Wie das Wasser jede noch so geringe Beunruhigung zur Angst verstärkt: Der Gedanke, es könnte ja gewittern, ließ mich neulich sofort zum Rucksack zurückschwimmen; dabei war gar kein Gewitter vorhergesagt; und auch nicht das geringste Anzeichen einer solchen Wetterentwicklung (regnerisch, ja, aber nicht wüst und wild) erkennbar — es reicht, den Gedanken zuzulassen, und schon verwandelt sich die zwar nicht freundliche, aber insgesamt öde-harmlose Szenerie in die Kulisse eines tödlichen Dramas. Und ist es nicht immer so mit der Angst? Man darf sie nicht zulassen, andernfalls gewinnt sie Macht über einen.
Am nächsten Tag dann fast ganz gekniffen und umgekehrt, noch bevor auch nur die Zehen naß wurden, so unfreundlich, so abweisend, so diffus-bedrohlich war die Landschaft, dieses Jahr verbreitet sie aufgrund des geringen Wasserstandes und den kahlen, von den unterschiedlichen Wasserpegeln der letzten Jahrzehnte bebänderten Uferstreifen den Charme eines Industriekanals. Es ist eine Landschaft, in der man jederzeit auf an rostigen Zäunen hangende totenkopfverzierte Warntafeln zu stoßen glaubt. Dazu regnerisch, windig, die Luft schon so fröstelig, daß jeder Gedanke ans Schwimmen Gänsehaut bekommt. Also rein, trotz allem. Es ist kalt, aber ich habe jeden Vergleich verloren, die Temperatur ist dieses Jahr zu launisch, es waren schon 24°, jetzt sind es höchstens noch 21°, doch diese Schätzung hat nichts mehr, woran sie sich orientieren kann. Immerhin einen guten Kilometer geschwommen, eingestiegen auf der Höchstener Seite, weil am gewohnten Ort die Ufer infolge des gesunkenen Wasserstands so steil sind, daß man klettern muß, diagonal rüber, dann am Lenneper Ufer bis fast gegenüber der Spitze, Querung und zurück. Sicher Einbildung: das knarrende Geräusch, das ich auf einmal unter Wasser gehört haben will; als drehte jemand am verschleierten Seegrund Radbolzen fest. Ein interessanter Gedanke an Land, läßt mir die Idee im Wasser und knapp bei Atem das schon ziemlich kühle Blut in den Adern stocken. Sehr entmutigend auch der plötzlich einsetzende Regenschauer, denn ich bin mit dem Fahrrad da, ohne Schirm, und wenn es jetzt anfängt zu schütten, brauche ich mich an Land gar nicht erst abzutrocknen. Aber der Regen hört gleich wieder auf. Ich kämpfe mich mit abwechselnd Brust und Kraul vorwärts. Am Ende noch auf den letzten hundert Metern in einen ganz neuen Rhythmus gefunden und mich mit Atmen nach nur einer Seite (mehr rechts als links) ganz behaglich gefühlt. Aber die Kälte setzt zu. Sie ist es, die die Strecke limitiert, nicht die körperliche Ausdauer. Meine gewohnten drei Beckenkilometer scheinen in dieser klammen Brühe undenkbar. Lange Zeit sehe ich nur einen weißlichen Fleck voraus. Dann, nach ein paar kräftigen Zügen Kraul liegt plötzlich der Rucksack keine zehn Meter vor mir, und es ist geschafft. Der weißliche Fleck ist ein ominöser Schaumschwamm am flachen Ufer, als hätte jemand Geschirrspülmittel ins Wasser gekippt. Mit einer Art trotzigen Hochgefühls steige ich aus dem Wasser. Ich schaffe es gerade, mich abzutrocknen, bevor es zu schütten anfängt.