Erzählen

Oft habe ich Ransmayr bewundert für diese verblüffend gelassene art, etwas zu erzählen, ohne es zu erzählen. Immer wieder zurückblättern, innehalten, austreten aus dem sprachstrom und mich fragen: Wie sind wir jetzt hierher gekommen? Wie ist es möglich, daß hier erzählung stattfindet, zwischen den sätzen, sozusagen, und kein einziges mal mit diesem gruseligen, von mir so verachteten und doch immer wieder sich einschleichenden, scheinbar unvermeidlichen hinweis darauf, daß erzählt wird. Bei mir schreit jedes wort laut heraus, daß es erzählung sei. Ich bin als erzähler allzu präsent, meistens in beschämender weise, als hätte ich in einem flüsterleisen kirchenraum plötzlich mit lauter und zugleich unsicherer stimme falsch zu singen begonnen. Bei Ransmayr nichts davon, die erzählung geschieht, sie spricht nicht, sie spricht sich nicht aus. Auf einmal sind wir in Irland, auf Horse Island, in Sechuan, im Eis, ohne je – kein „und dann zogen wir drei tage gen Sechuan“ oder ähnlicher quatsch – geführt worden zu sein, ohne erklärungen aus dem off (obwohl fast alles aus dem off ist), alles nebenbei (aber woneben eigentlich?), ohne eröffnung, ankündigung, einleitung, jedes setting wie aus sich selbst geboren, und erst im nachhinein stellt man fest, man ist ja mittendrin! Wie aber aus den einzelnen, für sich völlig unauffälligen (sieht man von ihrem geschliffenen glanz ab) sätzen die erzählung entsteht, bleibt ein geheimnis, und auch zurückblättern enthüllt es nicht. In geradezu beängstigender weise ist hier das ganze mehr, weit mehr, als die summe seiner teile.