Philemon & Baucis (Ovid, Met. VII 707-724)

„Priester zu sein, das ist unser Wunsch, euern Tempel zu hüten;
und, nachdem wir vereint des Lebens Spanne durchmessen,
daß uns vereint auch das Stündlein schlage, und ich nicht der Gattin
Grabmal erblicken muß, noch daß mich begraben muß jene.“
Wirklichkeit folgte dem Wunsch: So hüteten beide den Tempel,
Zeit ihres dauernden Lebens; bis daß sie, gebeugt schon vom Alter,
zufällig einmal standen am Fuße der heiligen Stufen,
eingedenk seiner Geschichte, und Baucis Philemon Blätter
knospen, und Philemon sah, wie Baucis mit Laub sich bedeckte.
Während die Zwillingsgesichter schon schwanden in wachsenden Kronen,
gaben sie Worte einander, solang sie noch konnten, „Ach, Lieber!“
sprachen zugleich sie „Leb wohl!“, und zugleich bedeckt die verhüllten
Lippen der Stamm: Bis heute zeigt dort der Bewohner Bithyniens
jene aus zwiefachem Leib gesproßten benachbarten Bäume.

„esse sacerdotes delubraque vestra tueri
poscimus, et quoniam concordes egimus annos,
auferat hora duos eadem, nec coniugis umquam
busta meae videam, neu sim tumulandus ab illa.“
vota fides sequitur: templi tutela fuere,
donec vita data est; annis aevoque soluti
ante gradus sacros cum starent forte locique
narrarent casus, frondere Philemona Baucis,
Baucida conspexit senior frondere Philemon.
iamque super geminos crescente cacumine vultus
mutua, dum licuit, reddebant dicta „vale“ que
„o coniunx“ dixere simul, simul abdita texit
ora frutex: ostendit adhuc Thyneius illic
incola de gemino vicinos corpore truncos.

Zur Nacht


Est prope Cimmerios longo spelunca recessu,
mons cavus, ignavi domus et penetralia Somni,
quo numquam radiis oriens mediusve cadensve
Phoebus adire potest: nebulae caligine mixtae
exhalantur humo dubiaeque crepuscula lucis.
non vigil ales ibi cristati cantibus oris
evocat Auroram, nec voce silentia rumpunt
sollicitive canes canibusve sagacior anser;
non fera, non pecudes, non moti flamine rami
humanaeve sonum reddunt convicia linguae.
muta quies habitat; saxo tamen exit ab imo
rivus aquae Lethes, per quem cum murmure labens
invitat somnos crepitantibus unda lapillis.
ante fores antri fecunda papavera florent
innumeraeque herbae, quarum de lacte soporem
Nox legit et spargit per opacas umida terras.
ianua, ne verso stridores cardine reddat,
nulla domo tota est, custos in limine nullus;
at medio torus est ebeno sublimis in antro,
plumeus, atricolor, pullo velamine tectus,
quo cubat ipse deus membris languore solutis.
hunc circa passim varias imitantia formas
Somnia vana iacent totidem, quot messis aristas,
silva gerit frondes, eiectas litus harenas.


Nah dem Kimmerischen Lande da teufen geräumige Grotten;
Hohl ist der Berg: darinnen die Heimstatt des unregen Schlafes.
Nie darf dort mit dem Licht – nicht morgens, nicht mittags, nicht abends –
Phoebus zur Tür herein. Vermischt mit Dampfschwaden steigen
Nebel vom Boden auf, und es herrscht ein unklares Zwielicht.
Niemals begrüßt dort mit schmuckem Schnabel den Anbruch des Tages
stimmgewaltig ein Hahn, nicht brechen mit Bellen und Kläffen
reizbare Hunde das Schweigen, noch, schärfer als Hunde, der Ganter.
Wild nicht und Vieh nicht und auch nicht der Wind in den Zweigen der Bäume
gibt einen Laut von sich, und erst recht nicht das Zanken von Menschen.
Lautlose Ruhe herrscht; nur im hintersten Innern des Felsens
quillt mit Gemurmel hervor Vergessen bringendes Wasser,
plätschert die Welle den Schlummer herbei mit dem Rieseln von Kieseln.
Fruchtbar blüht der Mohn vor den Toren der Höhle, und zahllos
wachsen da Arten von Kräutern, aus deren Milchsaft den Schlummer
ausliest die taufeuchte Nacht und ihn streut übers Dunkel der Länder.
Daß nicht die Tür in den drehenden Angeln qietsche beim Öffnen,
fehlt sie gleich ganz dem Haus, auch steht auf der Schwelle kein Wächter.
Doch in der schwarzdunklen Mitte, da streckt sich erhaben ein Lager,
federflaumig und schwarz, bedeckt mit den Daunen von Küken.
Dort ruht der Schlaf in Person, dort reckt er träge die Glieder.
Um ihn liegen verstreut die Bilder eitler Gesichte,
so viele Träume versammelt wie Ähren zur Ernte die Felder
tragen, wie Wälder an Laub, wie der Strand hat an Körnern des Sandes.

Ovid, Met. XI 592–615

Gruß

Haec tibi cum subeant, absim licet, omnibus annis
     ante tuos oculos, ut modo uisus, ero.
Ipse quidem certe cum sim sub cardine mundi
     qui semper liquidis altior extat aquis,
te tamen intueor, quo solo pectore possum,
     et tecum gelido saepe sub axe loquor.
Hic es et ignoras et ades celeberrimus absens
     inque Getas media iussus ab Vrbe uenis.
Redde uicem et, quoniam regio felicior ista est,
     istic me memori pectore semper habe.

Mag ich auch Jahr um Jahr fehlen – indem dir das alles zu Sinn kommt,
     werd ich vor deinem Blick stehn wie noch eben geschaut.
Sicher werd ich auch selbst, von unter der Angel des Globus,
     die übers klare Meer höher stets aufragt empor,
immer dich so anschaun wie ich’s kann: mit dem Herzen; und mit dir
     redend verbunden sein, unter der Achse, im Eis.
Ahnungslos bist du hier, bist abwesend häufiger Gast mir,
     eilst auf meinen Ruf gleich zu den Geten aus Rom.
Tu mir ein Gleiches, du, und da du im froheren Land bist,
     halte mich dort immer fest in deiner liebenden Brust.

(Ex Ponto II,10,43-52

“Wenn die Menschen ihren Schatten verlieren, wird das Leben unmenschlich. Nicht um ein Diplom zu machen, lesen wir Ovid und die anderen, sondern um unseren Schatten kennenzulernen. Kunst, große Kunst, bietet keine allgemeinen Lösungen für perönliche Probleme, sondern persönliche Lösungen für allgemeine Probleme. (Thódoris Kalliphatídis “Freunde und Liebhaber”)”

αν οι άνθρωποι ξεχάσουν τη σκιά τους, η ζωή γίνεται απάνθρωπη. Διαβάζουμε τον Οβίδιο και τους άλλους όχι για να πάρουμε ένα πτυχίο αλλά για να γνωρίσουμε τη σκίά μας. Η Τέχνη, η μεγάλη Τέχνη, δεν προσφέρει γενικές λύσεις σε προσωπικά προβλήματα, αλλά πρωσοπικές λύσεις σε γενικά προβλήματα. (Θοδωρής Καλλιφατίδης, Φίλοι και Εραστές)

Naso

Iamque opus exegi, quod nec Iovis ira nec ignis
nec poterit ferrum nec edax abolere vetustas.
cum volet, illa dies, quae nil nisi corporis huius
ius habet, incerti spatium mihi finiat aevi:
parte tamen meliore mei super alta perennis
astra ferar, nomenque erit indelebile nostrum,
quaque patet domitis Romana potentia terris,
ore legar populi, perque omnia saecula fama,
siquid habent veri vatum praesagia, vivam.

schon hab das werk ich vollendet, das Iuppiters zorn nicht noch feuer
noch kann das eisen zerhaun, noch zerstören das nagende alter.
Mag jener tag, wenn er will, der nur des sterblichen körpers
rechte besitzt, mir beenden die spanne des unsichern lebens:
ewig doch werde ich kraft meines besseren selbst über höchste
sterne gehoben sein, und mein name wird niemals verlöschen,
und, wo die römische macht auch die länder immer bezähmt hat,
werd ich gelesen vom volk, und im ruhme durch alle äonen
werde ich, ist etwas wahr an der seher ahnungen, leben.