Krieg oder Frieden (Ovid, Fasti 3, 207-228)

Längst sind nach dem Raub der Sabinerinnen mit gemeinsamen Nachkommen Tatsachen geschaffen worden, und die Sabinerinnen haben sich in ihrem neuen Leben als Römergattinnen recht gut eingelebt, da kommt es beinahe zum Krieg mit den beleidigten Vätern der Geraubten. Die Gattin des Romulus, selbst eine Sabinerin, weiß beherzten Rat, wie ein Krieg zu verhindern sei:

“o pariter raptae, quoniam hoc commune tenemus,
     non ultra lente possumus esse piae.
stant acies: sed utra di sint pro parte rogandi
     eligite; hinc coniunx, hinc pater arma tenet.
quaerendum est viduae fieri malitis an orbae.
     consilium vobis forte piumque dabo.”
consilium dederat: parent, crinesque resolvunt
     maestaque funerea corpora veste tegunt.
iam steterant acies ferro mortique paratae,
     iam lituus pugnae signa daturus erat,
cum raptae veniunt inter patresque virosque,
     inque sinu natos, pignora cara, tenent.
ut medium campi scissis tetigere capillis,
     in terram posito procubuere genu;
et, quasi sentirent, blando clamore nepotes
     tendebant ad avos bracchia parva suos.
qui poterat, clamabat avum tum denique visum,
     et, qui vix poterat, posse coactus erat.
tela viris animique cadunt, gladiisque remotis
     dant soceri generis accipiuntque manus,
laudatasque tenent natas, scutoque nepotem
     fert avus: hic scuti dulcior usus erat.

“Schwestern im Geraubtsein! Nun haben wir dieses gemein, und
     artig im Stillen sein weiterhin können wir nicht!
Schon sind die Heere bereit — wem die Götter den Sieg sollen schenken,
     wählt nur! Hier der Mann, dort zückt der Vater das Schwert.
Wählt, ob ihr lieber verwaist sein wollt, oder lieber verwitwet!
     Ich aber rate euch artig, biete euch kräftigen Rat.”
Kräftig war der Rat: sie folgen, zerwühlen ihr Haar und
     streifen ein Trauergewand über den gramvollen Leib.
Schon stand die Phalanx bereit, bereit zu Stahl und Verderben,
     schon holt der Herold Luft, Kampfschall zu blasen ins Horn,
als die Entführten zwischen die Väter und Gatten sich werfen,
     jede gedrückt an die Brust, Pfand ihrer Liebe, das Kind.
Wie sie zerrauften Haares die Mitte des Feldes erreichen,
     beugen sie flehend das Knie, flehen sie kniend am Grund.
Und da streckten die Ärmchen, als hätten sie alles begriffen,
     zärtliche Rufe im Mund, Enkel nach Großvätern aus.
Welches schon konnte, das rief nach dem Großvater, den es erkannte,
     welches konnte noch kaum, fand sich gezwungen dazu.
Waffe und Zorn sinkt den Männern zugleich, sie bergen die Schwerter,
     Schwäher und Tochtergemahl geben einander die Hand,
halten die lobreichen Töchter im Arm, auf dem Schilde den Enkel
     trägt der Opa, denn so taugte viel schöner der Schild.

2 Gedanken zu „Krieg oder Frieden (Ovid, Fasti 3, 207-228)

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