Bauradio

Hammerschläge, Kiesgeprassel, Motorengeräusche, in Ordnung, ich sehe ein, es geht nicht anders, wenn man ein Haus bauen will (und sei es auch nur Wohncontainer). Aber bei der Musik hört es auf, Radio muß nicht sein, Eins Live ist vermeidbarer Lärm. Man kann auch ohne zusätzliche Radiobeschallung hämmern und sägen. Schlimm genug, daß das Bauen nicht geräuschlos geht — aber muß man es mit Vorsatz noch schlimmer machen? Ich meine, die Baufritzen machen es ja sogar an, damit man was hört! Dabei vergessen sie, daß sie nicht die einzigen sind, die es hören: Lärm ist auf eine ziemlich fiese Art demokratisch.

Was ich nicht begreife ist dann folgendes. Ich habe jetzt, um das Geplärre nicht hören zu müssen, mich selbst mit Musik versorgt. Es ist eine Auswahl meiner Lieblingsstücke, und doch, wie soll ich sagen, hab ich es nach zwei Stunden satt. Nicht, weil es immer dieselben Stücke sind, bis jetzt hat sich noch gar nichts wiederholt, nein, ich bin einfach müde, ja, erschöpft, die Töne fallen mir zur Last, ich bin ganz einfach voll, habe mich sattgehört. Nicht noch was Süßes? Nein! Und jetzt frage ich mich: Die Bauarbeiter da draußen, wie halten die das Gedudel acht Stunden aus? Irgendwann muß doch auch mal Schluß sein. Oder lernt man das auf dem Bau? So wie man lernt, sich nicht auf den Daumen zu hauen? Aber wenn man das erst lernen muß – wär’s nicht besser, einfach kein Radio zu hören?
“Ach, wir hören da gar nicht mehr hin.”
“Warum machen Sie’s dann nicht aus?”

Warum machen sie’s überhaupt an?

0 Gedanken zu „Bauradio

  1. man muss viel leiden, um so etwas schreiben zu können, und dann kommt eine daher, und liest es und findet es toll. Dafür könnte sie sich schlecht fühlen.
    Aber das Ackerland, deine Heimat auf Bildern hier in deinem Album: Das ist auch meine Heimat. Dunkel sind sie. Lange war ich nicht mehr dort. Du hast sie so eingefangen, als wärest du dort nicht immer zuhause gewesen.

  2. Das scheinbare Verschwinden der Sprache beschäftigt mich auch. Ich denke aber nicht, dass es ganz so hoffnungslos ist, wie Sie meinen. War es nicht vielmehr schon lange (schon immer?) so, dass sich der Großteil „der Jungen“ nicht für „das Alte“ interessierte und das auch später niemals tat? Wenn man unter Seinesgleichen in den Elfenbeinhallen wandelt, vergisst man das leicht. Ich vermute, dass es in jeder Generation einige geben wird, die, wenn auch das Sprachspiel im Alltag oft ungespielt bleibt, zumindest seine Regeln kennen. Es sind vielleicht nicht viele – aber waren es früher mehr? Vielleicht sind die Schüler, die mit trachten und Jacques Offenbach vertraut sind, eben jene, die keine Lateinnachhilfe nehmen.

  3. Bei zwei Menschen, die dieselbe Sprache sprechen, fallen kleine kulturelle Unterschied umso stärker auf. Man fremdelt schon, wenn man eine geringere Bildung bemerkt oder einen anderen Dialekt hört, weil man eine andere Erwartung hat. Bei einem Gespräche mit einem Ausländer verfolgt Kommunikation ein anderes Ziel und der gemeinsame Wortschatz ist eng begrenzt. In einer fremden Stadt, wenn du den Weg wissen willst, fragst du nicht nach Homer oder einer Ouvertüre. Es ist doch ganz natürlich: Je größer dein Spezialwissen ist, umso weniger Menschen werden dir auf “deinem” Gebiet auf Augenhöhe begegnen. Das war sicher schon immer so und ist kein besonderes Merkmal unserer Zeit.

  4. gut geschrieben.. wie immer, eigentlich.
    ich kann glaube ich nachvollziehen, warum dich das ganze so betruebt. meine eigene haltung dazu – und sprache ist mir ja auch nicht unwichtig – ist eher hinnehmend. ich sehe ueberall unterschiede, staendig veraendert sich alles moegliche, und ich kann mich meistens nicht mal mit ‘meiner’ generation verstaendigen. immer wieder komme ich darauf zurueck, dass ‘kommunikation unwahrscheinlich ist’. von daher kann ich auch immer besser (!) mit diesen schwierigkeiten leben.

    in einer anderen diskussion hier hatten wir es mal davon, dass du immer noch nach einer person suchst, die dich vollkommen versteht. erinnerst du dich? ich glaube, wenn man nach vollkommenem verstaendnis / verstaendlichkeit sucht, wird man zwangslaeufig enttaeuscht. ich finde die vielfalt der welt faszinierend. natuerlich messe ich den ‘klassischen werken’ nicht soviel bedeutung bei wie du, und auch ohne viel bildung kann ich prima leben. das ist bei dir anders, wie wir schon festgestellt haben..

    was jeweils fuer selbstverstaendlich gehalten wird, aendert sich staendig. auch heute sind immer noch genauso viele (wuerde ich behaupten) dinge selbstverstaendlich (zb dass domains meist englische namen haben und dass auch die neue fingerabdrucktechnologie, wie sie derzeit schon begeistert von laptopusern in den staaten aufgenommen wird, nichts beaengstigendes mehr an sich hat). wir richten uns, denke ich, alle in unserer welt ein, mehr oder weniger, und deine welt scheint dir eben sehr vertraut und gut erschlossen. ich selber habe das auch manchmal, dass ich ein wissen voraussetze, bloss weil ich eben schon lange damit gelebt habe. aber meine reaktion ist anders, wenn ich dann auf das gegenteil stosse: ich finde es sehr erleichternd, dass man in anderen disziplinen noch nie was von philosoph xy gehoert hat. es gibt eben, meine position, nur wenig manifeste probleme. die meisten entstehen innerhalb von diskursen, disziplinen. wechselt man den tellerrand, loesen sich die probleme auf. und ich selber merke gerade in solchen momenten, was mich wirklich mit anderen menschen verbindet.

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