Irritierende Feststellung: Die durchschnittliche Phasendauer zwischen zwei Sprecherwechseln bei mobil Telephonierenden deckt sich ziemlich genau mit der Zeitspanne, die ich beim Lesen brauche, um nach einer Störung wieder in den Fluß des zuletzt abgebrochenen Satzes zu kommen. Im Klartext: Kaum habe ich mich konzentriert, plappert der Idiot da drüben weiter und bringt mich wieder raus:
… des jeder individuellen Existenz baren Protozoons, das ich war, abmalte, darin aufblitzen sah: die Herzogin, die Göttin, die damit zur Frau wurde, und mir mit einem Male noch tausendmal schöner erschien, hob die weißbehandschuhte Hand, die sie auf die Logenbrüstung gestützt hatte, und winkte mir zum Zeichen der Bekanntschaft damit zu; meine Blicke wurden von einem gedankenlos strahlenden Feuer …
Ja, Hallööööchen, wie geht’s dir denn, ich dachte ich melde mich mal wieder bei dir.
…. meine Blicke wurden von einem gedankenlos strahlenden Feuer aus den Au– …
Ich bin gezz im Bus. Bin inner halben Stunde da. Na, weißt ja wie dat is …
… meine Blicke wurden von einem gedankenlos strahlenden Feuer aus den Augen der Pr— …
Neee, die Natalie is nich mehr mitm Leon zusammen. Wie dat weißte nicht? Hasse nix von gehört?
… meine Blicke wurden von einem gedankenlos strahlenden Leon aus den Augen Natalies …
Also paß auf, dat muß ich dir gezz ganz ausföhrlich erzähln, also paß man auf: ….
… meine Blicke wurden trübe und …
Etc. ad nauseam. Es ist dabei keineswegs mildernd, wenn die Quasselstrippe eine Stimme hat wie Herr von Bödefeld. Ein weiteres merkwürdiges Zusammentreffen läßt mich immer in der Näher solcher Telephonierer sitzen, die mindestens so weit zu fahren haben wie ich. Das nervt bereits nach einer Minute. Fünfundvierzig Minuten neben Herrn von Bödefeld, und man bemerkt in sich ein leise aufkeimendes Verständnis für Amokläufer.
Noch ein Gesetz der Mobiltelephonie: Je weniger zu sagen ist, desto lauter wird es getan: Wo bisch du grad? WOOO? UFFM FESCHD?
(Aber bei Ihnen liest sich so etwas doch, nunja, hübsch.)
do keendsch uff’em gaul defuuh!
Ja, schlimm, diese “Sitte”, in der Öffentlichkeit – und laut – zu telefonieren und andere mit seinen privaten Belanglosigkeiten zu belästigen.