Stellen Sie sich einmal vor, es würde ein Gesetz erlassen, das Frauen verbietet, im öffentlichen Raum ihre Brust zu verhüllen. Die Verhüllung der Brust, so die Begründung, geschehe unter Zwang, sei ein Symbol von Unterwerfung unter den Mann und mit den Freiheitsrechten von Frauen generell nicht vereinbar. Schließlich dürften Männer jederzeit ihre Brust zeigen, Frauen nicht. Der Einwand, eine solche Entblößung verletze das Schamgefühl der Betroffenen, wird mit dem Hinweis abgetan, daß eine Frau sich schäme, ihre Brust zu zeigen, beweise doch nur, wie schlimm Frauen bereits indoktriniert seien, wie sehr sie den fremden Zwang bereits als ihren eigenen empfänden. Dem Einwand, daß eine solche Entblößung zu sexueller Belästigung geradezu einlade, wird mit dem Argument begegnet, erstens sei die Brust sowieso nur ein Fetisch unserer Gesellschaft, und zweitens liege ein solcher Einwand genau auf der Linie fragwürdiger Empfehlungen an Frauen, sich zum Schutz vor Belästigung lieber nicht allzu aufreizend anzuziehen.
Wenn Sie das jetzt für absurd halten, dann haben Sie vollkommen recht. Aber dann müssen Sie auch das Verschleierungsverbot für muslimische Frauen für absurd halten. Was für Kleidung wir tragen, hängt bekanntlich nicht nur davon ab, wie das Wetter ist, und auch die persönlichen Vorlieben spielen nur eine untergeordnete Rolle. Viel stärker bestimmen die langfristigen oder kurzlebigen Modeerscheinungen darüber, in welchen Textilien wir uns nicht nur vor Witterung, Insektenstichen oder Pflanzendornen sicher, sondern auch schön und gut gekleidet und darum hinsichtlich unseres Auftretens in der Öffentlichkeit sicher fühlen. Deshalb, weil wir uns in den falschen Klamotten unwohl fühlen und in gar keinen Klamotten erst recht, hat Kleidung immer auch mit Scham zu tun, sowie mit Einschluß oder Ausschluß. Auch die Verschleierung von Musliminnen hat etwas damit zu tun: mit dem Wunsch nach sozialer Akzeptanz innerhalb der eigenen Gruppe. Mit dem schwer faßbaren Gefühl, ordentlich angezogen zu sein – oder sich widrigenfalls zu schämen. Man kennt Männer, die sich ohne Krawatte in der Öffentlichkeit unwohl, ja in gewisser Weise nackt fühlen. Ich denke, das läßt sich leicht auf aller Arten Verschleierung übertragen. (Man lese hierzu den sehr erhellenden Roman Schneevon Orhan Pamuk, in dem es unter anderem um die widersprüchlichen Gefühle von Menschen geht, die sich einem Kleidungsverbot gegenübersehen und in eine Zwickmühle einander widersprechender Gebote und Bedürfnisse geraten.) Schließlich ist ein Verbot, etwas zu verhüllen, immer äquivalent mit dem Gebot, etwas zu zeigen.
Das gilt es zu bedenken, bevor man über den Verbot einer Verhüllung nachdenkt. Und da oft mit dem Begriff von Freiheit und Unterdrückung argumentiert wird, sollte man sich auch fragen, wie frei wir, die wir überlegen, ein solches Verbot zu erlassen, wirklich sind, wenn wir morgens den Kleiderschrank öffnen. Und ob wir wirklich das große Wort von Unterdrückung in den Mund nehmen wollen, wenn wir einer Arbeit nachgehen, in der Anzugs- und Krawattenpflicht herrscht. Natürlich wird man bei dem Gedankenexperiment mit dem Busenverhüllungsverbot einwenden, Brüste seien schließlich ein Geschlechtsmerkmal, und die würden überall verhüllt. Warum aber dürfen Männer dann Bärte zur Schau stellen? Die sind schließlich auch ein Geschlechtsmerkmal.
Sind Sie denn frei? Ja? Sind Sie beispielsweise, wenn Sie männlich sind, frei, einen Rock zu tragen? Wirklich? Oder, wenn Sie weiblich sind, nach Art der Minoerinnen so auf die Straße zu gehen:
Oder sind Sie beispielsweise frei, sich, in einen Anzug wie einer dieser Herren hier gekleidet, in die Straßenbahn oder eine Eisdiele zu setzen?
Niemand ist frei, vergessen Sie das. Frauen nicht, Männer nicht, Sie nicht und ich auch nicht. Befreit werden müssen wir deshalb trotzdem nicht. Deshalb sollten wir uns auch nicht anmaßen, andere befreien zu wollen, womöglich gegen deren Willen. Freiheit kann man nicht verordnen, man kann sie nur anbieten. Oder, um es mit Erich Fried zu sagen: Freiheit herrscht nicht.
Darf ich diesen Artikel rebloggen? Das trifft meine Gedanken exakt!
Na klar. Das ist das Netz!
Danke!
Sehr treffend und wahr, vielen Dank für diese freien und wichtigen Worte.
Einer der gescheitesten Kommentare zum Thema. Danke.
Ich möchte noch anfügen: Daß wir bloße Symbolpolitik betreiben und Hautflächen vermessen, wo es angezeigt wäre, unsere Gesellschaft neu und vielleicht besser zu ordnen, ist ein Jammer.
Vieles wäre gewonnen, wenn die Dinge einmal sauber voneinander geschieden würden. So landen Gesichtsschleier, Islamismus, Vorbehalte gegen Zuwanderung, Angst vor dem Terror, Frauenrechte, Geschlechterunterdrückung und Integrationsgeschwafel auf einem einzigen großen Haufen mit dem Schild “Burka” drauf. Sauber zu unterscheiden finge schon mal damit an, die verschiedenen Kopf- und Gesichtsbedeckungen bei ihrem Namen zu nennen und auseinanderzuhalten. Ferner, Sie sagen es, das Symbol von dem, wofür es steht, zu trennen.
Sehr interessanter Artikel mit sehr viel wahren Worten. Danke
Wie Sie sich privat anziehen stört mich überhaupt nicht. Aber spätestens wenn Sie als Polizistin, Richterin oder Lehrerin auftreten hab ich gewaltig etwas dagegen. Wenn eine deutsche Frau sich in Riad im Bikini auf die Straße wagt gibt es Peitschenhiebe. Ein bißchen Verständnis erwarte ich für unsere christliche Bundesrepublik auch!
Ein Argument wird nicht dadurch besser, daß es ständig wiederholt wird. Der Verweis auf die Sitten in sogenannten arabischen Ländern (von Ihnen durch das Schlagwort „Riad“ exemplifiziert) ermüdet allmählich. Aber ich bin ja geduldig und wiederhole, was darauf zu erwidern ist, gern solange, bis es auch wirklich alle verstanden haben.
Erstens: Die Peitschenhiebe für Bikiniträgerinnen in Riad und das Tragen eines Kopftuchs in Deutschland stehen in keinerlei Beziehung zueinander. Wenn Sie das Kopftuch in Deutschland verbieten, werden die Frauen von Riad dadurch nicht freier. (Und warum wollen Sie überhaupt in Riad im Bikini auf die Straße?)
Zweitens: Einen Bikini zu tragen ist kein Ausdruck einer religiösen oder weltanschaulichen Haltung.
Drittens: Was wir für unsere Gesellschaft für richtig halten, darf nicht abhängig sein davon, was andernorts für richtig gehalten wird – sondern alleine von Argumenten in einer demokratisch geführten Auseinandersetzung und Entscheidungsfindung. Es ist falsch, auf Unfreiheit andernorts mit Zwang hierzulande zu antworten. Es ist falsch, Unfreiheit hier durch Unfreiheit dort zu rechtfertigen. Oder Unrecht hier mit Unrecht dort. Und insbesondere ist es falsch, sich hierzulande intolerante Haltungen zu eigen zu machen, weil irgendwo anders auf der Welt ja auch keine Toleranz gepflegt wird. Man muß tun, was man aus Gründen für richtig hält, ganz gleich, ob sich andere auch daran halten oder nicht. Wenn die Menschen in Riad klauen wie die Raben, bedeutet das nicht, daß wir das hier dann auch dürfen.
Viertens: Was für Schlüsse würden Sie denn für uns hier in Deutschland daraus ziehen, wenn in Riad junge Männer zur Homosexualität gezwungen würden?
Fünftens: Ich verstehe das Sentiment („die halten sich ja auch nicht dran, also müssen wir uns auch nicht dran halten“ oder „warum müssen immer wir tolerant sein, die andern sind es ja auch nicht!“), halte es aber für reflexhaft und, mit Verlaub, dämlich. Gefühle sind generell kein guter Ratgeber. Wenn alle anderen Verkehrsteilnehmer die Geschwindigkeitsbegrenzung mißachten, dann verstehe ich zwar die Versuchung, sich selbst auch nicht daran gebunden zu fühlen. Es ist aber trotzdem ziemlich bescheuert, dann auch selbst zu rasen, nur weil es alle anderen tun. Denn vielleicht hat die Beschränkung ja einen guten Grund? Ebenso gilt: Wenn wir hier freie Religionsausübung für richtig halten, dann ist es völlig unerheblich, ob das für den Gesetzgeber in Riad auch gilt.
Fünftens: Was öffentlich Ämter etc. angeht: Wenn Sie das Tragen religiöser Symbole dort verbieten, dann müssen Sie dort auch Kreuzkettchen, Ichthys-Symbole auf Kleidung oder Taschen, Schmuck mit Heiligen, Rucksäcke mit dem Logo des Kirchentages, Abreißkalender mit Bibelsprüchen etc. verbieten. Was für die eine Religion gilt, muß für alle anderen auch gelten.
BAYERISCHES ERZIEHUNGS- UND UNTERRICHTSGESETZ
Art. 1 Bildungs- und Erziehungsauftrag
3 Oberste Bildungsziele sind +++Ehrfurcht vor Gott+++ (Anmerkung: Damit ist der Gott der Bibel (JHWH) gemeint, nicht Allah!), Achtung vor religiöser Überzeugung, vor der Würde des Menschen und vor der Gleichberechtigung von Männern und Frauen, Selbstbeherrschung,
Verantwortungsgefühl und Verantwortungsfreudigkeit,Hilfsbereitschaft, Aufgeschlossenheit für alles Wahre, Gute und Schöne und Verantwortungsbewusstsein für Natur und Umwelt.
(2) 1 In den Volksschulen werden die Schülerinnen und Schüler nach den gemeinsamen Grundsätzen der ***christlichen Bekenntnisse*** unterrichtet und erzogen. 2 In Klassen mit Schülerinnen und Schülern
gleichen Bekenntnisses wird darüber hinaus den besonderen Grundsätzen dieses Bekenntnisses
Rechnung getragen.
(3) 1 Angesichts der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns ***wird in jedem Klassenraum ein Kreuz angebracht.***
2 Damit kommt der Wille zum Ausdruck, die obersten Bildungsziele der Verfassung ***auf der Grundlage christlicher und abendländischer
Werte *** unter Wahrung der Glaubensfreiheit zu
verwirklichen.
Es gilt war grundsätzlich Religionsfreiheit. Es hindert Sie auch niemand an der Ausübung Ihrer Religion da Sie Ihre Gebete am Abend nachholen können. Dennoch sind wir ein christliches Land. Dies kommt im Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz sehr gut zum Ausdruck!
Ein Blick in die Heilige Schrift sagt:
“In keinem andern ist das Heil, auch ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben darin wir sollen selig werden”
Apostelgeschichte Kapitel 4, Vers 12
(gemeint ist der Name Jesus Christus)
VERFASSUNG DES FREISTAATS BAYERN
Art. 107 (4) (4) Die Zulassung zu den öffentlichen Ämtern ist von dem religiösen Bekenntnis unabhängig.