Wild

Etwa nach einer Stunde, auf dem Weg, der im Kottenforst die Schmale mit der Breiten Allee verbindet, fällt mir wieder ein, was von den mannigfaltigen Träumen der vergangenen Nacht nicht sofort beim Erwachen noch präsent und dann bei der täglichen Morgenmail formulierbar gewesen ist. Möglich ist es, daß mir die Passage einer Stelle im Wald, wo ich einmal in eine ganze Rotte unversehens hineingeriet, jene Traumrotte schwimmender Wildschweine wieder aufrief: eine Menge, ein Gewimmel fast, rotbrauner Leiber, die ich von oben sah, nachdem ich sie zuerst gehört, dann mühsam wie gegen etwas die Sicht Behinderndes ausfindig gemacht hatte. Sie schwammen vor einem steilen Ufer, vielleicht einer Mauer, von dessen Krone ich hinabschaute. Das Fell klebte ihnen naß am Körper, doch schien sie das Wasser nicht im mindesten zu beunruhigen, auch wenn dieses sichtlich nicht ihr Lieblingselement war und der Traum da immerhin einer zoologischen Richtigkeit zollte. Ich erinnere mich an ein Gefühl von Erregung („Da! Da sind sie!“), einer Art von Ehrfurcht verwandt, ohne schon Furcht zu sein. Es war dem Gefühl sehr ähnlich, das ich empfand, als ich neulich in einem ganz anderen Wald warnend, man kann es nicht anders sagen: angegrunzt wurde und ich nach angestrengtem Spähen schließlich das kurze Aufblitzen der schweren Leiber etwa hundert Meter hangauf bemerkte. Dazwischen das Gewusel von Frischlingen, bevor die Tiere wie ein Spuk wieder verschwanden. Tierbegegnungen, scheint mir, eignen sich gut dazu, in Träumen wieder aufgenommen zu werden.

[Currently Playing: Franz Strauss, Hornkonzert op. 8]