“Zwei Umarmungen am Tag senken den Blutdruck.”, mit diesem Zitat wird in der Literaturbeilage der ZEIT vom Oktober 2014 ein medizinischer Ratgeber beworben.
Nun könnte man sich fragen: Was passiert bei nur einer Umarmung am Tag? Bleibt der Blutdruck gleich? Und steigt er, wenn ein Tag, was ja schon vorgekommen sein soll, ohne Umarmung vergeht? Und kann man’s auch übertreiben? Ab wieviel Umarmungen täglich sollte man vorsorglich kreislaufstabilisierende Tropfen zu sich nehmen? Und: Hat eine längere Umarmung vielleicht denselben Effekt wie zwei kurze? Wie lang müssen die Umarmungen überhaupt sein, um einen Effekt hervorzurufen? Wie sieht überhaupt eine korrekt ausgeführte Umarmung aus? Wir hätten dazu gerne ein Videotutorial! Und schließlich: Wirkt das vielleicht auch homöopathisch? Es wäre doch praktischer, man bräuchte sich die Umarmung nur vorzustellen. Und was ist mit Küssen? Senkt das vielleicht Blutfettwerte und Körpergewicht?
Antworten darauf gibt bestimmt das Buch. Vielleicht liegt sogar eine CD mit Übungen bei. Ich weiß es nicht, ich will es gar nicht wissen. Kann man sich nicht einfach so umarmen? Dafür gibt es doch bestimmt bessere Gründe als den Blutdruck, oder? Und wer auf Umarmungen verzichten muß, obwohl er ab und an ganz gut welche gebrauchen könnte, der hat nun wirklich ein dringlicheres Problem als den Blutdruck. Oder anders herum: Wer jemanden nur deswegen umarmt, weil das den Blutdruck senkt, hat nicht nur ein medizinisches Problem. Und wer es um der Umarmung willen tut, der braucht das Buch nicht zu lesen.
Ich frage mich, was einer Gesellschaft zugestoßen sein muß, daß sie aus allem, was wir tun oder lassen, noch irgendeine wissenschaftlich erwiesene Nützlichkeit herauspressen muß.
Übrigens senkt Küssen wirklich das Körpergewicht. Wenn man es anstelle der Nahrungsaufnahme praktiziert.