Er sagt: Was ist denn das für Musik, die du da aufgelegt hast?
Sie sagt: Wir können auch andere Musik hören.
Er sagt: Nein, nein, ich wollte nur wissen, was wir da hören.
Sie: Es gefällt dir nicht.
Er: Laß es ruhig, ich wollte wirklich nur wissen, was wir da hören.
Sie: Na, du hast doch wieder diesen Blick gehabt. Dabei kreuzt sie Zeige- und Mittelfinger und deutet sich auf die Augen.
Er: Was denn für einen Blick, ich wollte nur …
Und da ist sie wieder, diese Spannung zwischen manchen (allen?) Paaren, dieser Ton, der, obwohl äußerlich frotzelnd, quasi nur die Form wahrend ins Ernste und streitbar Verhandelnspflichtige hineinreicht. Daß man als Unbeteiligter sofort das Gefühl hat, Zeuge eines Oberflächengekräusels von Auseinandersetzungen zu sein, die so schon oft zwischen den beiden ausgetragen worden sind: Und immer geht es dabei um etwas anderes als die Frage nach dem Musikgeschmack oder ob die Schwefelquellen auf Island gestunken haben oder nicht:
Sie, auf meine Frage nach dem Geruch der Schwefelquellen: Klar, das stinkt.
Er, im Brustton der Überzeugung: Die stinken nicht.
Verwirrend ist nun, daß das folgende, immer in jenem halb ernsten, halb spaßigen Ton gehaltene Gezänk mit einer Ausdauer und sacht spaßhaften Erbitterung geführt wird, als habe sie eigentlich seinen Körpergeruch, nicht den der Schwefelquellen gemeint. Etwas Persönliches. Jedenfalls scheint es ihm mindestens ebenso wichtig, daß die vulkanisch erhitzten Quellen nicht gestunken haben, wie jemandem höchstens der eigene Körpergeruch Anlaß zur Beunruhigung sein mag. Immer wieder, wir sind im Gespräch schon bei was ganz anderem, kommt er darauf zurück, fragt in eine Pause hinein, Sag mal, haben die wirklich gestunken? Findest du echt? Er buhlt darum, von ihr recht zu bekommen, man merkt ihm an, daß ihm ihr Widerspruch keine Ruhe läßt. Aber was für ein Widerspruch eigentlich? Man könnte sich doch, um eine bedrohlich auf die Lächerlichkeit zusteuernde Debatte abzuschließen, darauf einigen, daß ihre Nase eben feiner ist als seine. Daß sie empfindlicher ist als er. Oder daß sie sich in größerer Nähe zu dem Geblubber oder den Schwefeleffloreszenzen aufgehalten hat. Dann könnten beide recht behalten und, wenn es wirklich so wichtig ist, das Gesicht wahren. Es ginge dann ja wirklich nur um den Geruch irgendwelcher Vulkane. Sie suchen diese Lösung aber nicht, nicht einmal vor einem Gast, nicht einmal, um einem unbeteiligten Dritten das alberne Gezänk zu ersparen. (Ich finde es wirklich peinlich und schweige betreten.) Also muß es ihnen um etwas anderes gehen, nicht um die Vulkane und überraschenderweise auch nicht ums Rechthaben oder wenigstens den Anschein desselben. Man wird nicht schlau daraus. Und es kommt ständig vor, fast alle mir befreundeten Paare zeigen dieses Verhalten. Worum geht es?
Vielleicht, denke ich manchmal, geht es nur darum, für den Beziehungsernstfall zu üben und die Messer scharf zu halten.
Schlagwort: Paare
C.
nach den stürmen der letzten wochen endlich wieder so ein licht, das einen an den haaren packt, einem das kreuz geradestreckt und den kopf in den nacken zieht. der himmel ist so groß wie er sonst war und bietet wieder platz für vögel, baumkronen und weidende schwäne.
in einen tropfen gekrümmt findet sich alles, bis in die allerersten tage hinab. vielleicht wären wir glücklich gewesen in jenem raum, auf den alles deutet, ohne ihn benennen zu können. eine farbe gaukelt es vor, rindenstücke, mulch, warmgeäderter granit. man dreht sich um, aber es waren nur die eigenen schritte. vielleicht hätte wir gemeinsam erste um erste stunden aus der zeit gehoben, zahlreich und mächtig genug, uns mit geschichten zu nähren und in die zukunft zu tragen; hätten uns angesehen, und erstaunt übereinander gelacht und weiter fleißig neue zukünfte füreinander erfunden. oder auch nicht: mag sein, wir hätten aus der ersten stunde solange gezehrt, bis alle unsere zeit zerschlissen, dünn und endlich so durchsichtig geworden wäre, daß wir uns selbst nicht mehr darunter erkannt hätten. vielleicht wäre alles nur noch ein nachhall gewesen und unser auseinandergehen die einzige form, das schöne zu bewahren für immer. ich weiß es nicht. niemand weiß es.
der tropfen schmilzt in der morgensonne. der himmel packt mich am kragen. über den gräserdunst schweben die pferde. alles ist nachhall.
den kopf aus dem himmelsschauer nehmen, mit dem daumen die kastanien in der pfütze umrühren, eine unreife nuß zerdrücken. blinzeln, und wieder über die unerbittlichkeit der zukunft staunen.
14. Blick
Wenn er sie streichelte, nahm er manchmal ihr Gesicht zwischen seine Hände, daß sie ihre Wangen ganz umschlossen, näherte sein Antlitz dem ihren, bis sich ihre Nasen fast berührten, und sah sie an. Sein Blick schien dann etwas zu suchen. Sie sah seine Augen in winzigen Sprüngen hin und her gehen, sah seine Stirn sich in Furchen legen, als strenge ihn etwas an, und er hielt den Kopf schief, wie um einen verlorenen Gedanken wiederzufinden. Sie liebte es, wenn er sie so ansah. Manchmal erschien ein Lächeln in seinem Mundwinkel. Manchmal bewegten sich seine Lippen, als wolle er ein Liebeswort sprechen und suche nach dem einzig richtigen, dem wahren Wort für sie. Aber er sprach nichts, sah sie nur mit diesem suchenden Blick an, hielt ihr Gesicht umschlossen und schwieg. Lange verhielt er so. Dann strich er ihr mit dem Finger über die Wange. Sein Blick verzitterte, seine Lider schlossen sich. Und er küßte sie.
Später verstand sie diesen Blick. Es war ein Blick, der etwas brauchte, weil er leer war. Sein Blick suchte sich selbst.