Das einzige verbliebene Licht. Das Pilotlämpchen einer Türschelle hängt in der Nacht. Es schwebt ohne Verbindung zu stützenden Strukturen, gehalten nur von den Strängen der Dunkelheit. Ein verlorener Posten, nur noch von Pflicht und Durchhalten am Leuchten gehalten. Dauern wird es, bis sich Mauern darum herum materialisieren. Ankämpfen gegen die Traurigkeit, der letzte zu sein. Sich einbilden, man wäre der erste. Der Wind läuft eingebildeten Schritten hinterher. Hinter unsichtbaren Garagentoren sterben vielleicht Hunde.
Monat: Januar 2024
Phoebe
Der Mond, fast voll, weißlich und gequetscht, über der schwarzen Kante einer Photovoltaikanlage. Ich verringere die Belichtungszeit, bis die Narben und Schrunden des gequälten Trabanten hervortreten wie der Leib eines alten Soldaten. Ich mache mein Bild, aber was im Sucher erscheint, hat nichts mit der eisigen Wirklichkeit des Gestirns zu tun, die Silhouetten der Gebäude, über denen es steht, die Dächer, die Tiefe des Bahnsteigs, das alles versinkt in dunklen Flächen, überläßt der leuchtenden Kugel darüber die Bühne. Und dieser Himmelskörper, keine Sonne, nur zu geliehenem Leuchten imstande und gerade in diesem Leihen ein Meister, steht über dem Dach, als wolle er alle unsere Bemühungen, uns die Sonne dienstbar zu machen, verhöhnen.
Irrtum
Spätes Begreifen aufgrund der unausrottbaren Neigung, von mir auf andere zu schließen. Es trifft nicht zu, worüber ich jahrelang erst gestaunt, dann gespottet, bald schon mich geärgert habe, daß die Leute auch noch in Bus, Bahn und Zug telephonieren müssen. Mein Irrtum bestand darin, anzunehmen, es handele sich um ein Laster, dem überall, und eben auch in Räumen, wo es nicht am Platz sei, gefrönt werde; dabei ist das Gegenteil der Fall: nicht auch noch in der Bahn, nein, gerade in der Bahn wird gequasselt. Bestand doch mein Denkfehler darin, vorauszusetzen, der eigentliche Ort zum Führen von Telephongesprächen sei das eigene Zuhause, die Festnetzleitung, und sonst benutze man halt das Mobiltelephon, wenn es sich nicht vermeiden lasse und telephoniere unterwegs, wenn es bis nach Hause zu weit sei. Weit, ach, allzu weit gefehlt! Zu Hause hat man Besseres zu tun; der Ort, die Zeit, wo man in aller Ruhe seinen konversationellen Pflichten und Bedürfnissen nachgehen kann — ist unterwegs. Wo man, auch darin sieht sich meine Erwartung getäuscht, eben nichts Besseres zu tun hat. Längst scheint es ja aus der Welt, daß man diese Zeit unterwegs nutze, indem man ein Buch oder die Zeitung läse.