No. 14

Neulich habe ich die Klaviersonate op. 27 Nr 2 in cis-Moll gespielt. Den ersten Satz, Adagio sostenuto, auf einem Instrument mit riesigen, nußbraunen Tasten. Konfliktrhythmus, zwei gegen drei, ich mußte mich sehr konzentrieren, das richtig hinzukriegen, und war entzückt, als es mir endlich gelang, die sanfte Verschiebung ganz zart, delicatissimamente, und noch exakt klingen zu lassen, punktiert zumal.

Quasi una Fantasia: Es war im Traum. Aufgewacht bin ich dann ins Verschweben dieser Achtelnoten hinauf, kein Mond, die Sonne schien, und es war Sommer. Gut fing das an, so ein Tag, so ein adagio losschreitender Morgen.

Splatterkino

„Nicht aber diesem Schlag, wie ihn führt mit Gewalt meine Rechte,
solcherart nicht, daß du wehrst, bin ich Wirker von Waffe und Wunde.“
Sprachs. Und richtet sich auf mit hoch erhobener Klinge
und in der Mitte die Stirn mit dem Eisen zwischen den Schläfen
spaltet er ihm und in klaffender Wunde die bartlosen Wangen.
Laut tönt es da, wie die Erde gewaltig erbebt vom Gewichte,
da er kracht nieder. Den Leib und die hirnverschmierte Bewaffnung
wirft er im Tode zum Grund, und in gleich großen Teilen
beiderseits rechts und links der Kopf ihm hängt von den Schultern.

„at non hoc telum, mea quod ui dextera uersat,
effugies, neque enim is teli nec uulneris auctor“:
sic ait, et sublatum alte consurgit in ensem
et mediam ferro gemina inter tempora frontem
diuidit impubisque immani uulnere malas.
fit sonus, ingenti concussa est pondere tellus;
conlapsos artus atque arma cruenta cerebro
sternit humi moriens, atque illi partibus aequis
huc caput atque illuc umero ex utroque pependit.

Vergil Aen. IX, 747-755

Alpenschatten

Auch wenn man nicht hinschaut, ist ihr Schatten nah. Immerzu drückt ihre ins Diesseits gestemmte Last auf die Augenlider. Zu jeder Stunde, nachts, in Räumen, im Schatten von Wänden und Wipfeln greift ihr Gewicht noch aus, um an Stirn und Schläfen zu zerren. Alle Kreuzungen zeigen darauf, alles, was steigt und fällt. Jeder Surz kommt von ihnen hergerollt, jeder Vogelflug nimmt von dort seinen Ursprung. Sie sind die Fünfte Himmelsrichtung, die alle Winde der Rose beherrscht. Siehst du sie an, füllen sie dir das Blickfeld ganz. Schaust du woanders hin, bleiben sie im Augenwinkel stehen. Aufmerksam, greise Riesen, die Gedanken voller Gewölk. Sie rollen die Wege, rollen morgens die Teppiche aus, ziehen am Abend Pfad um steinigen Pfad wieder ein. Bis alle Richtungen im blanken Fels zum Ende kommen. Verschließen die Lüfte mit dornigen Tälerschatten. Abermals Unzugängliche, laufen ihre schwebenden Steige nachts nach Wolkenart. Dann erheben sich Lichter aus dem Grund. Strenge Augen vor Pforten, hängen sie über jedem Grund und lassen die schwarze Ferne zittern von Spalten und Schluchten. Die Bäume neigen sich zum Sturz. Der Schlaf rollt sich zusammen unter ihrem Dach. Die Zeit sieht ihnen beim Wachsen zu.

Hinweis für Allergiker

Es heißt übrigens nicht *die (pl.) Pollen, sondern der (sg.) Pollen. Hieße es die Pollen, was wäre dann der Singular, ein Poll? Eine Polle? Pollen ist ein Massennomen wie Sand oder Kies und besteht — so wie Sand aus Sandkörnern und Kies aus Kieseln besteht — aus vielen mikroskopisch kleinen Pollenkörnern. Ein Pollenkorn repräsentiert die haploide Generation beim Generationswechsel der Pflanzen, ist also der (männliche) Gametophyt. Der weibliche Gametophyt heißt Embryosack, verbleibt auf der Mutterpflanze und ist allergologisch wie linguistisch unbedenklich.