Als ich kürzlich ich in einem Dritte-Welt-Laden, der politisch korrekt jetzt „Eine-Welt-Laden“, oder knapp einfach nur „Weltladen“ heißt, fair gehandeltem Espressokaffee erstand, äußerte ich (ahnungslos) der Mitarbeiterin gegenüber mein Bedauern, daß zwar im Supermarkt schon seit langem fair gehandelter Filterkaffee, leider aber nicht der von mir sehr geschätzte Espressokaffee angeboten werde. Woraufhin mich die Mitarbeiterin etwas säuerlich anlächelte und erwiderte, es müsse ja auch irgend etwas geben, das nur in Weltläden zu haben sei, andernfalls solche Läden ja überflüssig wären.
Wie bitte?
Prüfen wir doch mal die Konsequenzen dieser leichtfertig hingeworfenen Bemerkung. Die Mitarbeiterin des Ladens wünscht sich für diesen und ähnliche Läden eine Art von Exklusivität, einen Unterschied, ein Merkmal, das ihn von anderen Geschäften, Supermärkten etc. unterscheidet: Einen Wettbewerbsvorteil. Fragen wir nun nach der Art dieses Wettbewerbsvorteils. Was verkauft ein Weltladen? Fair gehandelte Produkte aus ungerecht behandelten Ländern der Erde. Worin unterscheidet sich der Kaffee im Weltladen vom Kaffee im Supermarkt? Durch den Umstand, daß er nicht unter ausbeuterischen Umständen produziert wurde; er ist etwas teurer, weil beispielsweise bei seiner Produktion akzeptable Löhne bezahlt wurden. Worin liegt also der Mehrwert? Doch wohl darin, daß dieser Kaffee, im Gegensatz zum Supermarktkaffee, sich einem gerechten, eben „fairen“ Handeln verdankt. Was die Weltläden demnach verkaufen, ist: Gerechtigkeit. Oder einen Unterschied in der Gerechtigkeit. Dieser Unterschied ist ihr Wettbewerbsvorteil gegenüber Supermärkten, die in diesem Sinne „ungerecht“ sind, weil sie Produkte anbieten, die ihren niedrigen Preis einer Ungerechtigkeit verdanken.
Fair gehandelte Produkte sind also nach Meinung dieser Mitarbeiterin ein Gut, daß es im Weltladen gibt, und auch nur dort geben sollte, damit der Weltladen überlebt und weiter – Gerechtigkeit verkaufen kann? Nun ist aber Gerechtigkeit kein relatives Gut wie Aroma, Ergiebigkeit, Koffeingehalt undsoweiter, sondern ein absoluter Wert, der nicht verhandelbar und also auch nicht handelbar ist. Welche Absicht steht denn hinter den Weltläden und Fairhandelsgenossenschaften? Doch wohl eine gerechtere Art des Handelns und im weitesten Sinne eine bessere, weil gerechtere, Welt. Gäbe es in einer Welt, die den Betreibern und Gründern von Weltläden, Fairhandelsmarken etc. vorschwebt, noch Bedarf an einem Weltladen, an Fairhandelsmarken etc.? Die Antwort ist nein. Es gäbe dann nämlich überall „gerechte“ Produkte, weil es überhaupt nur noch „gerechte“ Produkte gäbe.
Die Aussage der Mitarbeiterin kann aber so umformuliert werden: „Es soll andernorts Ungerechtigkeit herrschen, damit wir weiter Gerechtigkeit verkaufen können.“
Und noch schärfer:
„Es muß andernorts ungerecht zugehen, damit wir weiter dafür sorgen können, daß es gerechter zugeht.“
Aha, ich verstehe: Nur in einer Welt der Ungerechtigkeit können Weltläden sich durch die Fairneß ihrer Produkte auszeichnen – und daran arbeiten, daß die Welt gerechter wird. Freilich nicht so gerecht, daß es Weltläden nicht mehr geben müßte. Die Welt muß schon ungerecht bleiben, damit sie gerechter werden kann. Wer das für widersprüchlich hält, könnte recht haben.