Drei kleine Geschichtchen vom Impfnachweis

Die erste Geschichte handelt davon, wie ich in einem Sportgeschäft ein paar Laufschuhe kaufen wollte. Die Tür ist verriegelt, drinnen herrscht geschäftiges Treiben. Ich drücke auf die Klingel, und umgehend öffnet ein junger Mann die Tür. Noch bevor er mich auffordert, ihm den Impfnachweis zu zeigen, habe ich in die Hosentasche gegriffen und das Papier, einen Ausdruck des EU-Impfzertifikats, ausgestellt von meiner Hausarztpraxis, komplett mit persönlichen Angaben, Datum der Impfung und QR-Code zum elektronischen Auslesen, herausgefummelt. Dieses Dokument habe ich schon oft in den vergangenen sechs Monaten vorgezeigt, in Cafés, Restaurants, beim Theatereinlaß, im Schwimmbad. Probleme gab es nie. Heute aber ist es nicht gültig.
„Wie bitte?“
„Du mußt zur Apotheke, dir dort mit Personalausweis ein Zertifikat ausstellen lassen, das du dann aufs Händie …“
Ich weise darauf hin, daß dies das Zertifikat sei, daß ich noch nie Probleme gehabt habe, ein Händie besäße ich nicht, und schließlich sei Zertifikat schließlich Zertifikat, egal ob im Händie oder auf Papier.
„Ich mache die Regeln nicht“, ist die Antwort, es werde so viel Schindluder getrieben, und Straße sei auch Straße, aber auf der einen dürfe man 130 fahren, auf der anderen nur 50.
Bevor ich die Schräglage dieses Vergleichs richtig ausgekostet habe, läßt der Verkäufer mich dann doch eintreten.
„Ich sag’s nur, fürs nächste Mal.“
Ich ziehe es vor, zu schweigen, probiere meinen Schuh, zahle und gehe.

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Im zweiten Geschichtchen entdecke ich auf dem Weg vom Sportgeschäft zur Straßenbahnhaltestelle ein paar Meter die Straße hoch ein Apothekenschild. Wenn ich schon mal dabei bin, denke ich mir und steuere die Apotheke an. Als hätten sie mich erwartet, ist am Schalter ein Schild aufgestellt: Lassen Sie sich hier Ihr Impfzertifikat ausstellen. Prima, denke ich, zeige auf das Schild, grinse mit den Augen überm Maskenrand, fummle mein ungültiges EU-Zertifikat aus der Tasche und lege es der Apothekerin vor. Ich will gerade den Ausweis zücken, da bemerke ich den irritierten Blick. Ich frage mich, was jetzt wieder fehlt. Steuernummer? Versichertenkarte? Geburtsurkunde?
Die Apothekerin dreht den Ausdruck ratlos zwischen den Fingern. „Aber was wollen Sie denn jetzt noch?“
„Na, ein gültiges Zertifikat. Im Sportgeschäft hat man mir …“
Die Apothekerin gibt mir das Papier zurück. „Papperlapapp. Das hier ist ein gültiges Zertifikat. Damit sind Sie lebensfähig. Mehr kann ich Ihnen auch nicht geben.“

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Die dritte Geschichte spielt in der Straßenbahn. Wegen meines Ausflugs zur Apotheke ist mir eine Bahn davongefahren, so daß ich zwanzig Minuten warten muß. Auf halber Strecke steigen zwei Männer und eine Frau in Warnwesten ein.
„Schönen guten Tag, Ihren Impfnachweis bitte!“
Okay, denke ich, dann wollen wir doch mal. Es ist das erste Mal, daß ich in eine der Stichprobenkontrollen gerate. Aber mir kann ja nichts passieren, ich habe es ja jetzt quasi amtlich, daß meine Papiere einwandfrei sind. Einer nach dem anderen zücken die Fahrgäste ihr Datengerät. Irgendwas aus Papier hat niemand dabei. Außer mir. Lässig halte ich dem Kontrolleur den Ausdruck hin. Mit der QR-Seite nach oben.
Wenn ich mich insgeheim auf eine weitere Diskussion gefreut haben sollte, werde ich enttäuscht. Ich hätte dem Kontrolleur auch den Impfpaß unseres Hauskaters vorlegen können, es wäre egal gewesen. So schnell, so oberflächlich hat noch nie jemand meinen Impfnachweis durchgewunken.
Als könnte der Kontrolleur freiäugig QR-Codes auslesen.

5 Gedanken zu „Drei kleine Geschichtchen vom Impfnachweis

  1. Diese Leute haben alle Scanner als Augen, scheint’s. Jeder hat ein Händi in der Tasche, aber von der Existenz der CovPassCheck-App hat offenbar niemand gehört. Damit könte man in Nullkommanix die Gültigkeit des Codes überprüfen und müßte nur noch … Aber: nein.
    Das einzige Geschäft, in dem das bislang bei mir geklappt hat (mit “Piep” und Ausweis), war ausgerechnet ein Fachgeschäft für Wolle und Handarbeit.

    1. So ein Impfpaß ist wohl wirklich nicht fälschungssicher. Die Dinger stammen noch aus unschuldigen Zeiten, als niemand sich hätte vorstellen können, warum man einen Impfpaß sollte fälschen wollen.

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