Einmal habe ich eine vollkommene Stille gehört.
Nicht die beängstigende, hohle Stille in einer nächtlichen Straße, nicht das klaustrophobische Gefühl im Innern eines Tonstudios, auch nicht das von ständigem leisen Summen, Wispern, Brummen und Rauschen fernumrandete Schweigen einer Großstadt um drei Uhr morgens. Sondern eine Stille, die alle Geräusche ein für allemal gelassen aufgegeben hatte. Ich war aufgwacht, auf Toilette gegangen, und bevor ich mich wieder hinlegte, gab ich einem Sog nach, der mich ans Fenster führte, wo ich fröstelnd blieb, voller Entzücken lauschend. Noch nie hatte ich so etwas vernommen. So wenig, so intensiv: nichts. Das Schweigen nahm jedes Lauschen entgegen, und anstatt es wieder zum Lauschenden zurückzustoßen und jene wattierte Beklemmung des Abgeschottetseins auszulösen, die von schalldichten Räumen, aber auch von Ohrenstöpseln hervorgerufen wird, führte jenes nächtliche, in einem Eifeldorf am Waldrand eingezogene und nun, man kann es nicht anders sagen, waltende Schweigen die Wahrnehmung hinaus und spazieren, indem es den Raum und seine Weite über den Hügeln hörbar machte, ließ dem Ohr Raum und Freiheit und schenkte das müdgewordene Hören in Myriaden Verästelungen sich selbst und ihm die Freiheit zurück.
So wie es war, schien dieses Schweigen unverletzlich, jedes etwaige Geräusch der Nacht – eine raschelnde Maus, ein fallendes Blatt, ein knackender Zweig – hätte es nur in seiner Vollkommenheit, in seiner Tiefe gestärkt, indem es darin aufgegangen und verschwunden wäre wie ein Tropfen in einem See. Aber es gab kein Geräusch. Es gab nur das Schweigen, dicht und elastisch wie Wassertiefe.
Nur im Nahen und Allernächsten nisteten winzige Geräusche. Ein Lufthauch zog den Gardinensaum übers Fensterbrett. Ein Strömchen verwirbelte am gekippten Fenster. Meine bloßen Füße rieben über die Teppichfasern. Und die Laken raschelten, als ich fröstelnd und beglückt wieder in Bett schlüpfte. Über diesem kleinen Kreis freundlicher Geräusche, die ich selbst hervorbrachte, über diesem behaglichen Innenraum, wachte draußen die große Stille, indem sie den Körper, meine Atemzüge, die flüsternden Gedanken und endlich den Schlaf umschloß wie ein mir eben zuteil gewordener Segen.
ja. wenn du in der natur übernachtest, im wald zum beispiel, ist sie auch auf einmal da. diese stille.
ein segen. ja.
danke für diesen stillen text!
Im Wald ist es manchmal gar nicht so still; aber jedes Geräusch dort ist umsäumt von Stille, jedes Knacken, jedes Rascheln von überscharfer Qualität. Ich mag besonders den Moment, wenn die Vögel einer nach dem andern verstummen, die Tagesgeräusche verebben und Ruhe einkehrt zwischen den Bäumen. Es ist dann, als lausche der Wald zurück.
so nehme ich das auch wahr! danke.