Sie tanzen.
Drüben tanzen sie.
Ich stehe am Fenster in der eiskalten Luft. Die Straßenlaterne überstrahlt alle Sterne, aber man riecht den freien, schwarzen Himmel, es riecht, wie nur eine eisige Winternacht ohne Schnee riechen kann. Noch keine acht Uhr, und die Scheiben der geparkten Autos belegen sich schon mir Reif, und beschlagen ist auch der ins Zimmer ragende Fensterflügel. Licht fällt zu meinen Füßen in den Vorgarten, auf welke Geranienklumpen, veredelt durch Rauhreif. Die Straßen sind leer, niemand geht bei dieser Witterung ohne Not raus.
Aber irgendwo ist doch Musik? Das kommt doch von draußen, es klingt, als spielte jemand einen Popsong vom Mobiltelephon ab und sänge dazu, hohe Stimmen, Jugendliche, Mädchen, drüben auf der Bank an der Kreuzung vielleicht? Oder kommt es näher? Nein. Es muß ganz nahe sein, irgendwo in der Straße, aber wo …?
Im Haus gegenüber sind mehrere Fenster erhellt. Da ist die Familie mit kleinen Kindern, man sieht durch die Vorhänge ins Wohnzimmer. Rechts ein Arbeitszimmer, scheint es. Und dann ist da dieses Fenster im ersten Stock. Schummeriges Licht herrscht in dem Raum. Die Wände sind kahl, die Lichtquelle nicht zu sehen. Das Fenster ist gekippt, und von dort kommt die Musik, kommt das gedämpfte Singen. Dann sehe ich jemanden hüpfen. Und noch einen. Der Leuchtfleck eines Smartphones zuckt durch den Raum.
Sie tanzen. Sie springen und tanzen. Es müssen fast noch Kinder sein, die Bewegungen sind voller Übermut, ohne das Gespreizte von Teenagern zu haben, ohne das Gefallenwollen, die da tanzen, gleichen eher tobenden Kindern als pubertären Feiernden. Und doch ist es kein Toben, diese jungen Leute tanzen wirklich. ausgelassen, hüpfend (immer wieder fliegt jemand aus der Tiefe des Raums ins Bild und verschwindet wieder, als spielten sie Fangen), voller Elastizität und Wildheit, Leute, denen niemand zuschaut, und die deshalb alles wagen. Deshalb das gekippte Fenster, wer so tanzt, wer so alles gibt, dem wird schnell warm.
Eine Party ist es auch nicht, denn dazu ist es zu früh, die Musik zu leise, die Tänzer zu wenige. Für eine Party, überhaupt für etwas Geplantes, ist das alles nicht ernst genug. Es scheint wirklich so zu sein, daß sich hier ein paar Freunde getroffen und spontan in Tanz gefallen sind. Einfach so, weil die Musik so schön ist, weil die Beine jung sind, und, klar, weil das Leben viel zu wundervoll ist, um mit trüben Gedanken am Fenster zu stehen und andern beim Tanzen zuzuschauen.
Es muß ja auch Nicht-Tänzer geben.
(Ein schöner Text.)
Tolle Taenzer!!!
Liebe Gruesse
Monika