Ein andermal las man in einem aus dem Französichen übersetzten Roman das Wort Akuphäne. Dem Leser völlig unbekannt, sortierte er es in Anbetracht des engeren Kontextes in die Kategorie „Fachw. med., seltene Hörschädigung“ ein und schrieb sich selbst die Schuld an seiner Ignoranz zu.
Der Versuch, mittels Wikipedia hinter das Geheimnis dieses merkwürdigen Malheurs zu kommen, zeitigte keine Ergebnisse; auch Suchmaschinen waren ratlos. Man versuchte es daraufhin mit alternativen Schreibungen. Da das Buch zuerst auf Französisch erschienen war, lagen Acuphaine oder Acouphaine nahe. Tatsächlich spuckte die französichsprachige Wikipedia einen langen Artikel aus, dessen Sinn sich dem Leser aber infolge mangelhafter Französichkenntnisse erst nach Stunden der wörterbuchunterstützten Entzifferung erschlossen hätte. Glücklicherweise gab es von dort wieder einen Link auf die deutschsprachigen Seiten. Man folgte ihm, und was bekam man da zu lesen?
Tinnitus!
Mit anderen Worten: Acouphaine ist das gar nicht rätselhafte, gewöhnliche Wort, mit dem der Franzose das Ohrenklingeln bezeichnet.
Naiverweise war man bis dato immer davon ausgegangen, daß ein Übersetzer, wenn er ein Wort nicht weiß, ein Wörterbuch konsultiert. Diese Ansicht mußte nun revidiert werden. Man schlägt nicht nach, man bastelt einfach ein unverständliches Kunstwort.
Das auf derselben Seite begegnende Zakuskis mußte ein Rätsel bleiben.
Sakuski? Das sind slawische Vorspeisen. Russische Antipasti, sozusagen. Also so kenn ichs, was ja auch nichts heißen mag.
REPLY:
das wäre natürlich eine möglichkeit, wenn nicht der kontext dagegenspräche. ich vermute ja so etwas wie j’ai acou … ce qui est-ce im sinne von “Akudingsda” — habe aber keine ahnung, ob man das auf franz. so sagt.
Sieh doch mal hier:
http://www.partitur.de/werke/werk_js001.html
Der Kontext war:
(Gespräch zwischen Ehegatten am Essenstisch. Er ist sichtlich mit den Nerven runter und geistig abwesend. Sie darüber etwas genervt, aha, er ist mal wieder soweit.)
— “Liebling, Zakuskis?”
–“Akuphäne.”
Es handelt sich um den äußerst bissigen gesellschaftskritischen Roman
“Dessous” von Pierre Assouline, der, abgesehen von der Übersetzung, absolut empfehlenswert ist.