Scheuche

Hände wie Stuhllehnen, Haare aus Bast, Haltung einer Vogelscheuche, einer Vogelscheuche gleicht sogar der Gang, sein schwankendes (Geh ich runter, komm ich rauf?) Stehen, als hätte diese Gestalt an der Treppe auf dem Bahnsteig, einen Moment zuvor noch auf dem zugigen Feld ein mit Stroh gefülltes Gestell aus Hölzern und Lappen, eben erst gelernt, auf Menschenfüßen zu gehen. Ein Gesicht wie Schlamm, weich, zerlaufend, mit einem triefend dunklen Mund und verschmierten Kieselaugen. Er riecht nach alten Klamotten und Rauch. Seine Sprache ist noch ungelenk, die Konsonanten voller Splitter, die feuchten Vokale vom Wind, der durch Ritzen von Schuppen und Scheune fährt, abgeschliffen. Zugeflogen die Wörter, deren Verknüpfung keinen Sinn ergibt, als läse jemand Ausdrücke und Phrasen aus einem durchgemischten Satz Kühlschrankpoesie vor. Mit jedem Satz winkt er ab, als wäre sowieso alles hin, Kant, kategorischer Imperativ, alles umsonst, Freud, das Unbewußte, Hegel, hab ich auch schon gemacht, Heidegger, mehr Namen und Schlagwörter quellen aus dem Mund, begleitet von Speichelspritzern, als würden in seinem Innern Strohballen ausgewrungen. Zwischen den Wurzelfingern qualmt bei seinem Abwinken die Zigarre wie ein Weihrauchgefäß, als wolle er mich, sein auserkorenes Publikum, damit segnen.

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