Einer der vermeintlichen Vorteile des Älterwerdens, auf den ich nach wie vor warte, ist die korrekte Anrede. Jetzt bin ich bald vierzig, aber nein, immer noch schallt mir ein nörgelndes „Junger Mann …!“ hinterher, wenn jemand sich erfrecht, mich zurechtweisen zu wollen. Ich hab’s so satt. „Junger Mann“, das geht einfach gar nicht. Das ist das allerletzte. Nicht nur linguistisch-pragmatisch (weil es aufgrund seiner lexikalischen Semantik unangebracht ist und sein Gebrauch daher über diese Semantik hinausweist), sondern auch, weil sich in dieser Phrase die Bereitschaft, mich maßzuregeln, spiegelt, ja schlimmer, das Empfinden der Legitimität der Maßregelung ihren sprachlichen Ausdruck findet. Ich frage mich ja, wie lange es noch dauern soll, bis die verhaßteste aller Anreden als nicht mehr adäquat empfunden wird – braucht es die Krücke und die Gesundheitsschuhe in fleischfarben? Das schlabbrige Sakko, die Hornbrille, der Irisch-Moos-Duft?
Spannend auch die Vermutungen, was an die Stelle von „Junger Mann“ treten wird. „Gnädiger Herr“ fände ich ja schon seit vielen Jahren meinem Lebensgefühl angemessen, ist aber bei der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung leider nicht mehr im aktiven Wortschatze zu finden.