Ich weiß nicht, ob ich den Mut aufbringe, The Time Traveller’s Wife weiterzulesen. Das passiert mir immer öfter, daß ich es nicht schaffe, weil mich eine geradezu animistische Angst befällt, als erschüfe ich das Schicksal der Figuren der Geschichte, indem ich sie lese. Schrecklich. Gleichzeitig schiebe ich ihr Schicksal, das ja feststeht (– oder?) nur auf, indem ich das Buch nicht mehr anrühre. Ihr Schicksal erscheint mir umso trauriger, weil es ja wahr ist; auf jene entsetzliche, unausweichliche Weise wahr, wie es nur Geschichten sein können.
Es gibt für mich die verschiedensten Gruende, ein Buch nicht weiter– bzw. fertigzulesen. Ich habe jedoch noch nie versucht, mich in die Verfasserin oder den Verfasser waehrend des Schreibakts hineinzuversetzen. Das wuerde ja auch bedeuten, ich waere prinzipiell in der Lage, einen gleichartigen Text zu verfassen; ich wuerde irgendwann einmal einen gleichartigen Impuls bekommen haben, mir ueber solche Figuren Gedanken zu machen etc. Letzten Endes hiesse es, ich haette das bisherige Leben des Verfasserin bzw. des Verfassers leben koennen.
Ok, und nun zu Ihnen als Schoepfer der Figuren des Buches, das Sie gerade lesen. Mitschoepfer sind Sie ohne Zweifel, indem Sie den toten Buchstaben Ihr Gehirn zur Verfuegung stellen, Ihre Nervenbahnen, Ihre Gedaechtnis etc. Dem koennen Sie nicht entkommen. Es muesste Ihnen jedoch naturgemaess weder tragisch vorkommen noch Angst machen etc.
Und: „Schicksal“! Klar, wenn Sie nicht weiterlesen, bleibt das Schicksal der Figuren unvollendet, jedenfalls fuer Sie. Zugleich haben Sie aber die Moeglichkeit, die die Figuren nicht haben, sich naemlich jederzeit neue Handlungsstraenge auszudenken, die ihnen ein trauriges Los ersparen. Sie waeren sowohl die unerbittliche hoehere Macht als auch derjenige, der es den Figuren gestattet, ihr Schicksal zu aendern.
Fazit: Lesen Sie nicht weiter, lassen Sie Ihre Phantasie und Erfahrung Schicksal spielen! Erschaffen Sie glueckliche Figuren!
Bonne chance! Audrii