Wieder die Wut. Bei Schneetreiben (die Flocken erst hart und trocken von Gemütz und Gejack springend, später naßklatschig und durchaus ekelhaft überall anhaftend) und viel Wind, der kurioserweise an jedem beliebigen Punkt meines Rundweges von vorn kam, eine Stunde lang durch den Wald gelaufen, immer mal wieder brüllend vor Zorn und, wenn’s mit dem Geflock gar zu arg wurde, mit fuchtelnden, quixotesquen Abwehrbewegungen des Armes und der Hände dahinstolpernd.
Wer da behauptet, der Ausdauerdisport sei gut für die Psychohygiene, weiß einfach nicht, wovon er redet.
Monat: März 2008
Musiktraum
Wieder ein Musiktraum:
Konzertante Aufführung einer Oper. Drei Mezzosopranistinnen oder Altistinnen, auf etwas wie Thronsesseln sitzend, auf einer Bühne, sehr nah; die Gesichter geschminkt und bleich unter Perücken; sie sitzen seltsam starr; die Münder klappen puppenhaft auf und zu, während ihr Gesang den Raum füllt und sich, in den Terzen und Sexten, zu leuchtscharfen, beinah schrillen Schwebungen überlagert. Jemand findet das unangenehm, ebenso wie ihr rhythmisches, stark schwingendes Vibrato. Ich aber bin fasziniert und jubele innerlich, wenngleich ich verstehen kann, daß jemand diesen Klangeindruck als schwierig empfinden mag.
…
Deutlicher als jemals bin ich heute abend der Überzeugung, daß mein äußerlich so geruhsam-normales Leben eine nur mit äußerster Anstrengung aufrechterhaltene Routine ist. Eine kleine Störung, eine winzige Änderung der Balance, eine minimale Anforderung mehr, etwas Unvorhergesehenes ‒ und aus ist es mit dem Gleichgewicht.
Hatte gerade den wohl schlimmsten Wutanfalls meines Lebens.
Stocherte zuerst mißmutig im Blech herum, merkte, das funktioniert so nicht, und dann war es auch schon passiert. Krallte plötzlich meine Finger in das Gebrösel der mißlungenen Muffins, quetschte es zu Brei, warf es durch die Küche, ließ das Messer hinterherfliegen, donnerte Türen zu, heulte tobte schrie, schlug mit der Faust gegen die Wände, warf Schuhe durchs Zimmer, schlug die letzte noch offene Tür zu, daß der Schlüssel herausklirrte, und vergrub dann endlich mein Gesicht im Kissen und brüllte und schluchzte, die Fäuste ins den Stoff gekrampft, die Tritte in die Luft gegen den imaginären Feind von Mal zu mal schwächer.
Ich kann nur froh sein, daß nichts wirklich Wichtiges zu Bruch gegangen ist. Ich vermute, es ging dabei nicht um die mißlungenen Muffins. Aber worum ging es?
Müde jetzt. Ich geh dann mal schlafen. Gute nacht.
Puzzle
Manchmal ermüdete ihn das Puzzle. Er starrte auf die Teile in seiner Hand, wütend. Plötzlich stimmte nichts mehr zusammen, die eben noch gefügt geglaubte, mühsam rekonstruierte Landschaft zerbrach wieder, das Meer bekam Risse, der Himmel zerflog, er konnte von vorne beginnen; dann verlor er die Geduld, die Knie begannen vom langen Hocken zu schmerzen, das Handtuch auf den Schultern war warmgeworden. Er warf die Teile, die er wie im Krampf zuletzt in den Fäusten gehalten hatte, fort, verzog das Gesicht und rieb sich die Augen, bis er Sterne sah. Dann erhob er sich, schwankte ins Bad, tränkte das Tuch mit frischem Wasser und wischte sich damit den fettigen Schweiß von Gesicht und Brust. Solcherart erfrischt und leicht fröstelnd holte er den Karton, den einzigen, der nicht verstaubt war, vom Schrank, und legte sich, das Handtuch auf der Brust, ins Bett, wo er mit klopfendem Herzen den Deckel hob und mit spitzen Fingern in die Schichten aus Photographien hineinzupfte.
Nur von E. hatte er keine Photographie. Vielleicht war sie ihm heilig gewesen, unantastbar für den Finger des Blitzlichtes.