Pasta

Während die Milchbauern lautstark krähen, ihr Untergang stehe unmittelbar bevor, die Milch überall anfängt, sauer zu werden und die Supermärkte so tun, als könnten sie sich vor Lieferungen nicht retten, finden die wirklich unerhörten und umwälzenden, die tatsächlich einschneidenden (auf eine Weise einschneidend, die die Welt ein für allemal ein Stück voranbringt) Veränderungen unkommentiert, unbeschrieen und unbemerkt von der großen Öffentlichkeit statt. Dabei ist es doch mal wieder so offensichtlich, was hier läuft.

Was ist die Differenz von 55 und 39? – 16. Wieviel Prozent von 39 sind 16? – 41. So viel beträgt die Preissteigerung der billigsten zu habenden Packung italienischer Pasta (und Pasta überhaupt). Die kostete nämlich in schönem Einvernehmen der Discounter bislang 39 Cent (nachdem sie viele Jahre schon einmal 25 gekostet hatte – wie schnell man sich an die 39 gewöhnt hat!) und seit zwei Wochen, schwuppdiwupp! 55. Und natürlich ziehen alle, aber alle, nach. Wohin man schaut, nicht 40, nicht 45, nicht 54, nein genau 55 Cent für die billigste Pasta, landauflandab. Es sind sich mal wieder alle einig, und der Verbraucher kann zähneknirschend sehen, wo er bleibt. Ausweichen geht nicht, da es sich ja schon um die absolute Untergrenze handelt und die Konkurrenz auch nichts Billigeres führt. Dummerweise merkt es der Verbraucher aber nicht. Ich habe den Verdacht, der Verbraucher schaut überhaupt nicht hin, sind ja eh nur Centbeträge. Und das genau ist der Fehler. Denn auf das Verhältnis kommt es an. Was würde derselbe Verbraucher, der anstandslos die 55-Cent-Pastapackung in den Korb legt, sagen und tun, wenn der CD-Spieler statt gestern 390 Euren heute 550 kostete? Zähneknirschen und zugreifen? Wohl kaum. Obwohl es gar nicht so schlimm wäre, denn: Wann kauft man sich einen CD-Spieler und wie oft Pasta? Angenommen, ich verbrauche monatlich 3 Packungen (das ist bei mir durchaus realistisch; für Familien ergeben sich da noch ganz andere Zahlen), dann waren das bislang 14,04 Euren im Jahr. Jetzt sind es 19,80, also mehr als 5 Euren Differenz. Jahr für Jahr. Und das nur für die Pasta. Den Reis habe ich noch gar nicht nachgesehen. Neulich habe ich ein gewöhnliches Roggenbrot für 6 Euren erstanden. Aber wo war ich? Ach so. ja: Zum Vergleich: Ich habe mir genau einmal in meinem Leben einen CD-Spieler gekauft, das war 1988, er kostete knapp 800 DM, und ich mußte ein Jahr lang Zeitungen austragen, um ihn mir leisten zu können, aber das nur nebenbei. Also ein CD-Spieler in 20 Jahren. In diesem Zeitraum hat sich die Differenz zwischen billigeren und teureren Spaghetti schon auf 100 Euren angewachsen, und da sind die zu erwartenden weiteren Steigerungen nicht berücksichtigt.

Was ich damit sagen will, ist dies. Es ist uns des langen und breiten gebetsmühlenartig versichert worden, nein, es habe keine Teuerung nach 2002 gegeben, die Preissteigerung sei eine Illusion, weil nur besonders häufig gekaufte Artikel ein wenig teurer geworden seien.
Ja. Ja! Verdammtnochmal, aber das ist es doch gerade. Mag sein, daß Autos und Elektronik und Badehosen billiger geworden sind. Aber was nützt das, wenn ich Autos nie, Elektronik alle Jubeljahre und Badehosen vielleicht alle zwei Jahre kaufe? Brot. Gemüse. Pasta. Milch. Das kaufe ich täglich, und deshalb fallen dort Preissteigerungen von 41 % ungleich mehr ins Gewicht als Preisverfall bei Artikeln, die man nur ausnahmsweise kauft. Außerdem verbietet sich sowieso ein Vergleich von entbehrlichen Autos mit unentbehrlicher Nahrung. Von Autos und Elektronik wird man nicht satt. Geht das eigentlich in diese Finanzdickschädel rein, die uns weismachen wollen, es habe keine Teuerung gegeben nach 2002?

Übrigens würde die Rosinenschnecke nach dem Preisninveau von Ende 2001 heute umgerechnet 45 Cent kosten. Fünfundvierzig Cent. (Dafür bekommt man heute vermutlich nicht einmal mehr einen Kaugummi. Übrigens gab es in meiner Kindheit sogenannte Fünferkaugummis und Zehnerkaugummis. Für 5 resp. 10 Pfennig. Dieser Zustand dauerte viele viele Jahre, meine ganze Kindheit lang. Alle waren es zufrieden.)

Ich habe den leisen Verdacht, daß eine Erhöhung von 266% innerhalb von sechs Jahren nicht allein durch Inflation zu erklären ist.

0 Gedanken zu „Pasta

  1. Solche wie wir (rechne mich dazu, obwohl ich kein Pasta-/Reis-/Brotesser bin) sind in der Minderheit, wenn wir ein Auto nie, einen CD-Player 1x im Leben und Badehosen alle 2 Jahre kaufen. (Mein letzter Badeanzug ist mindestens 5 Jahre her, aber hatte auch in der Zeit nicht Gelegenheit, ihn in Salzwasser zu ruinieren). Das ist eher keine Verschwörung, sondern das Diktat der Masse, die wollen es nicht anders.
    Lebensmittel sind in den reichen Ländern nach wie vor viel zu billig im Vergleich zu ihren Erzeugungskosten – wobei der Landwirt der Geprellte ist, nicht die Nachgelagerten. Der Milchstreik ist absolut berechtigt.
    “Lebensmittel zu billig” ist andererseits ein zweischneidiges Schwert, befinde ich mich ja auch grad selbst in der Lage, ausser Futter nur noch Miete & NK, Internet und Krankenkasse Geld auszugeben, womit der Spruch “am Essen sparen ist Unsinn und fällt nicht ins Gewicht” hinfällig wird. Das Essen ist ja das einzige, woran man noch sparen kann. Und es macht extrem viel aus, 30-40 Mahlzeiten pro Monat auszulassen.
    Eigentlich: Essen gehört wie Wasser, Infrastruktur, Bildung, medizinische Versorgung, öffentlicher Verkehr etc. zu den Dingen, die allen zustehen und daher in staatliche Händen sein müsste. Hahaaa! So weit habens wohl nicht mal die Chinesen in ihren “besten” Zeiten gebracht. 🙂 Aber die Idee, Nahrung als dem Markt überlassene Ware zu behandeln, ist an sich pervers.

  2. Nachtrag 1: Essen gehört wie Wasser, Infrastruktur, Bildung, medizinische Versorgung, öffentlicher Verkehr etc. zu den Dingen, die allen zustehen und daher in staatliche Händen sein müsste — 100 % d’accord.

    Nachtrag 2: kürzlich habe ich im radio gehört, wieviel ein supermarkt für den liter milch zahlt. in anbetracht des hübschen sümmchens, das ich für den liter milch abdrücken muß, wäre ich fast vom stuhl gefallen. glücklicherweise lag ich im bett.
    eine meiner ersten reaktionen im nudelstrudel war der trotzige entschluß, das zeugs nur noch im bioladen zu kaufen. da weiß ich wenigstens, warum es so teuer ist.

    andererseits: weiß ich das?

  3. REPLY:
    Eigentlich möchte ich dir darin zustimmen, daß nahrungsmittel zu billig sind, andererseits kann ich als bürger des 21sten jahrhunderts und angesichts der tatsache, daß die menschheit auf den mond fliegen und robotersonden auf dem Titan landen lassen kann, absolut nicht einsehen, daß ich mir in 10stündigen arbeitstagen den a**** aufreißen soll, um mir noch das tägliche brot leisten zu können. 4 stunden arbeit pro tag sind genug, alles andere ist inhuman (wozu gibt es maschinen, und wann dienen sie uns endlich?). 4 stunden arbeiten heißt aber: ein gutes viertel des einkommens geht für nahrung drauf. nun kann man einwenden, daß nahrung ja wohl das wichtigste ist, und ein viertel des einkommens nicht zuviel. aber: leben wir noch in der steinzeit? ich meine, was heißt kultur, wenn nicht, zeit für die schönen dinge zu haben und sich um nahrungserwerb endlich keine sorgen mehr machen zu müssen? zeit bleibt aber irgendwann nicht mehr, und wenn ich bedenke, daß die anderen dreiviertel fast dabei draufgehen, nur zu wohnen und im winter nicht frieren zu müssen, finde ich das zwar angesichts von 90 % der menschheit, die mehr als 10 stunden arbeiten und dessen dennoch entbehren müssen, durchaus relativierend. nur müßte es nicht sein, und das ärgert mich. und was mich noch viel mehr ärgert: jemand anderes glaubt, sich bereichern zu dürfen. einfach so. man kann ja mal die hand aufhalten. da kriege ich schaum vor dem mund.

  4. REPLY:
    du hättest auch noch die alternative, dir nudeln selbst herzustellen. ich bin allerdings nicht über die aktuellen mehlpreise auf dem laufenden … mehr geld für lebensmittel ausgeben wäre auch gar kein problem, aber wie du richtig bemerkst, miete und heizung sind ja auch noch zu bewältigen. diverse versicherungen. bei mir kommen auch noch auto und benzin hinzu. ich frage mich wirklich, wie familien eigentlich noch über die runden kommen sollen …
    und dann aber auf der anderen seite unfasslicher wohlstand. familien mit drei pkws und jeder hat zwei handies, so ungefähr.
    jedenfalls kommt es bald billiger, sich selbst eine kuh zu halten. *gg*

  5. Eine Kuh halten ist ein guter ansatz, darüber wäre noch nachzudenken.
    Pasta selbst machen ist auch kein problem, allerdings glaube ich nicht, daß wirklich geeignetes hartweizenmehl hier erhältlich ist … und dann bedeutet es doch einigen aufwand. der vorteil von pastagerichten — unendliche kombinationsmöglichkeit und schnelle küche — wäre dann, was die schnelle küche angeht, auch hinfällig …
    Brot habe ich ein gutes jahr lang selbst gebacken, aber weißt du was? ich konnte es nicht mehr sehen. hefe ist eine feine sache, aber irgendwann schmeckt es derart penetrant durch, daß man doch wieder zum bäcker läuft. und so eine wirklich perfekte sauerteigführung in der heimischen küche will auch erst einmal gewagt und erprobt sein … Ich finde ja auch, es geht nichts über wirklich professionell hergestelltes brot, dem man die erfahrung von 4000 jahren teigsäuerungspraxis anschmeckt. (wenn es denn nicht aus dem extruder kommt oder so 🙁 )

    da ich nicht zu den leuten mit drei autos (ich habe nicht einmal eines) und je einem fernsehgerät pro zimmer (das wäre bei mir ohnehin nur ein gerät, aber darauf kann ich verzichten) gehöre, macht bei mir die nahrungsversorgung eben einen großen teil meines einkommens aus. da wiegt es eben entsprechend schwer.

  6. REPLY:
    Bioladen ist kontraproduktiv. Bio ist eine Ideologie, die der Umwelt nur beschränkt etwas bringt (manchmal im Gegenteil, siehe Kupferbelastung der Böden), ausserdem unterstützt es genau diese Kapitalistenmentalität – nur hier können wir es uns leisten, nicht das Optimum aus dem Boden herauszuholen, es ist ein Phänomen der übersättigten Wohlstandsgesellschaft. Bei Milchprodukten besteht im übrigen kein Unterschied Bio / Nichtbio. Das Gute dabei ist natürlich, dass der Bauer in diesem Fall tatsächlich mehr verdient auf die Stunde. Aber nicht nur er.

    Ja, die Marge bei landw. Produkten ist absolut skandalös. Aber Produzenten und Konsumenten schaffen es nicht, im grossen Stil zusammenzuspannen. Liegt unter anderem an der neuen Religion (Tierschutz, Öko) und gegenseitigen Vorurteilen.

  7. REPLY:
    Kultur?! Wo siehst Du Kultur? Dieses Wirtschaftssystem ist halt auf etwas ganz anderes ausgerichtet. Seit ich die 3sat-Doku über den Asteroideneinschlag gesehen habe, wünsche ich mir nichts sehnlicher, als dass das wirklich bald passiert. Wahrscheinlich stirbt man dabei, und wenn nicht, fängt man in kleinen Horden nochmal ganz von vorne in der Steinzeit an. Ein Mammut jagen, paar Tage “Vollbeschäftigung”, hahaaa, und dann wochenlang am Feuer sitzen, Geschichten erzählen, Wände bemalen, Knochenamulette schnitzen, bis das grosse Tier aufgefressen ist. 🙂

  8. @Tortuga:
    Moment. nach allem, was ich darüber gelesen habe, verhält es sich umgekehrt: Der ökologische landbau holt nicht weniger aus dem boden, als möglich, sondern genau so viel, wie der boden natürlicherweise zu geben imstande ist; der konventionelle landbau dagegen holt mehr aus dem boden, als dieser zu geben imstande ist – betreibt also eine art boden-doping, wenn man so will. womit? mit energie (dünger, pestizide, herbizide), die anderswoher kommt. woher? aus fossilen energieträgern – und die gehen nunmal unaufhaltsam zu ende. es ist also gerade kein luxus, auf boden-doping zu verzichten, sondern eine jetzt schon sinnvolle maßnahme als vorgriff auf eine zeit, wo es anders gar nicht mehr möglich sein wird. also eine frage der berühmten nachhaltigkeit.

    ob bio-milch oder konventionell erzeugte milch besser ist, hängt davon ab, wie die frage gemeint ist: besser in welcher hinsicht? nenne mich einen hilflosen romantiker, aber für mich gehört ein rindvieh (wenigstens für ein paar monate im jahr) auf die weide (du wirst überweidung etc anführen – dazu siehe unten „bedarf“). ich möchte jedenfalls die massentierhaltung nicht damit fördern, daß ich die solcherart produzierte milch kaufe. du könntest einwenden, daß ökologisch produzierte milch dann nicht für alle ausreichen würde, weil man den bedarf nicht decken kann (oder überweidung in kauf nehmen muß, siehe oben). nun, das ist eine frage des bedarfs und der bevölkerungszahl. meines erachtens sollte sich die menschheit ohnedies so schnell wie möglich sechsteln. hier kommt dann der asteroid ins spiel. wobei ich nichts weniger als eine vorindustrielle gesellschaft propagiere, im gegenteil.

    das dumme ist natürlich, daß man meiner kaufentscheidung ihre gründe nicht ansieht. aber da das so ist, stellt jeder kauf eines produkts eine bejahung der umstände dar, unter denen es produziert worden ist. und da wir den markt nicht abschaffen werden (in unserer lebenszeit wohl nicht mehr), müssen wir uns wohl die mechanismen des marktes zunutze machen. und mit jeder packung bio-milch verkünde ich: ja, so will ich es. weiter so! und mit jeder packung konventionell erzeugter milch teile ich dem produzenten mit, daß es mir bestenfalls egal ist, wie er seine tiere ausquetscht. ich kenne das argument, daß bioläden und weltläden letztendlich von einem unterschied leben (die einen verkaufen ein mehr an gerechtigkeit, die anderen ein mehr an umweltschonung, tierschutz etc), also wollen müssen, daß andernorts ungerecht gehandelt wird oder tiere gequält werden. so wie ich es sehe, ist es aber zwischen zwei übeln immer noch die bessere wahl, fair-trade-produkte und bioartikel zu kaufen. jedenfalls das beste, was wir derzeit haben.

    und noch ein letztes wort zum tierschutz (achtung veganer: bitte hier nicht weiterlesen!): ich esse gern fleisch und milchprodukte, und die vorstellung, ein tier zu töten (eigenhändig, wenn es nötig ist) verursacht mir nicht das geringste unbehagen. aber ich finde schon, daß man es nicht noch zeit seines kurzen daseins quälen muß. mit religion hat das meines erachtens wenig bis gar nichts zu tun.

    ich bin gespannt auf deine gegenargumente gegen ökologisch erzeugte nahrung. wäre gut, wenn sie mich überzeugten – ich könnte eine menge geld sparen.

  9. REPLY:
    Ich habs befürchtet. 🙂 Nehme mir immer wieder vor, bei diesem Thema die Klappe zu halten, weil ich nachher Stunden und Tage bräuchte, um mich auszubreiten. Man vergesse nicht, Landwirtschaft ist mein Ex-Beruf – ich beanspruche nicht die Wahrheit für mich (stehe mit meinen Theorien auch bei den meisten Berufskollegen im Schilf), weiss aber wovon ich rede (womit ich wiederum nicht sage, dass es “Private” (wie Bauern die nicht-landw. Bevölkerung nennen) nicht wissen).
    Zudem gibt es immer noch – aber immer weniger – Unterschiede zwischen der EU und der Schweiz in Sachen Ökologie-/Tierschutzstandards. Bei uns ist es tatsächlich so, dass die gesetzlichen Minimalvorschriften derart streng sind, dass Bio wirklich praktisch nur noch Firlefanz ist, in der Milchroduktion besteht der einzige Unterschied darin, dass ein Bio-Bauer eine Kuh nur dann mit Antibiotikaeinsatz trockenstellen darf, wenn eine Entzündung im Anzug ist, also nicht prophylaktisch; was die meisten anderen Bauern aber auch so machen. “Massentierhaltung” (was immer man darunter versteht) gibt es nicht, es geistert nur noch als Schlagwort (CH). Natürlich gehören Kühe auf die Weide (sind sie, hat mit Bio wenig zu tun), natürlich sollen Tiere anständig behandelt werden, natürlich soll der Boden geschont werden usw. Aber schau mal die Leserbriefe – wenn z.B. ein Asylsuchender nach Hause vor einen Gewehrlauf geschickt wird, kommt vielleicht eine Reaktion. Wenn ein bösartiger (aber bäuerlicher!) Tierhalter auffliegt, platzt die Zeitung aus allen Nähten. Tierchen Tierchen Tierchen. Ich kenne Bauern, die mit Hilfe von Krediten ein Luxushotel für ihre Kühe bauen konnten, aber keinen Kredit bekommen um das eigene Haus zu renovieren; winters 0°C in der Stube und Holzherd (die Städter finden das dann auch noch “romantisch”). Den Bauern wird auf die Finger geschaut, es wird gequatscht ohne jedes Fachwissen. Ich habe Spaziergänger gehört, die sich aufregten über einen – artgrechten – Melkstand (hat ja Metallstangen!), während sie vor einer Mastbullenbucht befanden: ooohh, die habens aber gemütlich. Weil Stroh drin war – es gab aber keine Frischluft, keinen jederzeit zugänglichen Auslauf und die Bucht war zu dicht belegt. Wo Tiere 100% öfter leiden – Haustierchen nämlich, von Kindern gequält, in Schuhschachteln, totgefüttert etc – greift keiner ein, warum? Weil diese Tierfreunde die Tierschutzorganisationen finanzieren. Es nimmt tatsächlich religiöse Züge an, und es ist anthropozentrisch verseucht, hat mit Ethologie nichts zu tun.
    Vieles in der Tierhaltung ist halt ambivalent; Freilandschweine z.B. leben artgerecht, aber sie versauen den Boden auf Jahre hinaus. Mit Freilandhühnern ist es schwer, Seuchen im Griff zu behalten.
    Ich plädiere für Menschenverstand statt Ideologie. Der Pflanzenschutz im Biolandbau z.B. ist katastrophal, Bio-Kartoffeln sind geradezu kriminell. Es bringt viel mehr, wenn ein Bauer Doppelrad am Traktor montiert und den Reifendruck reduziert wenn er auf den Acker fährt, den Zeitpunkt des Jaucheausbringens sorgfältig wählt etc. Dafür gibts keine Reglemente. Es gibt einiges zu tun, aber keinen Mehrpreis.
    Ach, ich habe zuviel gesehen … Mit dem Fairtrade ist es ähnlich. Gut gemeint, aber im besten Fall ein Tropfen auf den heissen Stein, im schlechten und häufigen Fall nutzlos oder gar kontraproduktiv. Es ist z.B. fast unmöglich und unmenschlich aufwendig, Bio-Kaffee zu produzieren. Die Fairtrader verlangen das aber, weil Bio ein weiteres Marketingargument ist, den unmenschlichen Aufwand haben die Bauern zu leisten. Zumeist lohnt sich das Ganze auch erst ab einer bestimmten Betriebsgrösse, dh., die ärmsten Bauern kommen in diese Programme gar nicht rein.
    Ich war auch in der “Entwicklungszusammenarbeit” – ppffff… gut gemeint, gut gemeint (manchmal nicht mal das). Das ist alles pure Illusion. Es ist ein vollkommen falscher Ansatz, das Problem liegt nämlich HIER. Welche Arroganz, Bauern im Süden zur Aufforstung zu zwingen, damit in 20 Jahren blablabla, sie verhungern JETZT, aber es braucht halt jeder Europäer mindestens ein Auto.
    Ich schätze, ich habe eine 3-stellige Zahl Bauernfamilien und Betriebe persönlich kennengelernt, x Produktionsformen, Betriebszweige, Bewirtschaftungsweisen, und mir fällt nicht ein Landwirt ein, von dem ich sagen könnte, dass er nicht respektvoll mit Land und Vieh umgeht, Bio- wie Nicht-Bio-Betriebe gleichermassen. Bio wird vielmehr instrumentalisiert (gerade auch von den Supermärkten); in kleineren Cooop-Filialen z.B. habe ich nicht die freie Wahl, es gibt von gewissen Produkten nur Bio. Geht auch prima zusammen mit dem Wellness- und Gesundheitswahn, es wird einem aufgedrückt. Ich kaufe aus Prinzip keine Bio-Produkte, würds auch nicht, wenn ichs mir leisten könnte, und ich sage damit: so will ich es nicht. Mir ist viel wichtiger, regional und saisonal einzukaufen wo immer möglich. Mit Verlaub, es gibt in Europa keine Bio-Banane und keinen Bio-Kaffee (ich habe auch mal ein Jahr lang Ökobilanzen gerechnet, der ödeste und frustrierendste Job aller Zeiten …). Auch das ist nicht einfach. Eine holländische Treibhaustomate kann durchaus ökologischer sein als eine Freilandtomate von nebenan. Wenn man immer das Richtige tun wollte, hätte man wieder den 16-Stunden-Tag, ohne daneben noch für die Miete arbeiten zu können. 🙂
    Was fürn Durcheinander. Mir ufert das immer aus – und ich kann eigentlich nur dann argumentieren, wenn ich meine “Theorie” ausbreiten kann, was jetzt hier nicht geschehen ist (wenn ich sie nur kurz anreisse, kriege ich Briefbomben). Es ist aber sicher, dass ich daraus hoffentlich bald entweder einen riesen Essay oder (hahaaa! wirklich wahr!) eine Novelle machen werde. Um fachlich diskutieren zu können, müsste ich rechnen und statistisieren können, in dieser Hinsicht verdiene ich meinen Ingenieursfackel nicht. Das können dann Kollegen nachholen. 🙂

  10. REPLY:
    PS. Auf Veganer nehme ich gar keine Rücksicht in meinen Äusserungen, da bin ich militant. Das ist schlicht Quatsch (und sehr gesundheitsgefährdend, manche Leute lassen so ihre Kinder verhungern). Es gibt keinen geschlossenen Nährstoffkreislauf ohne Nutztierdünger. Gilt bis zu einem gewissen Grad auch für Vegetarier: sie werfen das Suppenhuhn weg, und ohne jährlich ein Kalb pro Kuh gibt es keine Milch. Wollen sie das Kalb auch wegwerfen?

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