einmal erzählte mir E., wie sie in griechenland auf dem markt eine wasserschildkröte gekauft habe. es gibt in Athen ganze straßenzüge, in denen allerlei haustiere zum kauf angeboten werden, volieren mit vögeln sind da aufgereiht, käfige mit hamstern, mäusen und kaninchen, wasserschildkröten in großen eimern. so eine wasserschildkröte, ein kaum kinderhandgroßes tier, kaufte E.; bekam ein gefäß mit, ein eimerchen vielleicht, oder eine plastiktüte mit wasser, ich weiß es nicht mehr, und damit ging sie nach hause.
und da war sie nun, die wasserschildkröte, bei E. zu hause. saß in ihrem eimerchen, hatte das köpfchen halb aus dem wasser erhoben und paddelte verloren mal hierhin, mal dahin; und als sie das erzählte, da legte E. ihre stirn mitleiderregend in falten, weitete die hilflosen augen und bewegte die angewinkelten arme wie beim schwimmen, so sei die wasserschildkröte in ihrem eimerchen herumgeschwommen, sagte sie, „das war so traurig, wie die wasserschildkröte allein in ihrem eimerchen herumschwamm, das köpfchen halb aus dem wasser, – wo bin ich, was mach ich hier? –, ich hab das nicht ertragen“, sagte sie und machte noch eine hilflose schwimmbewegung.
anderntags brachte sie die schildkröte zurück zum händler. „Δεν μπορώ“, sagte, sie, „ich kann das nicht.“ der händler nahm das tier zwar zurück, das geld wollte er E. aber nicht herausgeben.
ab und an denke ich an diese wasserschildkröte und wie E. die arme anwinkelte und die stirn in falten legte, und es greift mir ans herz.
Monat: März 2006
Exypnon
soll ich dir zeigen
ob du träumst
oder wachst?
fragte der traum
und kniff mich
in den oberarm
manchmal
was ersehnt diese sehnsucht eigentlich? … wenn man so sehr und so lange etwas will, bis das, was man will, zurücktritt und unsichtbar wird und schließlich ganz aus dem wollen verschwindet. allein, daß man will, bleibt: eine hohles gefäß wollens, in das man so komplett hineingewachsen ist, daß man es vollkommen ausfüllt.
Paul-Schallück-Straße
ich stelle mir vor, daß dort die schwarzweißgeringelte tasse immer noch steht, auf dem klavier, und daß eben erst der dumpfe, saitenverstärkte hall verklungen ist, mit dem sie dort aufkam. ich stelle mir vor, daß alles so ist, wie es war, als ich ging. vielleicht mit ein wenig staub überall, mit lustig wirbelnder leichtigkeit vor den morgendlichen fensterscheiben, einem duft nach unbewohnheit, oder nach ebengegangensein; daß das licht eingefroren ist über den blüten des ahorns; daß gegenüber die menschen überm schreibtisch sitzen, weder unbeweglich noch in bewegung, gerade nur so, wie jemand still steht, den man mit einem raschen blick erfaßt und wieder fortstößt, starr, obwohl vielleicht inmitten einer fließenden bewegung.
ebenso dieses zimmer, starr inmitten von bewegung, erfüllt von tanzendem staub, behängt mit träge wippendem papier, beschriebenem, das mit einer reißzwecke angepinnt ist; stille inmitten von klang, das knarzen des futons, das hohle poltern, mit dem die tasse aufs klavier trifft, verhalten, um eine schlafende nicht zu stören. das eine wird für immer eben erst gewesen sein, das andere wird für immer noch sein. gleich. jeden moment.
dieser raum hat sich abgelöst von allen räumen, die ich nun bewohne oder nicht bewohne. nur mehr zugänglich der vorstellung, verharrt er nun ewig in einem augenblick, kurz bevor jemand fragt, soll ich dir einen kaffee machen? und dennoch liegt staub über den noch fußwarmen sportschuhen am fenster, das handtuch ist noch feucht, die stretchhose zerknüllt unter dem zerschabten lederrucksack, der sich nicht mehr schließen ließ. ein sonnenstrahl liegt quer über einem mit georgischen schriftzeichen bekritzelten blatt papier, das nicht mehr vergilben wird. am klavier biegen sich die photographien. und werden sich immer biegen, die farben dazu verdammt, immer frisch zu bleiben, die gesichter immer strahlend. hier kann es nicht nacht werden und nie richtig tag; es herrscht ein ewiger morgen, mit dem immer im selben winkel verharrenden licht, dem staub, der tasse, in der noch der duft des kaffees ruht, eingefangen zwischen feuchter wärme und eintrocknung, und ein faden flüssigkeit spannt sich über die keramik, schwarz und weiß geringelt.
Aequinoctium
mitten im lauf erstarrte
plötzlich
zenon angesichts
des widerspruchs
sagt man
der streit widerstreitet
sich selbst
und endet
im streit
Nittel
ein regen schlief. ein fenster stand weitauf. leise stahl der mond der nacht eine stunde. lichtrauten schufen die wände wieder, während … und jetzt –
(einmal …. )
da
war sommer …
da war noch einmal: ein aufschub. ein weg. eine helle kreuzung. die man hätte nehmen können, die man nicht nahm. man streut es hin mit einem achselzucken und ein vogel kommt und pickt es auf. das ist alles.
sonne schien rechts, links stand der fuß auf schattenkühle. der hasel flatterte gegenüber. eine brise war. sonne war. menschen waren, unaufmerksam in eine ecke geweht, stimmen waren, und erwartung. der garten lag leer einen halbsommer. immer noch schwebte der fuß, bis er warm wurde in der sonne, immer noch hafteten links die zehen am stein, vergeblich kühle von sich streifend. um die andere ferse schloß sich gras weingedämpft. da zuckte die pupille, und sonne brandete und stirn schwamm davon über grünzerspelltes funkeln. lider senkten sich, lider schirmten. mit so einem schritt vornüber tauchend ins sonnenlicht fallen, aus dem schatten geneigt, einen hellen schritt. und immer. und immer.
und ewig. (sekt schaukelt in der hand)
zischende holzkohle, linkerhand spülte die sonne um finger, stimmengewirr hob sich und fiel ringsum, trunkener blick stolperte übers gras. eine großmutter schnarchte bedrohlich im liegestuhl, zuckte die achseln übers ersticken. feuchtigkeit schlug sich am wein nieder, wobei fett aus dem eschenahorn austrat. es tat gut, die hände vor sattheit niederfallen und ruhen zu lassen, es tat gut, zu schweigen, es tat gut, einfach alles ruhen zu lassen, mucksmäuschenstill. es tat gut, nicht zu denken, untätig zu sein, auch wenn es feststand, daß später das denken über uns kommen würde wie ein helleuchtender wirrer sturm. es tat gut, zu atmen.
ich war muchsmäuschenstill.
irgendwann jener tage steckte ich mir einen apfel ein und ging alleine in den wald. unruhige pläne geisterten herum, doch war man froh und voller vager zukünfte. träge blätterte man in büchern, schläfrig vom mittag. dann gab es essen. oben im haus warteten keusche nächte der liebesruh, und ein vertrauendes antlitz, das später in absurde gleichgültigkeit sich lösen sollte und vieles löschen auf immer: später, jahrhunderte später, als einmal herbst war.
da weiß man nicht: soll man vielleicht lachen? das weinen blieb im hals stecken, während die rosen wieder ausschlugen.
als wäre nichts gewesen, haben zwei jahre und ein bißchen mehr zeit die augen geschlossen.
ein regen schlief. ein fenster stand weitauf. leise stahl der mond der nacht eine stunde. lichtrauten schufen die wände wieder, während … und jetzt –
wieder, und derzeit die einzige möglichkeit eines atemzugs glück (oder etwas ähnlichem, voll davon): mich selbst ablegen in geschriebenem. für einen augenblick, der nicht länger dauern muß als es braucht, den stift niederzulegen: frei sein von mir selbst.
motto ..
… fürs erste geändert.
1981
das ist einfach grotesque, widernatürlich, unanständig. ich möchte nicht von sabbern sprechen, aber letzten endes ist es dieses wort, das in den gewölben widerhallt.
es kommt mir wie ein wahnsinn vor. was habe ich da zu suchen, nichts. elf jahre, ein augenblick, ein schicksal. zwei reisende in sich kreuzenden zügen, die einander für die schreckliche dauer eines wimpernschlags ins antlitz schauen und sich dann verpassen auf immer. doch in meinem fall, denke ich mit bitternis im herzen, hat es nicht einmal einen solchen augenblick gegeben; denn wir haben uns schon vor unserer geburt verpaßt; von anfang an konnten wir einander niemals mehr begegnen. (wenn es denn überhaupt beide gewollt hätten, versteht sich.) elf jahre. ein leben. sterblich sind wir von geburt an.
was für ein morgen ist das wieder, denke ich. jetzt mußte ich auch noch davon träumen. ein kuß. ein gemeinsames bad. ein sonnengebräunter rücken mit den hellen blässen des badeanzugs darauf sich kreuzend. ihre hände, die sie nicht schön findet, aber ich. ein traum: und noch im traum plötzlich die unumstößliche gewißheit, daß es nur ein traum war. ja, aber sie hat mich doch geküßt? wehre ich mich gegen mich selbst, aber ich muß es doch einsehen. und dann erwache ich, und es war wirklich nur ein traum, und der briefkasten ist wirklich wieder leer.
Geh!
Da sprang sie hinaus in den Garten in wildem Zorn, und Feuerströme von Tränen brannten auf ihren Wangen. Im Frost dampfte ihr warmes Haar. Der Rauhreif eiste ihre Füße. Da riß sie sich sämtliche Kleider vom Leib und sprach: „Geh fort. Nimm dein Schiff, fahr hinaus ans Ende der Welt, strande an verlassenem Gestade, zerschelle auf grausamer Klippe, versinke im tiefen Blau, und das Wasser möge den Glanz deiner Lichter löschen. Geh. Denn fort schicke ich ich dich, daß nie mehr ich dich sehe und leide am Blick deiner Augen.“
So sprach sie. Dann entzündete sie ein Feuer und warf ihre Kleider hinein und sah zu, bis sie vollständig verbrannt waren. Ihre Füße schmolzen das Eis im Grase zu ihren Füßen, der Flammenschein zuckte auf ihren Brüsten und schimmerte in den tiefen Brunnen ihrer Augen, und sie fror nicht.
in kürze
ich schrie gegen die wand
die wand
blieb weiß
zurückwies
man will gerne ablehnen. man möchte gerne zurückweisen, auch wenn es nichts zum zurückweisen gibt, weil ja keine vorschläge oder aufmichzugänge vorkommen, die man zurückweisen könnte; man möchte gerne abweisen, obwohl man es sich eigentlich nicht leisten kann, man möchte gerne abweisen, weil man es sich nicht leisten kann.