Zum Weltnichtrauchertag

Vor ein paar Tagen erspäht: Die bislang vielleicht zynischste Zigarettenwerbung, die sich mir je aufdrängte, abgebildet eine Domina in Leder und mit Peitsche, der die Worte in den Mund gelegt sind: „Für nicht so streng mit Rauchern sein.“ Gut, das mit der Strenge mag noch angehen. Statt sofort zu teeren und zu federn könnte man zunächst über mildere Maßnahmen nachdenken, etwa Aschenbecher auslecken lassen oder Kippen-mit-dem-Mund-vom-Straßen-Pflaster-einsammeln-lassen und was der unterhaltsamen Anblicke mehr wären.
Aber daß dann auf diesem Plakat noch das Wort „Toleranz“ fällt, nein. Da hört der Spaß auf.
Dem nächsten Raucher, der mir ideologisches Gebahren, mangelnde Kompromißbereitschaft und Dogmatismus vorwirft, werde ich bei sich bietender Gelegenheit kräftig in die Suppe spucken und ihm dann vorschlagen, man könne doch bestimmt über das Suppespucken, das mir ein großes Bedürfnis sei, einen Kompromiß aushandeln. Ich sei da nämlich ganz undogmatisch.
Die Forderung nach einem Kompromiß ist im Grunde auf das alte zynische Diktum des Rauchers reduzierbar, es störe ihn ja auch nicht, wenn andere nicht rauchten.
Wer ist hier eigentlich der Verbohrte? Rauch macht krank; wer verursacht, daß andere Rauch atmen müssen, begeht unserer Ansicht nach Körperverletzung. Ein Raucher würde sich mit Recht dagegen wehren, wenn ihm einer Jauche in den Kaffee schütten wollte, entblödet sich aber nicht, von mir Kompromißbereitschaft angesichts von Nervengiften und karzinogenen Substanzen in meiner Atemluft einzufordern. Da hilft es auch nicht, darauf zu verweisen, daß auch Autos und Fabriken nämliche Substanzen freisetzen, denn: Ganz recht! Wir wehren uns ebenso gegen Autoabgase wie gegen Suchtabgase.
Liebe Raucher, es gibt nun einmal Dinge, die sich nicht unter Verweis auf eine andere Meinung diskutieren lassen, weil sich jede Diskussion von vornherein verbietet. Niemand muß rauchen; atmen müssen alle. Gesundheit ist nicht verhandelbar. Das Bedürfnis des Rauchers nach Rauch kann niemals mit unserem Bedürfnis nach sauberer Luft konkurrieren oder auch nur mit ihm verglichen werden. Im Grunde ist das Bedürfnis nach sauberer Atemluft gar kein Bedürfnis.
Sondern ein Recht.

oase

nach gestrigem brüller in den innenhof, der neben verschiedenen deftigen invektiven auch eine androhung von inanspruchnahme behördlicher gewalt enthielt (ich meine, wer zieht bitteschön nachts um elf um? man stelle sich vor: türenklappern, möbelrutschen, keuchen der beteiligten träger, poltern von krimskrams, verklemmende möbel, schmerzensschreie von besitzern dabei eingeklemmter finger, pfiffe, gelächter, husten & ausspucken), nach dem brüller also heute ausgiebig über gehörschutz informiert. so geht es nicht weiter. es werden immer mehr. meine geduld immer weniger. geklingel, gefiepe, geschepper, sogenannte musik. ich sage sogenannte, weil es mir schwerfällt, das, was so penetrant aus ubiquitär verteilten kopfhörerchen stampft, und das, was ich für eine ruhige stunde aus meiner plattensammlung auswähle, mit demselben wort zu bezeichnen, aber das nur nebenbei. ebenso nebenbei: man könnte einen anschlag auf die hersteller des ei-pottes und ähnlicher akustischer großflächentraumatisierer in erwägung ziehen.
also professionelle hilfe. werde demnächst beim optiker meines vertrauens, der auch eine abteilung für hörgeräteakustik hat, vorsprechen. und mir meine kleine oase der stille einfach um mich herumziehen.
im übrigen mußte die polizei dann doch nicht anrücken. aber beim nächsten mal gibt es nicht noch eine weitere androhung. dann wird sofort ernst gemacht.
immerhin war fünf minuten nach meiner mißfallensäußerung ruhe. und, nun gut, ich gebe zu: es war nicht elf. es war erst halb.

Lichtwochen und ein Blick (7)

Jeder Schlaf war ein halber Schlaf, ein Schlaf des Mangels, der nach einem zweiten Schlaf rief, die Träume nach ihrem Gegenstück. Seine Brust nach E.s Rücken. Ein halber Schlaf bei brennendem Licht. Eine rohe Bewußtlosigkeit, während der Mond die Gardinen einschiente. Oft kam ihm ein Kitzeln in die Nase, so daß es ihn hochriß aus dem feuchten Kissen (hatte er sie nicht hereinkommen hören?) und er angestrengt starrte, unfähig, die Hand auszustrecken (ihr Haar in seiner Nase), aus Angst (aber war da nicht ihr Duft vernehmbar?), nur Bettzeug und Wand zu ertasten und schwitzende Leere. Duftlos. Es dauerte Stunden, ehe er erwachte. Zuviele Stunden blieben. An Schlaf nicht mehr zu denken. Manchmal war es so heiß im Zimmer, daß das Bett ihn auszuspeien schien. Dann stand er auf, trat in das Becken des Mondlichts und rauchte.

from cover to cover

nun also endlich auch den Ascheengel von Maria Lambadaridhou-Pothou fertiggelesen. begonnen 2002, im herbst der ersten wanderungen, im ersten herbst mit E., bald entnervt liegengelassen. viel später dann, als es keinen herbst mehr mit E. geben würde, wieder aufgenommen, abermals weggelegt, fast schon aus dem haus gegeben, und jetzt, endlich, fünf jahre, nachdem ich es (zum ersten mal) begonnen habe, fertig gelesen. es ist, als müßte ich alles liegengebliebene aus jener zeit abarbeiten, erst den Aragon, der mir empfohlen worden war angesichts des letzten bruchs mit E., auch dies ein buch, das mindestens drei anläufe brauchte, und jetzt eben den Ascheengel, beide bücher eine qual, jedes auf seine eigene weise.

Gerade Beethovens “Appassionata” gehört. Maurizio Pollini. Ein Klanggewitter. Ein Akkordorkan. Oktavenstürme, Sechzehntelirrlichterei, dumpfes Donnergrollen, silbriges Wetterleuchten, und am Ende, am Ende, wenn man meint, es geht nicht noch mehr — ein hexentanz.

Nie bin ich so glücklich, wie wenn ich geschrieben habe. Obs gut war, was ich geschrieben? Am Ende des Tages scheint alles gut.

Lichtwochen und ein Blick (6)

Der letzte aller Abende. Seitdem hatte das Abendlicht sich aufgelöst, die Stunden der Dämmerung sich selbst ad absurdum geführt.
Der letzte aller Abende.
Es gab keine Abende mehr.
Es gab nur noch Tage, nur noch Licht.
Kein Verklingen mehr. Keine Restsüße mehr. Die Textur des Lichtes änderte sich: Farbe, Härtegrade, Geschwindigkeit, Dichte, Amplitude, die Sonne ging unter, es wurde dunkler und schließlich ganz dunkel, und irgendwann, na ja, war es halt Nacht. Aber ein Abend war unter den neuen Verhältnissen, war nach jenem

letzten aller Abende

nicht einmal denkbar. Wie hätte auch. Zu einem Abend hätte gehört, daß man gemeinsam hinaussah auf die gleißenden Schindeln, die verdampften Kamine, das niederfallende Blau. Zu einem Abend hätte der Glanz in E.s Gesicht gehört, die Spiegelung dieses Niederfallens, die Bestätigung von Welt und Sonne und Schönheit, die ihm aus E.s Auge zuteil geworden wäre, und ihr schweigendes Dasein, und ihr Lachen, und ihr sattes Seufzen, wenn sie getrunken, wenn sie das letzte Stück Pizza aufgegessen hätte. Zu einem Abend würde die Terrasse gehören, die Albernheiten der Kinder im Nachbarhaus, das Quietschen der Güterzüge jenseits des Bahndammes, die die nahende Dunkelheit durchwirkten. Ein geflüstertes „Du …“. Um ein Abend zu sein, hätte es eines gemeinsamen Bettes bedurft, des Hinsinkens in müder Keuschheit. Um ein Abend zu sein, hätte diese Stunde sie beide enthalten müssen: ihrer beider Atmen, ihrer beider Vergegenwärtigung von Tag und Weg und Gemeinsamkeit, ihrer beider Müdigkeiten und ihre Erwartung darauf, gemeinsam wachzuwerden unter dem Himmel des nächsten Tages.
Und überhaupt einen nächsten Tag.

(7)

Lac d’Annecy

sehnsucht nach einer stunde am Lac d’Annecy, übernachten auf einem parkplatz am ufer, in den zurückgeklappten sitzen eines kleines autos. geruch nach moder und enten strömt durch das spaltbreit heruntergekurbelte fenster, zwischen pappeln springt der mond vor und zurück, vor und zurück auf dem träge bewegten wasser, und die berge tönen oben, weit über see und stadt, über der angehaltenen zeit der straße. zu zweit, den schalthebel zwischen uns, hand in hand, so lauschen wir. es ist ungewohnt und abenteuerlich geborgen, mit dir an diesem ufer. wir neigen den kopf und sehen einander in die müden augen. wir nicken. gelbliches laternenlicht hängt wie ein zelt über dem kleinen parkplatz, und manchmal, ganz nah, hört man ein plätschern, ein gluckern, das aus der stille silbrig schimmernd emporbricht und wieder eintaucht in die gekräuselte fläche des schweigens.

Lichtwochen und ein Blick (5)

Auf den Büchern, die genau so dalagen wie an jenem Tag, da E. ihm die Tüte mit seinen Sachen schon an die Tür gestellt hatte, sammelte sich der Staub. Aufgeschlagenes blickte mit Reihen zerbrochener Buchstaben in den Raum, hier murmelte ein Titel auf einem Buchrücken, dort schielte ein Klappentext nach dem Fenster; eins über das andere gestapelt in der Reihenfolge des letzten Zugriffs, türmte sich Murakami über Walser, keilten sich Statius und Apuleius wie in einem klassischen Ringkampf ineinander und hielten sich gegenseitig offen, und in einer zärtlichen Liebesumarmung der Belletristik umfing der muskulöse Liddle–Scott die zarte Sappho, die mit gespreizter Bindung unter ihrem Liebhaber lag und eine halbe nackte Seite hervorschimmern ließ, die über die Wochen allmählich vergilbte. „The Mill on the Floss“ lag, nach oben aufgeschlagen, halb unter dem Bett, daneben ein Stapel Lexika, an die sich, schlank, fein, und in blauem Umschlag, eine Gedichtanthologie lehnte, aus deren Seiten es von Lesezeichen wie von Gedärm herausquoll. Manchmal schrägte sein Blick dahin. Aber er las nicht. Am Vorabend des Abends, an dem die Tüte an der Tür gestanden hatte, am Abend vor dem letzten aller Abende, hatte er noch an diesen Stapel gerührt; jetzt schien diese Sammlung nur noch eine Kuriosität zu sein, die Widerspiegelung der Grillen eines Bucheremiten, eines Besessenen. Einer anderen Welt gehörte das an. Der Stapel war noch da, E. war noch da, die Stadt war noch da, in der es eine Haltestelle schon jetzt gab, wo man etwas erblicken konnte, das den Lichtwochen ein Ende machen würde, das alles war schon da.
Er selbst war weiter.
Wo überhaupt? In einer Welt, die sich des Abends und der Dämmerung entledigt hatte und in einem Taumel aus Licht sich selbst aufgab. Puzzlelösen war das einzige, das ihm erlaubte, sich abzulenken und gleichzeitig an E. zu denken, das einzige, das die Schwebe hielt zwischen dem Selbstzerstörerischen einer ausschließlichen Beschäftigung mit E. und dem hoffnungslosen Versuch, in die Labyrinthe und Sprachfarbigkeiten eines Romans einzutauchen und zu vergessen. Nur über diese zerbochene Welt des unfertigen Puzzles gebeugt, konnte er an E. denken, ohne an sie denken zu müssen.

(6)

Später

wimper einer gazelle, ein augenblick. gräser der sanftheit, viele schlachten später, im später. da ist es wie zuhause im fremden, im zuhause. hier warst du schon einmal, hier warst du wieder und wieder. im später. im wieder. hier. danach, gestreift von der wimper eines tiers.

Im Kottenforst

dieser sanftheit voller blick. du sammelst sie wieder auf, diese stundenperlen, hebst auf dieses verstummte geblök, betrachtest die bocksfüßigen schrecken der zeit, so wie man den fußmarsch aus dem holpernden fahrzeug noch einmal begreift. so weit war das. du denkst, und jetzt, du denkst, es müßte sich etwas ändern. du denkst in großen zügen und wegen, und alles, was sich ändert: es verstummt.

Lichtwochen und ein Blick (4)

Er löste ein Puzzle in diesen zerbrechlichen Tagen. Nachmittage lang kniete er auf dem Boden, nur mit einem Schlüpfer bekleidet, ein nasses Handtuch auf Rücken und Schultern, und sortierte Teile nach Farbe und Strukturen, probierte, schob herum, verglich feinste Schattierungen Himmelsblau, versenkte sich in die Vorlage, versuchte, eine Linie wiederzufinden, ein Farbknötchen, ein unscheinbares Fleckchen Gewölk. Hielt manchmal ratlos inne und starrte dann minutenlang durch den Fußboden, bis die verstreuten Puzzleteile sich voneinander wegzubewegen begannen, mehrere tausend Ausschnitte: ein Meer, Tümpel, Wolken, Wellenkämme, das Stück eines Felsens in einer Klippe in einer Küstenlinie, Stückchen vom Stückchen vom Stückchen, in hunderten völlig gleichartiger Teile geborstener Himmel, über den der transparente Schatten der Gardine strich: Pappstücke, die die Silben einer Entdeckung enthielten und für sich behielten, deren Sinn sich erst im Gefügtsein ergäbe, wie es hier und da, in Inseln plötzlich aufscheinenden Wiedererkennens, noch getrennt, aber schon im Griff des einen nach dem andern, sichtbar wurde.

(5)

Lichtwochen und ein Blick (2)

Das Licht hämmerte in den Straßen, Tag für Tag, Woche für Woche; jeden Morgen aufs neue hing es blau vor den Fenstern, türmte sich da so ein Blau, so ein gewalttätiges Blau, so ein lärmendes Blau, gegen das man die Augen nicht schließen kann, so ein Blau, das jeden Schlaf, und sei die Müdigkeit noch so groß, durchteilt, spaltet, zerreibt, zunichte macht, ein Block Farbe, ins Zimmer gewuchtet. In den Straßen lagen Schatten umher, hart, scharf, den Einbruch und die Verkantungen der Helligkeit wie ein Schraubstock umfassend. Die Menschen schon in der Frühe hinter den Spiegelungen der Sonnenbrillen verborgen. Ströme von Insektenmasken. Füße, die aus Turnschuhen herausquollen. Finger, die überall Abdrücke hinterließen. Flecken auf Hemden, Dunkelheiten der Erschöpfung. Eine Straßenbahnhaltestelle, auf die plötzlich der Blick fällt, durch einen Schlauch aus Menschenleibern hindurch, eine Haltestelle, schlank von Schatten, eine Bahn, die sich entfernt, eine Arena aus Licht. Wochenlang dieses Licht. Bis zu jenem Tag. Ein Licht, das aus den Mauern Staub schlug, aus Glas, Blech und Keramik feinsten Rhegolith meißelte, der die Luft schärfte, sich an den Wimpern festsetzte, den Blick trübte und in die Lungen drang, bis es war bei jedem Atemzug, als atme man Stein.

Lichtwochen und ein Blick (1)

Wochenlang lag die Stadt unter Schleiern, Schlieren, Schwaden aus Licht, dichtgepacktem knisternden Stoff, Schichten des Geleuchts, geologischen Formationen der Helligkeit, die Wetterschlag, Dürre, Wüstenwind, Herzschläge, Abende am Fenster, kriechenden Bierschaum, nie gewechselte Worte und Blicke konservierten, vor dem Vergessen und dem Zerfallen bewahrten, nicht nur bewahrten, sondern ausstellten. Während smaragdgrüne Koffer ihren Glanz verloren und unter schattigverwinkelten Treppenfluchten, in die langsam die Wärme kroch, vor sich hindämmerten.

Lichtwochen und ein Blick (3)

Die Stillen lösten sich auf. Briefe blieben liegen, verschwiegene Kammern füllten sich mit Wärme und Staub, Unüberlegtes wucherte, Wortpfeile, Satzgeschosse, Herden trampelnder Syntagmen. Wochenlang schwankten die Nächte im Lärm, gab der Asphalt ein Summen von sich, schmatzte Pflaster, Beton, Bitumen, geschwollen von Licht, das sich, selbst lange nach Sonnenuntergang, noch aus den Poren einer zerschlagenen Polyesterepidermis zu pressen schien. Anschwellen und Verklingen von Sirenen. Bässe unter dem geöffneten Fenster. Träge Pulsschläge. Manchmal erwachte man von kreischendem Schrecken, lag, die Augen ins Gewühl der Dunkelheiten verheddert, mit klopfendem Herzen wach, ein Geräusch? Ein Schrei, klirrendes Glas? Meistens blieb alles still, bis auf ein Knistern von Schuppen und Panzern, das vom Dach zu kommen schien oder aus dem Hausflur. Da warf man die Decke abermals von sich, atmete ins feuchte Laken, in die eigene Fremdheit hinein, und gab sich dem Versuch hin, weiterzuschlafen.

Vorabend

Heute, am Vorabend, beschäftigt mich nicht so sehr die Prüfung selbst, als vielmehr die weiteren Folgen der unumstößlichen Tatsache, daß es mit dem Studieren dann vorbei sein wird.
Wieder geht eine Zeit zu Ende, in der ich, wenn auch viel weniger stark durchdrungen als beim ersten Mal, dennoch aufgehoben war in einem System von Bezügen, Bedeutungsnetzwerken, Symbolaktualisierungen, Symbolverhandlungen. Ein Modewort fällt mir ein: Diskurs. Ich habe an einem Diskurs teilgenommen, und das bedeutet: Ich war in einer Sprache zuhause, und in einer Welt, die nur durch diese Sprache lebte, weil sie von dieser Sprache geschaffen wurde. Mit dieser Sprache werde ich nun allein sein. So etwas tut weh wie der Verlust einer Heimat. Man hat ein Häufchen Erde dabei und die Kinderlieder und Aufzählreime, aber mit wem könnte man sie noch singen? Man krümelt die Erde durch die Finger bis sie ganz fein geworden ist, aber irgendwann wird sie den Geruch nach Ferne und Fremdheit angenommen haben.
Nicht nur dies, die Begegnungen, so flüchtig und oberflächlich sie auch waren, werden mir fehlen; wiedersehen werde ich kaum jemanden; Freunde sind keine geblieben. Plötzlich fehlen mir diese Menschen, und sei es auch nur, weil sie eine Stelle waren, wo es einen Knoten mit dem Außen gab, einen Wirbel, eine Überschneidung. Das einzige, das mir bleibt, ist die Welt, in die ich die letzten vier Jahre eingetaucht bin, und die ich nun in mir trage, wie das Häufchen Erde. Wieder verschwindet ein mit anderen geteilter Punkt des Außen-Ichs, krümmt sich eine Berührungsfläche in sich zusammen und entläßt mich zurück ins Binnen-Ich, wo ich allein bleibe mit meiner einsamen Kunst.