Costa Concordia

Wie er da liegt, dieser Koloß, riesig, gestrandet, hilflos, aber nicht ohne Gefahr, nicht ohne Harm. Ein Wirklichkeit gewordener Albtraum. Ein Schiff, kein Flugzeug, aber dieser Eindruck des Abgleitens ins Katastrophale, der zeitlupenhaft gestreckte Sturz, Verlust jeder Steuerung, das ist dasselbe wie in zahllos gräßlichen Träumen, in denen Flugzeuge knapp über Grund ins Schlingern geraten, oder plötzlich, eine Kette von Rauchwolken hinter sich lassend, hinter einem leuchtenden Horizont verschwinden und, außerhalb der geträumten Sichtweite aber trotzdem ganz gewiß, irgendwo, an einem Ort des Grauens, der ganz nah ist, zu Boden gehen und zerschellen oder etwas noch Schlimmeres, etwas Unaussprechliches anrichten. Das Riesenhafte ist auch diesen Traumbildern immer zu eigen, im Absturz, in ihrer Hilf- und Steuerlosigkeit stellen diese schlingernden Flugzeuge immer eine Gefahr für den noch so weit entfernten, niemals unbeteiligten Beobachter dar, sind sie bedrohlich und böse durch den Verlust der Kontrolle über die gewaltigen Maschinenkräfte in ihnen, die, jetzt steuerlos geworden, ihr Werk ins Zerstörerische weiterführen. Niemand entgeht, jeder ist betroffen. Aber das Zerstörungswerk steht in diesen Träumen immer nur unmittelbar bevor. Im Augenblick des Traums bahnt sich das nur gerade an, stimmt etwas nicht, stimmt auf ganz entsetzliche Weise nicht, läuft aus dem Ruder, ist schon aus dem Ruder gelaufen. Ein Stolpern im Gang der Welt, ein Riß, der durch die Gesamtheit all dessen geht, was als normal und vertraut bekannt ist. Läßt sich nicht mehr abwenden, das Zerstörungswerk nicht, der Untergang. Ist noch nicht passiert, wird aber passieren, unabwendbar. Steht auf dieser Schwelle des Untergangs, kippend, sich zur Seite neigend, ein eben begonnender Sturz, der sich unaufhaltsam fortsetzen wird, bis zum Ende.
Der größte Schrecken aber liegt in der zwar von Menschen entworfenen, im Augenblick des Versagens aber alles Menschenmaß übersteigenden Riesenhaftigkeit der Maschine.
Und jetzt, dieses Schiff. Wie es da turmhoch liegt, daß es die Sonne weithin verdunkelt. Wie sich sein Schatten übers Meer breitet, ein Loch, das die Wellen einsaugt ins Nichts der Katastrophe. Und wie diese im Vordergrund des Bildes doch recht mächtigen Wellen gegen den Rumpf des Wracks zu immer kleiner und kleiner, wie sie winzig und bedeutungslos werden vor der aufragenden Stahlwand. Und durch das Spiel von Größe und Perspektive diese Stahlwand mitsamt den Aufbauten, den gekippten, in der Schieflage noch immenser scheinenden Schornsteinen, ins korrekte und damit falsche Maß setzen. Denn da stimmt nichts mehr, was die Bezeichnung Maß verdiente. Und so, vor der Folie dieser Träume, scheint dieser gekippte Riese, diese gestürzte Stadt, die letzte Katastrophe erst noch bereitzuhalten. Sie bislang nur angekündigt zu haben.