Zeile für Zeile dagegen anschreiben. Gegen die Pflicht, einen Morgen zu haben, gegen die Vögel, gegen die Zahl der Stunden; noch das Licht abzuschaffen suchen mit Rede und Schrift. Worauf treten und stehen, was würde sonst halten, wenn nicht die Worte, über die man geht wie über brüchiges Eis. Überall sind die Haarrisse zu sehen. Der Abgrund schaut durch, die Finsternis. Die Straßen wissen alle viel zu genau, wohin. Sie summen, sie laufen. Laufen. Ich wende mich ab, ins Dunkle der Hinterhöfe dieses Morgens, zu Flaschengeklirr und dem Tasten von Spinnen. Kellerasseln sind meine lustige Gesellschaft, mit ihren Augen voll Vergessen. Zeile um Zeile etwas gegen diesen Morgen setzen, der mir meine Erinnerungen aufzählt. Diese Stunden und Tage. der Versuch scheitert, tagtäglich, ihnen etwas von ihrer Selbstverständlichkeit zu nehmen, dieser Augenblicke, die sich ständig selbst behaupten und in denen ich, ohne daß ich es will, mich festkralle, während das Licht, dieses glatte und schlüpfrige Licht, mich immer wieder abschütteln will.
Monat: April 2013
Zum Abend
Wieder und wieder die Traurigkeit des Abends, wie die Stimmen sich verlieren, die Farben zerbrechen und absterben, wie die Blüten an sich selbst krank werden, die Straßen an die Häuser branden, in Unfrieden auseinandergehen. Da ist wieder der Drang, vor dir selbst wegzulaufen. Ein umgekehrter Horizont, ein nach außen gerichteter Sog, zentripetal aus der Mitte weg. Wohin? Weg. Nichts, was du schauen könntest, könntest du schauen ohne einer zu sein, der schaut. Wer immer das wäre, du würdest ich zu ihm sagen. Du kannst dir nicht entkommen, lauf, wie du willst. Es gibt kein Meer für dich, keine Insel, keinen Strom. Es wird nur immer und immer wieder einen Abend geben, der dich enthält und doch nein zu dir sagt.
Kimmt a Vogerl geflogen
29.4.13
An diesem ersten Morgen ist der Himmel wie ein aufgeschlagenes Buch. Zum Reinschreiben blank. Wartend auf Zeichen. Von Vögeln verlassen. Die Horizonte sind der Nacht verrutscht, nun bringt sie das Licht wieder in Ordnung. Und um die Reihen der Hügel aufgespannt diese unberührte, blankgewischte Schale. Ein abnehmender Mond treibt haltlos darin. Leer, frei, zu groß: Als traute sich niemand als erster auf die Tanzfläche.
Wind im Busch (und ein Röschen)
Flechten
Heimat unter Strom
Wenn ich an meine Heimat denke, fallen mir als erstes die Stromleitungen ein. Es ist ein Land der Strommasten und Oberleitungen gewesen. Zahlreicher als Bäume, spannten sie sich durch alle Blicke, summte in ihnen der Wind, hing der Horizont an ihnen fest wie an einer Drachenschnur. Riesen aus Stahl hielten ihre Arme den Staren hin und knisterten bei Nebel überm Feld. Nach Westen verglühten abends die Schnüre und brannten sich in Netzhaut und Schlaf. Der Himmel hing voll schwingenden Drahts. Gegliedert in Rauten und Bahnen,ließ er sich halten von zirpendem Stahl. Morgens zogen Drähte die blaue Welle der Berge aus dem Rand der Ebene hinauf, ordneten Kabelläufe die Grenzen und Furchen der Äcker und richteten die Straßen und Feldwege nach ihnen aus, hielten die Güterzüge auf der Spur, striegelten und zwangen selbst noch die Schwärme der Krähen zur Formation. Von einem Ende der Felder zum anderen warfen sie Anker, hielten die Äcker zusammen, glätteten und hinderten die Ebenen am Auseinanderbrechen. Wasser störte sie nicht, gelassen widerstanden sie dem Strom von Kanälen und Bächen. Selbst in den Pfützen ließen sie Bruchstücke ihrer Ordnungen sehen. Im Sommer brannten ihre Schatten Striemen auf den Weg. Im Herbst kämmten sie Regen aus den Wolken. Dem Auge buchstabierten sie die Räume vor und die Weiten.
Aus der Nachhilfevermittlung
“Suche latain ab sofort.”
Mmmmmh, ich glaube, das wird höchste Zeit.