Das Wetter als Menschenwerk. Es zeichnet sich schon ab, daß Geoengineering der letzte Ausweg bleibt, um die Erderwärmung auf lebensverträgliche Maße zu begrenzen. Die Frage ist wohl weniger, ob wir es tun, als vielmehr, wann wir es tun. Unabsichtlich haben wir ja mit dem Geoengineering bereits angefangen, als wir uns vor ungefähr 150 Jahren daran machten, das Erdklima durch den Ausstoß von Treibhausgasen anzuheizen. Als die Physik den Treibhauseffekt von Kohlendioxid und anderen Gasen entdeckte, den Klimawandel erst für möglich hielt, dann voraussagte, endlich nachwies, glaubte man auch zunächst noch an eine durchaus positive Entwicklung, schien eine wärmere Erde und eine höhere Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre doch verbessertes Pflanzenwachstum und damit bessere Ernten zu versprechen. Wenn wir jetzt erwägen, Schwefelaerosole in die Stratosphäre auszubringen oder im All gigantische Schattenspender aufzuspannen, um die Erde wieder abzukühlen, denken wir bereits über einen zweiten Eingriff nach, der die Folgen des ersten rückgängig machen soll. Davon kann man halten, was man will — es hat jedenfalls nicht nur physikalische Folgen, sondern auch psychologische und soziale. Es wird ein für allemal unsere Auffassung vom und unsere Haltung zum Wetter verändern. Schon das Bewußtsein des menschengemachten Klimawandels macht aus dem täglichen Regen oder Sonnenschein ein Phänomen, das von menschlicher Anwesenheit kontaminiert ist, man könnte sagen, es hat seine Unschuld verloren, seine außermenschliche Neutralität. Das Wetter war gut oder schlecht, aber es war niemandes Schuld. Es gehörte keinem. Niemand war als Wetterhalter oder -Inhaber dafür verantwortlich, wenn es zu rechten Zeit regnete oder zur Unzeit schneite. Damit, mit dieser Unschuld, wäre es vorbei, sobald wir absichtsvoll ins Klima und ins Wettergeschehen eingreifen. Was erst eine neutrale Tatsache, dann eine von niemandem gewollte, beiläufige Folge gewesen ist, wird ein von Menschen und ganz konkreten, benennbaren Institutionen zu verantwortendes Geschehen werden. Wetterkatastrophen hat es schon immer gegeben, auch vor dem Beginn des anthropogenen Klimawandels. Katastrophen wie etwa Überschwemmungen, die sich ins kollektive Gedächtnis der Menschheit als Erzählung von einer Sintflut eingebrannt haben. Wer ist in Zukunft, im Zeitalter des Geoengineering, für Ereignisse verantwortlich, die nicht mehr einfach so passieren, sondern die ungewollten Folgen einer versuchten Kontrolle sind? Freilich, das Problem ist ein theoretisches und prinzipielles: das Wettersystem ist chaotisch, kein einzelnes Ereignis, sei es eine Dürre, ein Tornado oder auch nur günstiger Regen zur richtigen Zeit, kann direkt auf eine einzelne Maßnahme zurückgeführt werden. Trotzdem bleibt die Tatsache des Eingriffs bestehen, das Bewußtsein darüber, daß wir eingreifen. Und allein dieses Bewußtsein muß die Auffassung vom Wetter verändern. Das Wetter wird dann nicht mehr gegebene Tatsache sein, nie mehr. Es wird diskussionswürdig werden, zum Streitthema, zum Politikum. Denn sollte es uns gelingen, die übelsten Folgen des Klimawandels abzumildern; sollte es gar gelingen, zu vorindustriellen Temperaturen zurückzukehren: Was wäre denn dann noch normales Wetter? Selbst wenn man eines Tages glauben dürfte, es geschafft zu haben, und beschlösse, nicht mehr ins Wettergeschehen einzugreifen: die Tatsache, daß man es kann, daß man Erfolg hatte mit dem ersten und zweiten Eingriff, macht auch so aus dem Wetter eine Folge menschlicher Entschlüsse, etwas, das das Wetter nie zuvor gewesen ist. Würde man in Zukunft den Entschluß fassen, nicht mehr einzugreifen, wäre jeder Regen, jede Dürre, aber auch jeder durchschnittliche Sonnenschein die Folge eben davon: daß wir nicht eingegriffen haben. Und bliebe also: unser Entschluß. Man kann nie mehr zum Nichtwissen zurück, wenn man mal etwas in Erfahrung gebracht, nie mehr zum Nichtkönnen, wenn man mal etwas gelernt hat. Wir werden lernen, das Klima zu beherrschen und damit indirekt auch das Wetter, und wir können nicht mehr verlernen, wie man das macht. Noch schlimmer: Wir dürfen es auch nicht. Wer das Wetter meistert, ist auch verantwortlich dafür. Wir sollten das nicht akademisch finden, sondern uns jetzt schon Gedanken darüber machen, wie wir mit einem solchen Können umgehen sollen.
Es ist abzusehen, daß Geoengineering auch negative Folgen haben wird; Mißernten, Artensterben und das übliche Unbekannte. Und wie immer wird die Politik gefordert sein, für globale Gerechtigkeit zu sorgen. Es würde mich wundern, wenn es nicht längst Abwägungen zur Ethik solcher Maßnahmen gäbe.
Das Problem sind nicht die negativen Folgen, sondern überhaupt die Folgen, die dann Folgen menschlichen Handelns und seiner Irrtümer und Triebfedern sein werden.