Im Dunkeln Kaffee kochen, mit einer

Im Dunkeln Kaffee kochen, mit einer Kerze, der Motten wegen, alle Fenster stehen offen. Im Radio das ARD-Nachtkonzert, vorletzte Stunde, eine Orgelsonate eines mir unbekannten Komponisten, ich frage mich, ob man, was von meiner Musik eventuell auf die Straße dringt, in den Häusern gegenüber als störend empfindet. Es sollte mir egal sein: Jetzt bin ich mal dran. Siehe da, der erste Frühaufsteher, noch früher als ich, springt schon ins Auto. Es ist wirklich der reinste Zoo hier. Manche Tiere sieht man nur im Dunkeln. Andere nur an Schultagen. Irgendwas ist aber immer aktiv. Irgendwas bewegt sich immer. Schnüffelt, schnaubt, wittert. Tummelt sich. Will was. Will irgendwohin. Wimmelt.

Warum ich nicht den Wäscheständer einfach auf die Straße stelle, da wäre die Wäsche bei dem Wetter doch ruckzuck trocken. Tja, gute Frage, warum nicht? Fest steht, daß es ausgeschlossen ist. Ich versuche, es mir vorzustellen, meine Wäsche, Hemden, Hosen, Socken und, nun ja, persönlichere Sachen, wie sie munter im Winde flattern, unter den Augen und Nasen all des tagaktiven Getümmels und Gewimmels. Ganz zu schweigen davon, daß meine Vermieter mich so sehen könnten. Schon in der Vorstellung fühle ich den Drang, mich und die Situation zu erklären, Wissen Sie, ich habe keinen Waschkeller und keinen Balkon, ich muß in der Wohnung trocknen, aber die Wohnung ist verrammelt, Fenster alle dicht, damit es kühl bleibt, verstehen Sie, aber so trocknet die Wäsche ja nicht, und …
Viel zu kompliziert.
Ich wünschte, die Blicke der Passanten wären mir egal. Rutscht mir doch den Buckel runter. Ich könnte versuchen, mir einzureden, daß es mir egal ist. Aber ich weiß halt, daß das nicht stimmt. Früher hätte ich das gemacht. Ich hätte den bestückten Wäscheständer, Unterhosen und alles, rausgestellt und mich mit einem Buch danebengesetzt. Aber es hätte auch damals schon nicht gestimmt, was ich mir nur erfolgreicher eingeredet hätte: Daß es mir egal ist, was andere denken.

Oder daß andere mich überhaupt sehen. Irgendwie habe ich auch immer das Gefühl, Dinge zu tun, die komisch sind, erklärungsbedürftig, Verwunderung oder Unverständnis auslösen, Blicke auf sich ziehen. Für mich hat das ja immer Gründe, sonst würde ich es ja nicht tun. Aber für die anderen nicht, und das weiß ich. Zelten im Wald. Nachts nackt Kaffee kochen. In Zügen auf dem Gang sitzen. In der Straßenbahn einen Baukopfhörer tragen. Das Supermarktgemüse in mitgebrachte Tüten füllen. Wäsche auf der Straße trocknen. Manchmal ist mir mein Individualismus peinlich. Ich bin nicht stolz darauf, mein eigenes Ding zu machen. Ich kann absolut nicht verstehen, wenn Leute behaupten, sie hätten nichts zu verbergen. Manchmal möchte ich mich einfach unsichtbar machen können.

Ich weiß nicht, wie oft im Leben ich Blicke auf mich gezogen, Erstaunen und Kopfschütteln ausgelöst habe. Es hat dazu geführt, daß ich, was mir wichtig ist, lieber im Geheimen tue, wenn das möglich ist, um erst gar keine blöden Fragen aufkommen zu lassen.Was wiederum dazu führt, daß ich am liebsten allein bin, weil ich mich dann nicht so beherrschen muß. Oder meine sogenannte Wohnung, so peinlich ist mir dieses Zimmer, daß ich am liebsten keinen Besuch mehr empfange.

Unsichtbar werden, oder wenigstens einen somebody-else’s-problem-shield, das wäre prima, wenn mal wieder jemand morgens um fünf schon auf der Straße ist, hört, was für ein Sender bei mir läuft, und mir zuschaut, wie ich nackt an der Spüle stehe und Kaffee koche.