Fensterkreuz, 28. Februar 2018

Der Tag beginnt mit dem Brausen von Autoreifen, dem Jaulen von Zweitaktern. Meeresrauschen, an- und abschwellend, ein Stadt- und Stahlmeer. Der Schlaf geht fehl, schon wach, erwarte ich den Wecker.

Träume von ehemaligen Freundinnen. C., bist du es? Ich besuche sie in ihrem Haus, das sie mit dem neuen Mann bewohnt, jetzt schon viele Jahre. Man hat dort umbauen wollen, eine Zimmerdecke anheben, eine Zwischendecke entfernen, darüber war man sich uneins, der Mann (das alles erzählt mir C., oder ich weiß es von früher, sozusagen von einem im Wachzustand nicht mehr greifbaren, nur vom Traum her wieder zugänglichen Traum), der Mann also (ein merkwürdiger Wiedergänger eines ganz anderen Partners, einer anderen Bekannten) habe diesen Plan gehabt, C. einen anderen, C. sei skeptisch gewesen, funktioniert hat dann nicht das Vorhaben des Mannes, die Schwierigkeiten, von C. vorausgesehen, seien zu groß gewesen. Ich bin also in diesem Haus, und irgendwie trage ich eine Schuld, müßte jemand schlecht auf mich zu sprechen sein, falle ich zur Last, und das Gespräch, das Inspizieren des renovierten Raums, hilft darüber hinweg. Vielleicht sollte ich dem anderen Mann nicht begegnen. Zuletzt schneide ich eine Tube mit weißer Farbe oder Holzleim auf und bekomme etwas davon in den Mund. Es schmeckt nicht unangenehm, aber ich weiß, daß das giftig oder unverträglich ist, also bemühe ich mich, es auszuspucken. Irgendwie führt das weiter in eine andere Situation, wo ich eine Mahlzeit zubereite und Möhren in Ringe schneide, zu spät merke ich, daß die Möhren innen einen grünschimmeligen, pelzigen Kern haben, ringförmig von gesundem Gewebe umgeben, zu viele Möhrenstücke sind schon in der Suppe gelandet, um sie einzeln herausfischen zu können. Der Schimmel riecht nicht unangenehm, aber ich habe Zweifel, ob man das essen sollte. Große Frustration und Ungeduld angesichts der Aussicht, alles wegschütten zu müssen. Damit in keinem Zusammenhang stehend Gefahr, die von einer Frau ausging, von der nur bekannt war, daß sie ein Attentat plane und auf einem verödeten Bauernhof gesehen worden sei. Und dann ging es noch um einen Hund, mit dem Wortlaut: … um das Leiden bis zum Einschläferungstermin möglichst gering zu halten … Der Einschläferungstermin, so schien es im Traum, lag aber wohl noch wegen hoher Anmeldezahlen in weiter Ferne. – Mich gruselt es, wenn ich dabei an menschliche Zukünfte denke, die vielleicht in weniger großer Ferne liegen, als uns allen lieb sein kann.

Dann die Nachrichten, und auch die aus den Meldungen wenn nicht erschließ- so doch erahnbaren Zukünfte verheißen wenig Gutes, bzw. lassen den Hörer, den unausgeschlafenen Hörer zumal, am menschlichen Verstand zweifeln. (Als ob man an den noch geglaubt hätte.) Man ist auf den Mond geflogen, man läßt Lego-Autos über den Mars rollen, man setzt eine Sonde auf dem Titan auf und plant eine Tauchfahrt in den subglazialen Ozean auf Europa – allein, in der sublunaren Welt, vulgo hier auf Erden eine Infrastruktur zu bauen, in der man ohne Autos leben, arbeiten und wirtschaften kann, nein, das kriegen wir nicht hin, das scheint zu schwierig zu sein. Lieber streitet man sich über Abgaswerte. Als ob die – egal ob gefälscht oder echt – der Kern des Problems wären! Die einen fordern Aufrüstung der alten Dieselmotoren, die anderen, und jetzt kommt’s: eine Investition in modernere Fahrzeuge. Ich höre die nächste Abwrackprämie schon von ferne klingeln. Was aber ist der Kern des Problems? Die Automobilität an sich. Das Auto muß weg. Wir sollten lieber schauen, wie wir das hinkriegen, statt uns um blaue Plaketten zu kloppen. Da könnte man sich auch über Schadstoffgrenzwerte in Zigarettenrauch streiten, es wäre nicht weniger albern. Pünktlich zu den Nachrichten bekomme ich über Campact die allfällige Unterschriftenaktion unterbreitet, worum geht es? Die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen darf nicht zu Lasten der Allgemeinheit (des Steuerzahlers) gehen! Prinzipiell bin ich damit einverstanden; nur kleben an dieser Forderung unausgesprochen so viele falsche Prämissen, allen voran die, daß diejenigen, die sich überhaupt ein Auto zulegen, keine Schuld an mieser Stadtluft treffe, daß ich diesmal von einer Unterzeichnung absehe. Unterzeichnen würde ich Appelle für die Aufwertung innerstädtischen Lebens durch Grünanlagen und autobefreite Zonen; für die flächendeckende Versorgung mit Geschäften; für die Abschaffung von Einkaufszentren auf der grünen Wiese; für den Ankauf von öffentlichen Gebäuden durch die Gemeinden sowie deren kostengünstige Vermietung an kleine Einzelhändler; unterzeichnen würde ich sofort für eine Einführung einer drastischen Umweltsteuer für Fahrzeughalter; für ein Tempolimit; für eine ordentliche Besteuerung von Flugbenzin; für einen flächendeckenden Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Das wären Maßnahmen für saubere Luft in den Städten, die langfristig wirksam wären, vom besseren Leben ganz zu schweigen.

Meine Antwort auf den Irrsinn? Irrelevante Texte auf relevanten Quark werfen. Anflüstern gegen einen ohrenbetäubenden Lärm.

[Johann Joachim Quantz, Trio c-Moll für zwei Flöten & BC]