Meles meles

Rehe kenne ich am Geräusch, Wildschweine vergißt man nie wieder, wenn man sie einmal gehört hat, Amseln und Tauben rascheln bei der Futtersuche manchmal so laut, daß man meint, gleich einem Grüffelo zu begegnen, aber weder Amsel noch Taube picken nachts im Laub. Also, was ist das, das sich da, zu zweit, zu dritt, raschelnd dem Zelt nähert? Über Füchse weiß ich nichts, jedenfalls nichts Akustisches, Wölfe habe ich nicht einmal gesehen, Luchse oder andere Katzen gibt es in dieser Gegend nicht. Waschbären? Gibt es angeblich überall. — Raschel, raschel, ein Igel? Aber Igel rascheln nicht nur, Igel röcheln und räuspern und haben eigentlich immer Asthma. Was sich da nähert, langsam, weder vorsichtig noch neugierig sondern unabsichtlich, mit anderem beschäftigt, gibt außer dem Rascheln keinen Laut von sich. Trotz diesem Desinteresse an meinem Schlafplatz habe ich ein wenig Sorge. Von Füchsen ist bekannt, daß sie Schuhe klauen, und einmal habe ich erlebt, daß ein Fuchs, von mir im Schlaf unbemerkt, das vor dem Zelt liegende Kochgeschirr vom Abend erst abgeleckt und dann, na ja, markiert hat. (Nicht unangenehm, der Duft, aber trotzdem, in meinen Schuhen möchte ich das lieber nicht.) Raschel, raschel, raschel, geht es während dieser Überlegungen draußen weiter. Ich klatsche in die Hände, räuspere mich: raschel, raschel. Ich drehe mich auf der knarrenden Luftmatratze um: raschel, raschel. Endlich taste ich nach der Stirnlampe, öffne das Zelt (raschel, raschel), strecke den Kopf heraus und richte die Lampe auf die Stelle, aus der das Rascheln kommt. Licht an! — Ich erschrecke. Nicht so, was da geraschelt hat, unbekümmert wühlen die beiden schlanken, etwa vierzig bis fünfzig Zentimeter messenden Leiber im Laub und scheren sich keinen Deut darum, daß sie gerade im Rampenlicht stehen. Dabei haben sie nachttaugliche Augen, das Tapetum lucidum schimmert im Lampenlicht, als hätte jemand seinen Schmuck verloren. Aber gleich, was sie mit ihren nachttauglichen Augen sonst noch sehen, das Licht und der Mensch, von dem es herstammt, interessiert sie nicht. Und so kann ich sie in aller Ruhe beobachten. Entgegen der landläufigen Auffassung sind sie nicht plump, im Gegenteil, sie sind agil, flink, machen sogar kleine Sprünge, man könnte, was sie da tun, ausgelassen nennen. Schnauze am Boden, wühlen sie wie kleine Schweine die Laubschicht auf. Sie haben einen fransigen Stummelschwanz und, daran verraten sie sich endlich, die typische Panzerknacker-Gesichtsmaske. Ich nicke zufrieden, kehre ins Zelt zurück und lasse sie weiterrascheln. — Doch am Morgen scheint, wovon ich in der Nacht überzeugt gewesen sein wollte, zweifelhaft. Panzerknackermaske, was ist denn das für ein Merkmal, und haben nicht auch Waschbären so eine? Und so bin ich in der Frühe, schon in Hemd und Schuhen, gar nicht mehr so sicher, ob es wirklich ein Dachs ist, was ich da als letzten Nachzügler der nächtliche Gruppe in der Dämmerung davonhuschen sehe.