Über peinliche Pannen beim Übersetzen habe ich schon ein paarmal berichtet. (Hier beispielsweise, und hier): Hier mein neuestes Fundstück. Es steht in der deutschen Übersetzung eines Romans der Niederländerin Margriet de Moor. Der Virtuose ist ein wunderbarer Roman, sprachlich höchst kunstvoll und, ohne daß viel passieren muß, von einem eigenartigen, wehmütigen Sog. Die Geschichte spielt im Neapel des achtzehnten Jahrhunderts, Pergolesi ist eben gestorben, in Venedig komponiert Vivaldi „wie der Teufel“, in London kämpft Händel mit Intrigen. Und in Neapel verliebt sich die Protagonistin Carlotta, eine junge Adelige, bis über beide Ohren in einen Kastraten. Es ist die Geschichte einer Faszination, einer Leidenschaft, es ist aber auch eine Art von Künstlerbiographie, und natürlich ist es eine Geschichte über Musik, Gesang und Oper, über Ästhetik, Kunst und das Künstliche.
Die „B-moll-Messe“ von Bach (seine Messe in H-moll) ist ja nun schon fast sprichwörtlich. In diesem Roman findet sich ein weiteres Kleinod, das seine Existenz dem Verwirrspiel national üblicher Tonbenennungen verdankt. Ein um einen Halbton vermindertes H heißt aus historischen Gründen auf deutsch B (engl. B Flat). Anders als im Niederländischen, der Originalsprache des Romans, gibt es auf Deutsch dagegen keinen Ton Bes.
Ich las einmal ein Buch, das aus dem Englischen übersetzt worden war und es ging darin um eine Personengruppe aus Westindien. Ständig wurde Westindien erwähnt, es war signifikant und irgendwann war mir klar, wie es in der Originalsprache geheißen hatte: Die Leute stammten aus den West Indies. Das ist aber nicht Westindien, sondern die Karibik. Sollte ein Übersetzer eigentlich wissen. 😉
Ein Übersetzer muß überhaupt einiges wissen; das schwierigste ist aber, zu wissen, wo man etwas noch nicht weiß. (Also die unknown unknowns) Wenn mir der Gedanke überhaupt nicht kommt, es könnte etwas mit dem Bes nicht stimmen, werd ich es auch nicht nachschlagen.
In der Tat. Aber das gilt natürlich nicht nur für Übersetzer. 😉