Schnee

Buchsbaum und Weißdorn ziehen
ihre Schlingen um die Gehöfte zu.

Die Eichen haben ihre Netze ausgeworfen.
Rabe um Rabe fischen sie aus dem Horizont.

Äcker brennen weiße Furchen
in den Blick. Vor den Schlittenkufen
laufen alle Wege davon.

In den Kohleaugen des Schneemanns
baut sich der Abend ein Nest.

Wenn die Kinder fort sind,
zieht sich der Wetterhahn
leise den Himmel über den Kopf.

Bis zu den Wimpern
steigt der Schnee.
Wenn es ganz dunkel ist,
wird es warm sein
hinter den Lidern.

Widertonmoos

wo man vom widertonmoos spricht,
vor wonne frieren.

die ferne nach ihren farben
befragen über der einsamen lärche.

mit klammen lippen
atemwegen folgen, im

glücksgefröstel das hemd
hochschieben, ganz

über alle wipfel, daß
warme haut bis zum rhein reicht.

zwischen strom und stromern die wege
in küssen messen und die küsse danach
wie weit sie wohl tragen

(je süßer desto weniger)

Catull V (L. küssen)

VIVAMUS mea Lesbia, atque amemus,
rumoresque senum seueriorum
omnes unius aestimemus assis!
soles occidere et redire possunt:
nobis cum semel occidit breuis lux,
nox est perpetua una dormienda.
da mi basia mille, deinde centum,
dein mille altera, dein secunda centum,
deinde usque altera mille, deinde centum.
dein, cum milia multa fecerimus,
conturbabimus illa, ne sciamus,
aut ne quis malus inuidere possit,
cum tantum sciat esse basiorum.

Wir wollen, Lesbia, leben und uns lieben,
und mißgünstiges Reden strenger Greise
soll uns nach Herzenslust gestohlen bleiben.
Allein die Sonne sinkt und steigt doch wieder:
Wenn unser kurzes Lebenslicht gesunken,
so schlafen wir in Finsternis für immer.
Oh, gib mir tausend Küsse, danach hundert,
darauf ein zweites Tausend, nochmal hundert,
und sogar nochmal tausend, nochmals hundert.
Und dann, nach abertausend Abertausend,
verzähl’n wir uns, damit wir’s selbst nicht wissen,
und keiner sie uns übelwollend neide,
die Küsse, wenn er weiß, wieviel es waren.