Don’t know a lake …

but a beautiful mountain with lush forests at its base, wet with flowers, humming with skies between the trees, brittle with the songs of countless birds translating your sweet presence into sound; and on the summit, a white tent …

The wine will be a Naoussa.

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glaskugel

Seit einiger zeit lebe ich in einer geschlossenen welt. In sich selbst zurückgekrümmt, ist sie unendlich begrenzt, und jeder weg in ihr führt unweigerlich dorthin zurück, von wo man aufgebrochen ist. Man geht und geht und geht, und steht schließlich doch wieder vor der eigenen tür mit nichts als staub in der hand und falten im gesicht. Manchmal eine spiegelung: dann sieht es aus, als gäbe es ein draußen, als fiele licht aus einem raum jenseits herein, aus gewaltigen hallen. Aber wenn ich rufe, empfange ich nur immer und immer meine eigene stimme. Das licht flimmert ab und an, als bewegten sich Menschen hinter glas. Gemurmel dringt heran. Ein räuspern, eine stühlerücken, ein scharren von füßen. Eine tür geht. Und plötzlich ist alles still und das licht starr wie ein uhrglas. Wie damals, wenn man fieber hatte, und die stimmen aus einer ferne im eigenen ohr kamen, die schritte der mutter aus der küche.
Wie lange bin ich schon hier? Manchmal kommt es mir vor, ein leben lang. Manchmal denke ich, die auswege und geraden linien waren nur eine illusion, ein jugendlicher irrtum, ein traum. Und wo hätte ich denn schon hinwollen?
Oder habe ich nur solange gebraucht, um zum erstenmal wieder zum anfang zu kommen? Oder: Die strecken von anfang bis anfang werden immer kürzer. Es geht immer schneller: Bald stehe ich vollkommen still.
Manchmal ein traum: Ich spüre eine hand in meiner. Eine kühle, feste hand. Ich erhebe mich. Ein atemzug streift meine wange, ein mantel knistert. Das fenster steht auf. Es ist ganz dunkel. Irgendwo springt ein wagen an, und eine stimme sagt: komm.

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Seemann

Ob dieser oder ein anderer – was macht das? Er war wie alle anderen. Wie die anderen Seeleute hatte er helle Augen, salzgebleichtes Haar, sonngebräunte Haut. Wie der anderen waren auch seine Hände verhornt vom Reißen an Hanf und Tuch, und seine Schultern und Arme hart von Kraft. „Wen meinst du“ fragte daher Ada, und Solveigh verstand nicht. Wie konnte sie ihn nicht sehen, ihn, den größten von allen, ihn, den ein Licht überschwebte, ihn, dessen Augen so hell blickten, daß sie noch von hier wie Sonnen strahlten in seinem Antlitz. Keiner warf doch einen gewaltigeren Schatten aufs Deck als dieser. Wie konnte Ada nicht sofort sehen, was sie, Solveigh sah, und woran sie jetzt, in diesem Augenblick, zu leiden begonnen?

Steinerberghaus

Hier das zelt aufbauen? Am rand der kuppe, unter die birken geschmiegt? Mein blick geht schüchtern vor lauschender einsamkeit wieder zurück zum höchsten punkt, dem ebenen stück erde bei der panoramatafel. noch ein paar schritte unter die wipfel.
Plötzlich ein laut: Geheul wie menschliches gebrüll bricht aus den schatten, ohne ankündigung von schritten oder geraschel, in den abend eingekerbt, es klingt wie hej, houuuu, wie jemand, der nach der ferne ruft, dann wie einer, der einen hund nachahmt, und schließlich wirklich wie ein hund. ein hund? ich bin seit über einer stunde keiner menschenseele begegnet. alle wege waren leer, die feiermusik in Altenahr längst von der krümmung des berges verschattet, die fliegen das lauteste geräusch. einmal ein fuchs, rotes geflitz zwischen den buchen. Wie machen füchse? Sind es schreie wie diese? Die den abend kurz erzittern lassen, ehe sie ganz plötzlich wieder verstummen, von schweigen abgeklemmt, und eine sanft erschrockene, starre stille zurücklassen, in der nicht einmal ein zweigeknacken, ein blätterrascheln übrigbleibt –
Die blicke fliegen. Sanft krümmt sich der hügel aus dem waldkranz. Wächsern und windlos ragen die blätter ins abendlicht. Schatten spreizen hangab ihre hände um stamm und gezweig, die sonne stirbt einen rosahauch auf den weg, am fuß kitzelt das gras. Kühl will es heute nacht nicht werden. Nahebei ragt stumm das dach des Steinergerghauses zwischen zwei fichten auf. Nein, hier nicht, denke ich, nicht mit dem wilden saum blicklosen buschwerks in der nähe, im nacken. den schrei noch im leib wackele ich klopfenden herzens zurück zur ursprünglichen stelle, wo ich zwar weithin sichtbar bin, aber einen ebenso guten rundumblick habe. Savannentier, denke ich, augentier, tagaktiv. Später, im zelt, zucke ich die achseln, werde ich ohnedies nichts mehr merken von dem bunten treiben, das vielleicht, vielleicht nicht, auf der kuppe einzug hält.
Später: Die flasche leert sich mit bedächtigem schaukeln, während der himmel sich anheitert, und der mond die verschatteten dinge berührt, ansaugt, in sich aufnimmt und in gefiederte weichheiten verwandelt zurückgibt. Die lichter sind fern und nah zugleich. Kein geheul mehr. Die kuppe ist völlig ruhig, der himmel rieselt darauf nieder. Mit freudigem schauern bemerke ich den kühlen flug eines leuchtkäfers. Sehr weit weg, schon in einer anderen welt, klettern die signallichter auf der hohen acht am mast auf und nieder. Gegenüber die ortschaft Lind: das licht eines fahrzeugs, das langsam zum ort auffährt. Ich stelle mir den fahrer vor, eingeschlossen in heimatliches blech und gebrumm, der gang wechselt, der motor heult, und die nacht, die stimmen um ihn wie ein meer. links fallen die felder ins dunkel fort.
Da ist mir für kostbare augenblicke alles neu, und das alte, die müden, staubigen tage, liegen abgestreift wie der enggewordene panzer eines kerbtiers unten am wegesrand, an der kreuzung, im fingerhut, in staub und sonne, von wo sich schritte und auge und atmen schon lange weggehoben haben.

(30. Juni 2006)

narbig

ich werfe die
destillate meiner sprache
hinaus
in wildes land
ich fülle meine seufzer
in dunkle flaschen
ich wickele den durst
meiner haut in briefpapier
ich werfe die post
eines schiffbrüchigen an
die ufer taubstummer nächte.
jeden morgen
wringe den gestrigen
abend ich aus
mit der kraft
gesammelter müdigkeiten
ich schleudere von mir
winzig vor zorn
was abgetropft ist zwischen den fingern
der himmelhohen angst
ich will hingehen und
ihnen die blicke aus den augen reißen
die ungesagten worte von
ihren zungen schneiden
ihre unterlassenen berührungen aus
ihrer haut abbluten lassen
ihren frechen schatten von
ihren füßen scheren
ihr antlitz tauchen ins eigene spiegelbild
bis es erstickt in den eigenen lippen
ich will wandern und endlich
mich verbrennen am mond
mir narben schnitzen lassen
von der wilden ackerwinde
mich blenden lassen
von den fledermäusen
mich schänden lassen
von einer keuschen gazelle
mir die wahrheit sagen lassen
von einer lügenhaften sphinx
trunken vom wasser
will ich die scheiben zertrümmern
die gürtel aufschneiden
die falschen rosen
im ausguß ertränken
ich will mein haus von mir abstreifen
meine photographie verbrennen
mein geld in der erde vergraben
mein brot den dämonen zu fressen geben
meine augen dem silberspiegel
und meine haut dem priester
der Astarte
gehäutet
verbrannt
geschändet
und verschnitten
schleudere ich
meine worte
hinaus
in ein wildes land.

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ich warte immer noch, aber je länger ich warte, desto weniger weiß ich, worauf. auf sternschnuppen. auf die andere seite des mondes. auf die kaiserliche botschaft. auf einen schatten vor meiner tür. auf mich selbst. auf die vergangenheit. ich warte um des wartens willen, was sonst ist zu tun. ich hab vergessen, was ich wollte. ach so, ja. das telephon. das schweigt immer noch, ich laß es schweigen, ich hör gar nicht mehr hin. es muß allein damit klarkommen.
ich fühle mich nicht mehr verantwortlich.

ich fühle mich nicht verantwortlich und suche in meinem gesicht nach spuren. ich schneide eine grimasse. ich denke, ich kann mich nicht in mich hineindenken. geschweige denn mich mit den augen eines anderen denken. ich bin eine nullstelle, der punkt, an dem die welt stillsteht, der punkt, von dem alles ausgeht. der punkt, der die welt aus sich entfaltet, und zu dem sie zurückkehrt, um dort zu verschwinden, ohne selbst etwas gewesen zu sein.

ich wünsche mir gespräche. ich wünsche mir, daß mich wer aufschlägt und mir vorliest aus mir. ich wünsche mir, daß ich meinen mantel ausziehen, den stock in die ecke stellen, mich an den tisch setzen darf. und dann legt mir wer die hand auf den kopf und sagt mir, alles ist gut. und alles ist gut.

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es ist wieder, als wäre nichts gewesen. ich habe das ungute gefühl: das wird nicht das letzte mal gewesen sein.

die uhren sehen weg und gehen stumm ihrer wege. wohin, weiß ich nicht. wahrscheinlich vorwärts.

Marsch!

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keine erdbeeren

wieder einmal mich anhalten zu einem sieh-was-da-ist.
aber erst einmal: abschiede. eine handvoll sand zusammenraufen und emporwerfen. die finger im vorbeigehen durch die hecke gleiten lassen, sagen: hier war ich. hier war es. die verstreute herde der blicke wieder einsammeln. nach hause gehts, das herz voll mit fremdem, die hände gelb vom staub, das letzte, was blieb. wieder muß ich es aufgeben. wieder ist eine geschichte vorbei, die nie zu ende erzählt wurde. die abende schaukeln in der wärme, die kinder sind am meer oder im freibad, sie ist fort, und ich denke: jetzt kommt richtig der sommer. sieh, was da ist.
später wird das „der sommer“ heißen, „wo ich keine erdbeeren aß“.

Atalante (18)

nie war eine hand so weit entfernt wie deine auf der tischwüste. vorgestern wieder. ich sitze in einem kameragehäuse. klick: deine finger sind lang, und so ebenmäßig schmal, daß es scheint, als würden sie breiter um den kleinen nagel, der vor der fingerkuppe noch ein klitzekleines stück zurückbleibt. kühl und sanft stelle ich mir diese berührung vor, wie der lautlose fall einer tierpfote. klick: manchmal trägst du einen rock, deine knie treten kaum hervor, rund sind sie, die waden glatt vom vielen laufen, das dir deinen namen eintrug, und du rasierst dich, stelle ich fest. klick: eine sommersprossige sprödigkeit auf der wange, neben deiner kleinen, breitflügeligen nase, spröde, und man weiß nicht, war es die sonne, der wind, oder übriggebliebenes rouge, ein hauch nur. klick: die wimpern stets ein bißchen getuscht, die lider beschattet. das ohrläppchen so kurz, daß es in die haut überm kiefergelenk eingewachsen scheint.
und deine zweiflügel, stets bezähmt und gefaltet verstaut unter dunklem stoff, verbotene schwingen. einmal vorgebeugt ein tor zwischen wippend hängender haut, dunkelgärtliche gefahr und ein augenblick hellwacher echtheit. mammalisches erschrecken. klick: du drehst dich nach deiner tasche, und ich seh auf deiner schulter den zitternden knochen des rehs hervorstechen, wild vor hunger. deine zähne zerschneiden dein reden. mit vollem mund kündigst du an, daß du was sagen willst, und ein glottales mh! geht deinem schlucken, deiner stimme voraus. wenn du lachst, verengen sich so herzlich deine augen. dein hallo und dein bis dann sind immer leichthin. ihr klang schmerzt so sehr, daß ich es immer wieder von vorne hören will. das hallo mehr als das bis dann. bis dann. bis wann, frage ich mich jedesmal.
manchmal kneifst du abwesend die augen zusammen. ich weiß nicht, ob du immer ganz aufmerksam bist. du sagst immer „wie bitte?“, hebst die brauen und neigst den kopf zu mir hin. ich weiß, ich spreche leise. wenn du spöttisch schauspielernd die lippen vorwölbst, ein rund bildend, das leicht zu seite abfällt, dazu so ein bißchen mit dem kopf wackelst, durchrieselt es mich. so machtest du es mehrmals, als wir uns an christihimmelfahrt einmal trafen, ich hatte es noch nicht an dir gesehen vorher, damals als der sommer noch fern war, und ich nicht ahnte wie fern.

<<infra