neujahr. und du fehlst.
im wäschekorb vom letzten
jahr liegt dein schlüpfer
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tief in der wäsche
verborgene koralle
mit dem herz aus salz
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der stoff kennt dich wie
ich dich nie kennen werde
neid auf baumwolle
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hochgefischt vom grund
kühles rätsel deiner haut
geruch von neuschnee
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gleich der ehemals
leuchtenden alge am grund
trüb jetzt an der luft
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nachtragend wie die
vergilbte notiz für ein
geplatztes treffen
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nach dem waschtag, nachts
steht der wäscheschrank schlaflos.
ins schloß späht der mond
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nicht um die seide
ist es schade, reifte doch
im innern die frucht
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so weiß wie eine
frisch verschlossene wunde
zarter damm vorm blut
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vergessen im korb
was dich umhüllte, bewohnt
jetzt eine spinne
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die nase im stoff
weniger als ein zeichen
das nichts von dir weiß
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fluch dem gewebe
bringts mich doch dem gestern nicht
näher oder dir
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wohnt da noch ein geist? —
küß ich zärtlich den stoff, bin
ich selbst das gespenst
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schmerzlich die einsicht
im leeren stück wäsche bist
du noch mehr nicht da
Das macht mich fertig, dass Sie fähig sind, ein Liebesgedicht über einen Schlüpfer zu schreiben!
Wieso? Ist denn ein Schlüpfer, zumal der eines geliebten Menschen, nicht ein hochpoetischer Gegenstand?
Ich meinte das als Kompliment. Die Fähigkeit, die Poesie eines Schlüpfers zu erkennen, ist schon etwas Besonderes.
Ich schließe mich unbedingt der Trippmadam an: Lyrisches über einen Schlüpfer, das nicht ins Klamaukhafte oder Lächerliche abdriftet, kriegt nicht jeder zustande. Vielen Dank für diesen besonders schönen Beitrag zum Kleider-machen-Leute-Projekt!
(Der Herr Solminore schreibt sowieso die schönsten Texte zu Frau Venus. Auch wenn er das vermutlich nicht gern hört.)
Sie nun wieder. So traurig das ist, soviel Schönheit haben Sie ihm verliehen.
seufz. Ich denke da an ganz bestimmte Momente.
Ein feiner Text, feinsinnig und humorvoll zugleich.
Zum immer wieder lesen schön.