Silben

So ein Name, drei Silben, nicht lang, nicht kurz, lang genug, weit genug, daß eine ganze Kindheit darin zu Wort und Klang kommen konnte, Mi und Le und Na, solche Silben, lächelnde, ernste, stirnrunzelnde, plappernde Mädchenseelensilben. Mi und Jan, Jan und Le, Na und Jan, mit Mi in einem Schneehaus gesessen, mit Le ein Eis geteilt, und Na hat Vanillestriemen auf ihrer Zunge gehabt, und Mi will mit ihm Küssen üben hinter einer Scheune, und Le hockt mit ihm kichernd unter einem Tisch, an dem ringsum viele Gäste sitzen, mit Na gemeinsam krank gewesen, mit Mi die Windpocken gehabt, Le auf die Toilette begleitet und dort erstaunliches gesehen, und Na, die letzte Silbe, das Ausschwingen und ins Verstummen Laufende ihres Namens, Na, hat ihn nicht ins Auto steigen lassen wollen, in den Wagen, der ihn forttragen würde von ihr, von allen ihren runden, rollenden, Lippen und Zunge zu schöner Bewegung zwingenden Silben, einem Namen, einer Kindheit: Mi, Le, Na, Milena.

Die Schneehäuser sind abgeschmolzen, die Windpocken überstanden. Aber damals ist er ins Auto gestiegen, und später, am Abend, in der Wohnung in der Stadt, da hat er geweint und es nicht fassen können, daß er am Morgen, in einer anderen Welt, ins Auto gestiegen ist. Daß nun Milenas Hier zu seinem Dort und ihr Dort zu seinem Hier geworden ist, und wie das aueinanderfällt, und daß die Zeit vergeht und man nicht zurückkann in ihr, und man darin Dinge tut und getan hat, die man später nicht getan haben will. Das ängstigt ihn und peinigt ihn, und die Mutter kann ihn nicht trösten: Die Mutter, die er wegen Milenas ausgebreiteter Arme gefragt hat, und die es ihm erklärte, Sie wollte nicht, daß du fährst. Sie wollte nicht, und dann ist er aber gefahren. Und er wollte doch auch nicht. Oder wollte er? Und jetzt lag er im Bett, untröstlich, und weinte, daß er hier und nicht Dort war, in Milenas unerreichbarem Hier.

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