Und da sitzen wir nun in einer Sofanische eines Eiscafés, miteinander geschlafen habend, aufgewärmt, geduscht, durchgefroren von der Promenade und verschrien von Möwen, jetzt abermals aufwärmend, zivilisierten Anscheins, aber inwendig, oh je, total verstrubbelt.
„Ich bleibe einfach hier bis morgen früh“, hast du zu Hause gesagt, als ich von der Toilette kam, und ich habe mich übers Bett gebeugt, dich geküßt und geantwortet, ja, mach das, und wir beide wußten, was wir immer wissen, daß das nicht geht. Und auch, daß solche Sätze dazugehören, lange nachklingen und trösten, wenn man sie nur von der Vorderseite anschaut.
Wir brauchen viele Vorderseiten, um uns zu trösten.
Heute scheinst du mehr davon zu brauchen als sonst, schmal siehst du aus, wie unversehens aufgewacht, wo du gar nicht sein wolltest, ein Vogel, der aus dem Nest fiel. Das beste daraus machen, so ist es immer. Das beste ist, einander unterm Tisch die Hände wärmen und einander Dinge sagen, die nur eine Seite haben, Pläne, die realisierbar, Zufluchten, die erreichbar sind, aufrufen und voreinander ausbreiten. Am Nebentisch sitzen zwei alte Frauen, eine hockt hinter ihren Brillengläsern wie eine Eule, die andere hat Parkinson, ihre braunfleckige Hand hat ein Eigenleben wie ein Kaninchen. Ein Pinscher fängt an zu bellen. Eine Espressomaschine röchelt und spuckt Dampf. Ich schaue dich an, wir sind fehl am Platz. Wir sind nirgends zu Hause, wir kommen nirgendwo an. Wir reden, aber der ganze Raum scheint mitzuhören. Wir fassen uns bei den Händen, es ist heimlich. Wir schauen uns an und sind nicht allein. Vorhin, in meiner Wohnung, habe ich dir einen Pullover angeboten, Extrasocken, du wolltest nicht, du wolltest in mein Bett, mit mir. Aufladen, haben wir das vor ein paar Tagen genannt, es ist manchmal das einzige, das hilft, und in diesem Moment, innerlich zerzaust, eins den Geschmack des andern noch unter der Zunge, vor dem Tisch, unter dem sich die Hände halten, inmitten Geklirrs von Geschirr und Gekläffs zweier Hunde, im Geruch überhitzen Speisefetts, ist jenes Bett, jener Ort zum Aufladen, Aufatmen, Aufwärmen und Aufleuchten so weit weg wie der Mond. Es ist warm in dem Café, Licht strömt in Wintersträußen herein, aber ich sehe, daß du frierst, und kein Pullover kann dieses Gefühl vertreiben. Deine Augen frieren, dein Blick.
Kurze Zeit später schaue ich wieder einmal einem Zug nach. Ich winke in die frostige Luft, in der das Licht keinen Halt findet, denke, daß du mich schon gar nicht mehr sehen kannst, winke weiter, und von all den schönen Sätzen, die wir uns gesagt haben, sind wieder nur die Rückseiten übrig.
Trauriges Tier, traurige Seele… Was es wohl ist, was auf hinter der Vorderseite hemmt…
Sie haben natürlich recht, Sätze haben Vorder- und Rückseiten … Wahrscheinlich gibt es eine glückliche Sorte Menschen, die jeden Satz nach Belieben drehen kann. (So traurig das hier ist: schön ist es doch.)
Meisterhaft.