Eine Stunde

einmal bin ich nachts wachgeworden und konnte nicht wieder einschlafen. ich habe licht gemacht, eine rolle kekse geöffnet und gelesen. es war weder tag noch nacht, obwohl es stockfinster war hinter den scheiben, in denen ich mich verschwommen spiegelte: als gäbs gar kein draußen mehr. die uhr zeigte irgend eine zeit an, das radio hätte mir sicher ein datum verraten, doch war es noch nicht heute und nicht mehr gestern. ich saß im kreis der lampe, gekuschelt in decken, und außer mir, meinem zimmer, den süßen keksen und der verschlungenen geschichte im buch gab es nichts, gar nichts mehr. die finsternis war nicht mehr das dunkel der nacht; es war das fehlen von allem. ich saß in einer zeitkapsel und schwebte der unendlichkeit davon. stahl ihr, während sie nicht aufpaßte, eine stunde. das war schön da und ganz still, in meinem kokon aus geklauter zeit.

doch beim erwachen anderntags blieb diese stunde in ihrer bestimmung unklar, wie es mit gestohlenen dingen eben geht, sie haben ihre eigene geschichte. losgelöst aus dem strom und den übrigen stunden abhanden gekommen, der wachen wie der schlafenden, lebt diese herausgenommene zeit zwischen schlaf und schlaf nur für sich, hat keinen anker und keinen halt. ich weiß nicht, wann das war. es gab diese stunde; und doch hat es sie nie gegeben. irgendwann war die kekspackung leer; ich bin dann zähneputzen gegangen, habe das licht ausgemacht und bin sofort eingeschlafen. später, am andern tag, nach dem wirklichen erwachen, kamen die zweifel. war nicht alles ein traum gewesen? ich schlug das buch auf: das lesezeichen hatte sich nicht weiterbewegt. und doch wußte ich genau, wieviele seiten ich gelesen hatte, konnte sogar den letzten satz angeben. und die kekse waren verschwunden, die leere packung unauffindbar. war ich das gewesen? hatte ich überhaupt kekse im hause gehabt? oder hat ein anderer diese wache stunde an meiner statt erlebt? woher kommt dann aber meine erinnerung, und an welche zeit ist die eigentlich?

ich habe dann die entsprechenden seiten noch einmal gelesen. um sicherzugehen.