“Alleinerziehende Mütter sind sowieso immer die Gearschten, und jetzt mit dem Impfen kommen wir wie mit allem anderen auch wieder mal als letzte dran. Da sitzen jetzt die Rentner in der Außengastronomie und drehen den jungen Leuten eine lange Nase. Man hat am falschen Ende angefangen. Man hat, mit Verlaub, Halbtote als erste geimpft.”
(Kathrin K. 35, Schlosserin, alleinerziehend)
Mit Verlaub: man hat da angefangen, wo die meisten Intensivpatienten herkommen. Und das war richtig so.
Seit etwa Ende März ist es aber nicht mehr nachvollziehbar, wieso man ganze Büro-Belegschaften impft, während Schulkinder im Kinderzimmer vorm Rechner hocken müssen. Oder alles, was am Studium spannend und schön ist, durch Lektüre und Videos ersetzt wird. Etc.
(Man hätte natürlich sagen können: Intensivbetten gibt es nur bis 70/65/60! Oder so was. Aber wer hätte diese Entscheidung treffen sollen? Und wie hätten wir das als Gesellschaft getragen?)
Wen bitten Sie um Verlaub? Mich oder Frau K.?
Schlimm finde ich, wie die verschiedenen Gruppen gegeneinander ausgespielt werden. Eine Lösung habe ich auch nicht.
Jenseits aller Mißgunst gegen die vorgezogenen Betagten (die ich nicht teile), frage ich mich, ob man nicht besser dort mit dem Impfen hätte beginnen sollen, wo das Infektionsgeschehen besonders dynamisch war: bei jungen Menschen, bei mobilen Menschen, geographisch nach Hotspots, in sozialen Brennpunkten. Stattdessen hat man die Unvernünftigen zur Vernunft bringen wollen, Appell um Appell zur Einhaltung der Regeln rausgegeben und diejenigen geimpft, die als Überträger kaum mehr relevant sind. Ein entvökertes Altenpflegeheim ist tragisch: Aber für das Virus ist das das Ende, weiter geht es höchstens über ein, zwei Angehörige. Mich würde interessieren, ob nicht die Infektionsrate insgesamt schneller gesunken wäre, wenn man bei den Jungen angefangen hätte — und ob dieser schnellere Rückgang dann nicht wiederum dazu geführt hätte, daß die Intensivstationen hätten aufatmen können und insgesamt weniger Tote zu beklagen gewesen wären.