Nochmal Wut

Wieder die Wut. Bei Schneetreiben (die Flocken erst hart und trocken von Gemütz und Gejack springend, später naßklatschig und durchaus ekelhaft überall anhaftend) und viel Wind, der kurioserweise an jedem beliebigen Punkt meines Rundweges von vorn kam, eine Stunde lang durch den Wald gelaufen, immer mal wieder brüllend vor Zorn und, wenn’s mit dem Geflock gar zu arg wurde, mit fuchtelnden, quixotesquen Abwehrbewegungen des Armes und der Hände dahinstolpernd.
Wer da behauptet, der Ausdauerdisport sei gut für die Psychohygiene, weiß einfach nicht, wovon er redet.

0 Gedanken zu „Nochmal Wut

  1. Wut ist meist besser als Traurigkeit, obwohl wir ja meistens, um uns in eine Wut hineinzusteigern, das Geschehene ein wenig zu sehr aus unserer Perspektive interpretieren müssen… 😉

  2. Das ist einfach so. Ich habe das auch oft. Als Kind konnte ich fuchsteufelswild werden, wenn ich beim Fahrrad fahren Gegenwind hatte. Ich nahm es PERSÖNLICH. Vielleicht half die Wut ja, gegen den Gegenwind anzustrampeln, wer weiß. Aber je älter ich werde, desto weniger Lust habe ich auf Emotionen. Gewiss, ohne Emotionen ist man schon halb tot, aber andererseits, wenn ich schon Emotionen benötige wie Wut oder Liebe, um mich halbwegs lebendig fühlen zu können, vielleicht bin ich dann auch schon mehr als halbtot.
    Es wäre schön, einfach leidenschaftlich leben zu können. Ohne die Wut und die Liebe. Das würde durchaus reichen.
    🙂

  3. REPLY:
    Gegenwind! Gegenwind, du sagest’s! Den nehm ich leider auch viel zu oft persönlich (mittlerweile geht es, weil ich innerlich abschätze, wieviel sympathischer mir der wind ist im vergleich zu so manchem zweibeinigen ärgernis). Ach, ich bin erleichtert, daß das anderen auch so geht, hatte zwischenzeitlich immer mal das gefühl, ich dreh am rad mit meinem persönlichen groll gegen witterungsverhältnisse …

    also, lebendig fühle ich mich in solchen augenblicken der wut eigentlich nicht besonders — für irgendeine wahrnehmung außer der wut ist da kein platz — insofern wäre es mir lieber ohne wut. die wut, wenn sie kommt, ist ja auch nur etwas aufgestautes, das ganz andere gründe hat als muffins oder schnee. nein, zu anderen zeiten kann ich einen solchen lauf im schnee auch genießen. es ist eher so, daß da alles bloßliegt. da kann ich mich vor mir selbst nicht mehr schützen, da bricht alles aus. aber nur das, was schon innen drin ist.

    ohne liebe und wut leidenschaftlich? ist das nicht eine contradictio in adjecto? welche leidenschaften wünschst du dir für das leidenschaftliche leben? manchmal bin ich stoiker und denke die alten hatten recht damit, daß die glückseligkeit in einer unangreifbaren, unerschütterlichen aequitas animi bestehe …

  4. REPLY:
    Oh nein, du bist nicht allein. Gegenwind ist ein schönes Beispiel, wirklich. Er wird zum persönlichen FEIND. Ist das nicht vielleicht eine völlige Überblähung des eigenen Egos? Ich meine Gegenwind IST halt einfach, er hat doch gar keinen Bezug zu uns selbst.
    So zum Beispiel, leidenschaftlich leben, das bedeutet für mich, mich nicht in irgendwelche Egoverhaftungen zu verstricken. Es wäre schön, jede Sekunde mit Lust im HIER UND JETZT ohne Ärger leben zu können. Leidenschaft bezogen auf das SEIN, auf das JETZT in dieser Sekunde der Gegenwart, nicht auf die Emanationen der Seele oder des Geistes, die dir vorspiegeln, dass dieses oder jenes gerade schlecht/sehr gut für dich ist. Das Leben gewähren lassen und aufsaugen ohne deinen Geist/deine Seele urteilen zu lassen. Emotionen wahrnehmen und ohne sie überzubewerten, zur Seite legen als Reflektionen des Ego.
    Das wäre für mich leidenschaftlich leben und im Moment präsent zu sein. Fast unerreichbar, finde ich.
    Ich weiß, das klingt fast buddhistisch, aber seis drum.

  5. REPLY:
    Die Urteile sinds, die wir fällen. Die Urteile machen uns unglücklich. Sie verhindern das Präsentsein. Das als Ergänzung.

  6. REPLY:
    Genau, und jetzt schau dir das Bild an wo Xerxes auf das Meer einpeitscht, und dann denk an die Szene in Alexis Sorbas, wo Anthony Quinn anfängt Sirtaki zu tanzen, als diese ganze bescheuerte Konstruktion in sich zusammenbrach 🙂

  7. Hab’s schon gesehen. Ich kenne allerdings nur das Buch — das, nach allem, was ich darüber gehört habe — wenig (zum Glück) mit dem Film gemein hat. Übrigens ist Sirtaki eigentlich kein griechischer Tanz. Das haben sich die Filmfritzen/Theodorakis (war es Th.?) ausgedacht. Nun gehört es zum Standardrepertoir dessen, was Nichtgriechen unter griechischer Folklore verstehen. Ach ja.
    Noch ein Wort zum Urteilen: Wir können ja nicht anders, als alles, was auf uns einströmt, irgendwie zu bewerten. Und was aus uns selbst kommt, spontan, ungehemmt, primär — das ist doch dann das eigentliche Leben, oder? Im hierundjetzt. Und dazu gehört dann auch (gerade) die Wut. Heute übrigens völlig gelassen im Regen gelaufen. Plötzliches Glücksgefühl beim Gedanken: Wie gut, daß ich das darf und kann, hier jetzt im Regen bis zur Erschöpfung laufen, während eine späte Amsel und eine frühe Singdrossel schlagen und der Regen auf Blättern und Straße neben meinen Schritten, meinem Atem das einzige Geräusch ist.

    Was mir die Wut macht, nehme ich mit in den Wald. Nicht der Regen, nicht der Gegenwind macht mir die Wut. Sie bricht nur dort aus.

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