1981

das ist einfach grotesque, widernatürlich, unanständig. ich möchte nicht von sabbern sprechen, aber letzten endes ist es dieses wort, das in den gewölben widerhallt.
es kommt mir wie ein wahnsinn vor. was habe ich da zu suchen, nichts. elf jahre, ein augenblick, ein schicksal. zwei reisende in sich kreuzenden zügen, die einander für die schreckliche dauer eines wimpernschlags ins antlitz schauen und sich dann verpassen auf immer. doch in meinem fall, denke ich mit bitternis im herzen, hat es nicht einmal einen solchen augenblick gegeben; denn wir haben uns schon vor unserer geburt verpaßt; von anfang an konnten wir einander niemals mehr begegnen. (wenn es denn überhaupt beide gewollt hätten, versteht sich.) elf jahre. ein leben. sterblich sind wir von geburt an.
was für ein morgen ist das wieder, denke ich. jetzt mußte ich auch noch davon träumen. ein kuß. ein gemeinsames bad. ein sonnengebräunter rücken mit den hellen blässen des badeanzugs darauf sich kreuzend. ihre hände, die sie nicht schön findet, aber ich. ein traum: und noch im traum plötzlich die unumstößliche gewißheit, daß es nur ein traum war. ja, aber sie hat mich doch geküßt? wehre ich mich gegen mich selbst, aber ich muß es doch einsehen. und dann erwache ich, und es war wirklich nur ein traum, und der briefkasten ist wirklich wieder leer.