Das Kölner Urteil zur Beschneidung von Knaben verweist auf die prinzipielle Frage, ob Kinder vor den religiösen Ansichten ihrer Eltern zu schützen sind.
Ist es in Ordnung, wenn Eltern ihren Kindern weismachen, die Welt sei in sieben Tagen erschaffen worden und wer etwas anderes behaupte (“nur eine Theorie”) sei des Teufels? Vielleicht. Immerhin haben wir ja die Schulpflicht, um das wieder geradezubiegen. Ist es in Ordnung, das eigene Kind in komische Klamotten zu stecken, so daß es in der Schule zum Gespött der Mitschüler wird? Warum nicht, ein bißchen Anderssein stärkt den Charakter, könnte man sagen. Ist es in Ordnung, einem Kind von kleinauf einzureden, es sei sündig und schlecht und müsse bereuen, andernfalls es in die Hölle komme? Winken wir’s zähneknirschend durch. Gibt ja Therapeuten, die können das im Notfall wieder geradebügeln. Ist es in Ordnung, einem Knaben ein physiologisch entbehrliches Hautläppchen am Dödel wegzuschnippeln? Anästhesie und Wundpflege vorausgesetzt, na gut, wenn auch mit schwerem Seufzer. Ist es in Ordnung, einem Mädchen die Klitoris zu entfernen und es seiner sexuellen Genußfähigkeit zu berauben? Nicht mal unter Narkose, da ist man sich einig. Und ist es schließlich in Ordnung, einem Kind die überlebensnotwendige Blutkonserve vorzuenthalten, auf daß seine Seele nicht zugrunde gehe?
Irgendwo auf diesem Kontinuum verläuft die Grenze dafür, was Kindern an religiösem Brauchtum zugemutet werden darf und was nicht. Das Kölner Urteil könnte diese Grenze jetzt neu abgesteckt haben.

Beim Laufen

Der Asphalt blubbert, darüber schleppen die Tiere sich dahin, Krallen im Karamell. Staub und Kletten striegeln das Fell. Schnauzen suchen nach ihresgleichen. Irgendwo gehört ein Mensch dazu. Unklar, wer hier wen zieht, der Mensch den Hund oder der Hund den Menschen. Schweben von Schemen, wegauf und wegab, Schiffe und Segel. Die Hecken stehn im Dunst, beschämt über den Gestank von Kot, der an ihren Wurzeln hockt. Hammerschläge lassen ein Echo hinter sich fallen, mit Mühe schlägt es die Wand zurück. Die Farben hadern mit dem Licht. Sie halten es nicht, sie warten auf die Hand der Schatten, während die Sonne sich um den Kirchturm krümmt. Ein Eselskopf schaut über die Hecke, die Augen voller Fliegen. Durst, und rote Wangen, wie ausgespuckte Bonbons, Lippen unter der Nase, und wieder Durst, nach Dunkelheit. Ein Spaten ist in der Erde festgewachsen. Wohin auch immer, die Schatten sind stets noch ein paar Schritte weiter weg. Die Hitze ist ein Haar, das auf der bitteren Stirn klebt. Sie schneidet unter den Fingernagel, sie hält Wache am Bett der Liebenden, sie schläft ein in der geschmolzenen Vanille im Abfalleimer. Die Mauersegler fliehen zu den Horizonten der Wolken. Die Wege sind beladen mit Rainen, die sich aufrollen, um sich im Dunst zu verlieren. Dort versacken alle Richtungen. Laufen, nirgendwohin, bis die Sonne Mauern baut und sich der Schweiß in Käfer verwandelt. Der Wald zerkratzt den Blick. Häute wachsen zwischen den Fingern. Prüfungen des Rauchs, unter der Zunge singt Salz, die Plastiktüten quietschen bei jedem Schritt. Einzig frisch bleiben die Autos mit ihrem messerscharfen Lack, ihre Motoren heulen unwirsch über so viel Trägheit auf zwei Beinen.