Diggi

Morgens aufstehen müssen gehört ja generell nicht zu den beliebtesten Beschäftigung, selbst bei mir nicht, aber vom Wecker, na, nicht einfach nur geweckt, sondern durch die Nachrichten förmlich aus dem Bett geschubst zu werden, macht die Prozedur noch einmal unbeliebter. Gänzlich verhaßt wird die Sache aber durch eine moderne Masche des Radiosenders, die Nachrichten gern mal mit einem O-Tone beginnen zu lassen, als säßen wir hier im Kino. Da überschlägt sich dann etwa ein Sportreporter vor Begeisterung über die jüngste Goldmedaille im Teebeutelweitwurf; oder ein Herr Trump knödelt seine neueste Eingebung beim Stuhlgang in die Mikrophone; oder, so geschehen gestern, eine designierte Ministerin für Digitales verkündet in fränkischem Akzent, was die FDP schon beim letzten Wahlkampf sich nicht zu schade war als „Programm“ auszugeben: Digital first, Bedenken second.

Da kann man auch gleich im Bett bleiben, wenn man so etwas schon zu früher Stunde um die Ohren gehauen kriegt. Cui bono? Digitalisierung für wen? Ich höre schon wieder meinen Lieblingssatz im Hintergrund leise mitsummen: Um den Herausforderungen der Digitalisierung besser begegnen zu können … Da wird so getan, als sei die Digitalisierung eine Naturkatastrophe, die unaufhaltsam über uns hinwegrollen wird. Da kann man sich nur noch wappnen. Nix zu machen. Zieht euch warm an.

Die Digitalisierung, die Globalisierung und so manche andere -isierung, sie alle sind Menschenwerk und von Menschen gewollt. Nicht von mir. Von Ihnen vielleicht auch nicht. Aber von genau denen, die sich was davon versprechen. Und die Macht haben, es durchzusetzen. Und wie bei jeder -isierung sollte man auch bei der Digitalisierung ganz genau hinschauen und diejenigen identifizieren, die sich etwas davon versprechen – und auch klarstellen, was man sich dort davon verspricht. (Im allgemeinen ist das nicht schwierig: Geld und Macht, natürlich)

Es gäbe sicher eine Menge zu tun für Frau Bär. Zum Beispiel den flächendeckenden Ausbau eines schnellen Internets; oder die Einzementierung der Netzneutralität. Oder gesetzliche Vorgaben für einen strengen Datenschutz. Worauf es aber eher hinauslaufen wird, darüber kann man hier und hier zu ersten Vermutungen gelangen. Mir jedenfalls graut vor dem Tag, ab dem ich meine Behördengänge nur noch mit Smartphone erledigen kann.

Es ist ein Meisterstück der Suggestion, die Zukunft als etwas aussehen zu lassen, das nicht gestaltbar ist, etwas, auf das man nur noch reagieren, das aber niemand ändern oder in andere Bahnen lenken kann. Die Zukunft beginnt heute, und sie beginnt bei jedem einzelnen. Sie wird verwirklicht mit jeder Kaufentscheidung, mit jedem Suchbegriff, mit jedem Download, mit jedem Blick aufs Schächtelchen. Sie beginnt mit einer Frage:

Will ich das überhaupt? Sollte ich nicht einfach mal den Wecker aus dem Fenster werfen und ausschlafen?

Das Rad der Zeit nicht zurückdrehen, aber es nun selbst in die Hand nehmen, lese ich hier, und genau das scheint es mir zu sein.

0 Gedanken zu „Diggi

    1. das bedeutet aber auch, daß jemand sich die Mühe gemacht hat, zum Thema eine Umfrage ins Werk zu setzen. Man könnte hier den Verdacht bekommen, man wolle austesten, ob man solche ja doch kostspieligen Beschilderungen nicht elegant abschaffen kann.

      Im übrigen bin ich der Meinung, daß Wanderer nicht dazu da sind, Schwung in eine strukturschwache Region zu bringen. Wanderer sind eben gerade nicht auf schwungvolle Infrastruktur aus, sondern suchen gerade den Mangel derselben.

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