Seneca Ep. II, 1, 3–5

Nimm trotzdem, wenn du magst, eine Hilfe an, mit der du dich wappnen kannst. Die Dinge, mein Lucilius, die uns Angst einjagen, sind zahlreicher als die, welche uns wirklich zusetzen, und oft quälen wir uns nicht der Tatsachen wegen, sondern aus bloßem Glauben. Ich spreche jetzt nicht zu dir mit der Stimme des Stoikers, sondern einer milderen; wir sagen ja, daß alles, was uns Stöhnen und Seufzen hervorruft, in Wahrheit leicht sei und verachtenswert. Lassen wir diese großen aber, ihr guten Götter!, wahren Worte einmal beiseite: Ich lege Dir nahe, dich nicht vor der Zeit zu grämen, da doch das, was du als bevorstehend fürchtest, vielleicht niemals eintreten wird, ganz sicher aber noch nicht eingetreten ist. Manches quält uns also mehr als nötig, manches quält uns früher als nötig, und manches quält uns ganz unnötigerweise; wir vergrößern den Schmerz oder nehmen ihn vorweg oder bilden ihn uns ein.

Tamen, si tibi videtur, accipe a me auxilia quibus munire te possis. [4] Plura sunt, Lucili, quae nos terrent quam quae premunt, et saepius opinione quam re laboramus. Non loquor tecum Stoica lingua, sed hac summissiore; nos enim dicimus omnia ista quae gemitus mugitusque exprimunt levia esse et contemnenda. Omittamus haec magna verba, sed, di boni, vera: illud tibi praecipio, ne sis miser ante tempus, cum illa quae velut imminentia expavisti fortasse numquam ventura sint, certe non venerint. [5] Quaedam ergo nos magis torquent quam debent, quaedam ante torquent quam debent, quaedam torquent cum omnino non debeant; aut augemus dolorem aut praecipimus aut fingimus.