Ja, was haben wir eigentlich geglaubt, damals, als das Internet jung war? An die reine Menschenfreundlichkeit? An den Spieltrieb des Menschen? An seine reine Freude daran, etwas zu schaffen? An die Möglichkeit, daß es ein kreatives Tun jenseits der Systeme von Leistung und Entgelt geben könnte? An die Möglichkeit, endlich ein Publikum zu finden, unabhängig von Papier, Verlag und Vertrieb? Haben wir wirklich geglaubt, all diese schönen Angebote, von Zeitungen über Kartenservices und Suchmaschinen bis zu Blogs und Videokanälen seien umsonst, weil sie nichts kosteten?
Ja, das glaubten wir wirklich. Wie konnten wir so naiv sein? Wie konnten wir unser Erstaunen darüber, daß all diese bunten Dinge einfach so zu haben waren, als wären sie vom Himmel gefallen, wie konnten wir dieses Erstaunen nur so gekonnt beiseiteschieben? Wie konnten wir den Fehler machen, unser eigenes Engagement, unsere eigene reine Schaffensfreude, unsere eigene Bereitschaft, von den Fesseln und Rahmenbedingungen des real life befreit, etwas Schönes um seiner selbst Willen ins Werk zu setzen, auch bei den Machern von Google oder WordPress zu vermuten? Jetzt wundern wir uns und reiben uns die Augen, und das schon seit einer ganzen Weile. Das letzte Wunder kann man jetzt vielleicht auf WP erleben: Die Plattform plant die Einführung sogenannter sponsored articles, das ist eine originelle Bezeichnung für parasitäre Texte, die ohne Kontroll- oder Einspruchmöglichkeit des Bloginhabers, ja ohne sein Wissen von der Plattform zwischen die Originalbeiträge gestreut werden und nichts anderes sind als Werbung im Gewand eines Blogeintrags. Man könnte auch sagen, im Pelz eines Blogartikels. Das ist ungefähr so, als gehörte zu meinem Mietvertrag, daß ich zweimal die Woche mein Wohnzimmer als Verkaufsfläche für Modeschmuck oder Händies freimachen müßte. Nur, und das ist der Punkt, daß es die Wohnung nicht umsonst gibt. (Worüber man durchaus reden könnte; schließlich sind Straßen, der Dienst von Lichtsignalanlagen, Brücken, Unterführungen, Straßenlaternen, Schulen und Universitäten, Parks und Parkbänke und vieles andere auch umsonst, bzw. durch Steuern finanziert.)
Ich habe von Anfang an nicht begriffen, wie es sein kann, daß ein bloßes Rahmenwerk wie eine Blogplattform etwas kosten solle. Schließlich tritt auch der Papierwert eines Buches gegenüber seinem kreativen Inhalt vernachlässigbar zurück. Papier und Druckmaschinen, das waren die Erfordernisse des real life, die wir, als wir anfingen, das Medium auszutesten, für überwunden glaubten. Daß Inhalte wie etwa Zeitungstexte kostenpflichtig sind, das leuchtete mir ein (umso weniger verstand ich, warum man sie – damals – umsonst bekam); was mir nicht einleuchtete, war, daß ich als Autor in der gleichen Weise der Abnehmer einer Dienstleistung sein sollte wie als Leser.
Ich möchte mich und zahllose Mitstreiter auf dieser und anderen Plattformen durchaus als Kulturschaffende, wenn nicht gar als Künstler, mithin das, was wir hier tun, als Kunst- und Kulturleistung auffassen. Was wir hier einstellen, haben wir mit Sorgfalt und einigem Schweiß gestaltet; es macht vielen Lesern Freude und ist, unabhängig davon, ob es uns selbst Spaß gemacht hat oder nicht, Arbeit*; kostet demzufolge Mühe, Konzentration, Zeit und, jawohl, Hingabe. Verlangen wir etwas dafür? Ich jedenfalls nicht. Ich schreibe gerne, und ich stelle es hier gerne unentgeltlich zum Lesen ein. Aber ich will dafür, daß ich etwas kostenlos anbiete, nicht auch noch zur Kasse gebeten werden.