überflüssig, wird aber von den Betroffenen als angenehm empfunden und bei starken Beschwerden gerne in Anspruch genommen. Aufgrund ihrer unspezifischen Symptome ist die G. leicht mit der sogenannten s. Exetasiokryopodie zu verwechseln; welche Art der Kryopodie jeweils vorliegt, kann aber leicht aufgrund der eindeutigen Ätiologie festgestellt werden.

Hermetische Poesie

Schafe und Ziegen riechen gut
aber
Ziegen noch besser
das muß
ich mir merken
und so vieles andere auch
Seelenbücher lächeln
freundlich aus dem Regal, zwinkern
uns hat sie gern
mir zu
wir mußten uns keine Zettel
schreiben aber
mich rührt des Gedankens Gedanke
während der stolze Käse schmeckt
zuhause bestiefelt
aber eigentlich nicht in Stiefeln zu Hause
Wo man sie nicht finden kann such ich
ratlos
die Toilette schon ziemlich
angetrunken und schwer von
Begriff, aber peinlich ist es mir nicht
unter ihren
Augen
und das ist
der befreiendste von allen Gedanken und
Wünschen
naß bin ich nicht geworden, weil
es bimmelt und
ein Keksgedanke freut sich
beklommenen Herzens.

Das beste Stück

Gibt es einen schöneren, eleganteren, praktischeren, sinnlicheren Gegenstand, als gerade ihn? Er ist doch unübertroffen. Keine noch so ausgefeilte Technik kann ihn ersetzen, wenn es wirklich darauf ankommt. Er ist immer zur Stelle, funktioniert auch bei Stromausfall, ist nahezu unverwüstlich sowie leicht und unkompliziert zu handhaben; auch ist er pflegeleicht und liefert meist befriedigende Ergebnisse. Seine langgestreckte Form, seine Steifheit und die Glätte seiner Haut bestechen durch ihr schnörkelloses funktionales Design. Auch für das Auge ist er ein Genuß, und manch einen überkommt schon bei seinem Anblick der Wunsch, ihn in die Hand zu nehmen und damit herumzuspielen. Zwischen den Fingern fühlt er sich gut an, ganz gleich, ob er der eigene ist, oder einem anderen gehört.

Manchen Menschen genügt es, ihn ab und an zur Hand und in selbige zu nehmen; andere dagegen zögern nicht und nehmen ihn zuweilen auch gern in den Mund, vor allem dann, wenn sie nicht weiter wissen; andere wiederum stört der herbe Geruch und Geschmack, so daß sie schon der Gedanke, so etwas zu tun, ekelt; es soll aber sogar solche geben, die daran lutschen, ja, die gar darauf herumkauen – welch letzteres aber eine Unsitte und wovon dringend abzuraten ist.

Zwar ist er von Natur aus schön und praktisch und durch nichts zu verbessern; verspielte Menschen jedoch, Mädchen zumal, setzen ihm manchmal eine Gummikappe auf, die allerlei Verzierungen haben kann aber nicht muß: Noppen, Rillen, Fransen, Büschelchen, ja manche mögen es, wenn er ein Fellmützchen trägt. Derlei Zierat kann sogar sacht parfümiert sein. Erdbeere, Banane und Vanille sind gängige Noten und besonders bei Schulmädchen sehr beliebt. Doch so, wie er ist, ist er schon seine eigene Perfektion; alles, was man ihm sonst angedeihen läßt, alles, womit man ihn ersetzen mag, jede angebliche Verbesserung: sie sind doch nur zierendes Beiwerk. Deshalb wir man immer wieder auf ihn zurückkommen.

In manchen Kulturen bewahrt man ihn in einem Futteral auf. In anderen wiederum legt man nicht so viel Wert auf eine Verpackung. Jedenfalls sollte man ihn nach seinem Gebrauch wieder ordentlich verstauen.

Manchmal ist er hart, manchmal weich, je nach Bedürfnis, Anlaß und Vorhaben; am besten aber ist er zu gebrauchen, wenn er angespitzt ist. Man sollte aber hinterher saubermachen, damit nicht irgendwann jeder Ort, wo man ihn gebraucht hat, von seinen Spuren vollgesaut sei. Wird er jedoch oft und lange gebraucht, oh: so schrumpft er irgendwann und schnurrt zu einem lächerlichen Stummel zusammen. Er kann zärtlich sein und sacht, oder kraftvoll Akzente setzen; er kann ungestüm und unüberlegt sein, oder zögerlich und zagend seine Arbeit tun. Manchmal dauert es sehr lange mit ihm. Manchmal ist man schneller mit ihm fertig, als man gedacht hat. Und manchmal, ja, manchmal schafft er Werke von Bestand. Am schönsten aber ist es, wenn er eine Liebesbotschaft spricht.

Hier ist ein Bild von ihm.

Den reisenden Eltern

Das Haus erwacht, wenn alle Stimmen ruhen
und eigene Gedanken läßt es weben.
Dem Schlüsselklappern will es widerstreben,
und jeder Raum zuckt fort von fremden Schuhen.

Der Dämmerflur hängt voll von Katzenblicken
die starren leer und spiegeln euer Fehlen.
Ihr Glanz im Dämmer schwebt, indes die Kehlen
der Amseln stehn voll Gold. Die Stunden ticken

in ihrem Sarg aus Zeit. Die Uhren zeigen
auf tote Augenblicke, die sich mehren.
Der Ahorn brennt. Im Grase faulen Feigen.

Dem Dielenspiegel les ich ab die Leeren
die ihr uns daließt, Taubsein, Ruß und Schweigen
und andre Geister, denen ich muß wehren.