Hubschrauber über der Stadt. Kreisen, schweben auf der Stelle, kreisen weiter. Verbreiten eine Anmutung von Raubvögeln. Das Geräusch ist natürlich nervtötend; weniger störend als vielmehr beunruhigend ist das Zeichen von Macht. Keine Demonstration von Macht, das hat die Macht nicht nötig, die echte nicht. Es ist das, was sich von ihr beiläufig zeigt, wenn sie waltet. Behörden, Apparate, Staatsorgane. Ich werde schon nervös, wenn sie wieder an der Luxemburger Straße stehen, im Bus, mit Helmen und Kampfanzügen, und einzelne Fahrzeuge rauspicken. Verkehrskontrollen sind das nicht, so viel steht fest.
Einmal flogen einen ganzen Abend lang Helikopter über mein Stadtviertel, hin und her, in Richtung Wald, wo sie verschwanden, von dort wieder herannahend zurück nach dem Fluß, alle fünf Minuten ein Fluggerät, bis weit nach Einbruch der Dunkelheit ging das so. Unterdessen drehte ich meine Runde im Wald. Unweit eines von Stacheldraht geschützten, mitten im Forst liegenden Gebäudes unklaren Zwecks tauchten plötzlich Lichter auf dem von mächtigen Reifen zerfurchten Waldweg auf. Mehrere Fahrzeuge standen dort an einer Kreuzung, mit ihrer Breite den gesamten Weg einnehmend. Aufgeblendete Scheinwerfer, zuckendes Gelblicht, dazwischen die Schemen von Menschen, im Herannahen deutlich werdend: Uniformen, Helme, Kopfhörer, eine riesige Antenne, Konsolen, laufende Motoren, und über den Baumwipfeln immerfort das Knattern der Rotorblätter, das ich schon den ganzen Abend gehört hatte. Ich drückte mich vorbei, sie ließen mich. Ich schreibe das mit Absicht: Sie ließen mich.
Die Macht manifestiert sich, sie wird sichtbar. Sie erscheint auf der Folie einer Wirklichkeit, die sie, die Macht, formen und benennen und damit definieren kann. Wer ein Gefährder, was ein Gefährder, was ein Störer, ein unwillkommenes Subjekt ist, definiert die Macht. Wer harmlos ist, definiert die Macht, oder sie läßt das absichtlich offen. Die Macht legt den Rahmen fest, innerhalb dessen ein Handeln unauffällig ist. Sie kann diesen Rahmen jederzeit ändern. War das unauffällig, bei Einbruch der Dunkelheit durch den Wald zu laufen? Natürlich darf man das. Aber glaube ich auch, daß ich es darf?
Gleichzeitig bleibt ihre Intervention, ihr Sichtbarwerden, in den Absichten undurchschaubar. Die Macht zeigt sich als Macht, nicht unbedingt als Absicht. Darin gibt sie sich das Wesen einer göttlichen Erscheinung. Der Hubschrauber, der Einsatzwagen tritt in Erscheinung als Zeichen, aber nicht als Offenbarung. Der Hubschrauber ist das Handeln selbst, dessen Urheber verborgen bleibt. Eine Faust ohne Gesicht, ein Schlag ohne Faust.
Überwachungskameras. Einsatzwagen. Helikopter. Absperrbänder. Knackende Funkgeräte. Man sieht das Zeichen, aber das Zeichen schaut nicht zurück.
Eine andere Art von Machtentfaltung fiel mir gestern auf dem Weg zum Kino auf: die der Konzerne, die ihre Macht in der Architektur ihrer Firmensitze zur Schau stellen. Versailles ist Pipifax dagegen. Ich will noch etwas dazu bloggen, bin aber heute zu müde.
Die Macht hat viele Spielarten und Zeichen. Ich bin gespannt auf Ihren Beitrag!
Es reichte dann nur zu einer Erwähnung im Maxim-Eintrag.
Darüber, über den Effekt vom Beobachtetwerden, machen sich auch andere Gedanken; und höchste Zeit ist es.