Umziehen

Da bin ich also. Vor dem Fenster ein neuer Hof, und die Pappeln dahinter, riesenhaft schwarz und ruhig, geben noch nichts preis, sind noch, wie sie sind, bei sich, unverwandelt. Das merkwürdige ist: Bald werden es nicht mehr einfach nur Pappeln sein, bald werden es die Pappeln sein, täglich geschaute Bäume, in die man hineinträumt (ohne sie zu sehen), von denen man sich seufzend abwendet, die man in einem heiteren Moment anstaunt, wenn der Wind im Sommer (dem nächsten), ihre Blätter silbrig wird umschlagen lassen, mit jenem Rauschen, das nur alleinstehende Pappeln zustande bringen, und das immer ein wenig nach Regen und Meer klingt; oder Bäume, die Bäume, in deren nebelgelben letzten Blättern man die Kindheitsstimme des Herbstes für Augenblicke wiederfinden wird.

Schon jetzt ist ihr schwarzes Rauschen durchs geschlossene Fenster zu hören.

Wie zur Anprobe nun also die erste Nacht. Von den Balkonreihen gegenüber dringt ein Band Fensterlicht, das die Büsche unten in dunklen Rauch aufgehen läßt. Auf den Dächern der geparkten Autos schimmert es leise. Vollmond. Es ist keineswegs ruhig, aber die Geräusche sind andere, sind als Wohngeräusch fremd, aber sonst vertraut, Autoverkehr freitagabends, das Anrauschen und Wiederverklingen von Reifen und Motor. Fernes Hintergrundsgebrumm. Anonyme Geräusche einer Stadt, die lebendig ist, keine Störung, kein Lärm, nur ein sanftes Lärmen. Es erinnert mich an Erstnächte und Erstmorgen in einem Hotel inmitten einer fremden Stadt, in einem fernen Land. So klingt es in den Hauptstädten griechischer Inseln, so braust es nachts in Rom, Athen, Barcelona und anderswo, so braust es nach tagelanger Zugfahrt, ganz gleich, wo man ankommt. Das ist schön. Ankommen ist schrecklich. Angekommensein ist schön.

Es ist merkwürdig, sich vorzustellen, daß dies alles einmal vertraut sein wird, vom Schlüsselgeräusch über den Geruch bis hinein in die feinsten Druck- und Widerständswahrnehmungen von Tür, Fenster, Wasserhahn, vertraut bis zum Nicht-mehr-Wahrnehmen. Wie wird es sein, heimzukommen (ja, hier ist jetzt zuhause) zu Kaffee und Erholung nach dem Arbeitstag und alles so vorzufinden, wie es immer war – als wäre es immer schon so gewesen?